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Dörte Steinheisser ist Diplom Soziologin und Lehrerin für Sport und Sozialkunde. Zur Zeit ist sie als Hochschuldozentin an der Verwaltungsfachhochschule Wiesbaden tätig.
Ihre Dissertation »Frauen im Sport - eine historische und gegenwartsbezogene Analyse der weiblichen Sportbeteiligung im Kontext zeitgeschichtlicher gesellschaftlicher Entwicklungen « erschien 2004 in Frankfurt.

Spurensuche 3

Ein historischer Rückblick über die weibliche Bewegungskultur

 

Teil 3:
vom 17. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundertr

 

17. Jahrhundert

Sport gehörte nicht zur Weiblichkeitsideologie

Mitte bis Ende des 17. Jahrhunderts schenkte man der männlichen Körperbildung und damit den männlichen Leibesübungen wieder eine größere Beachtung. Eine Theorie aus der »Polarität der Geschlechter«, die den Frauen von Natur aus Charaktereigenschaften wie Anmut, Zartheit und Furchtsamkeit und dem Mann Eigenschaften der Stärke und Vernunft zuwiesen, verhinderte nachhaltig die Berücksichtigung einer sportlichen Unterweisung auch der Mädchen und Frauen. Weiblichkeitsideologie, Schönheitsideale und die herrschende Frauenrolle der Gesellschaft zeigten sich verantwortlich für diese Entwicklung und ließen ausschließlich männliche Leibesübungen wieder in den Vordergrund rücken.

18. - 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert waren die körperlichen Übungen der Mädchen und Frauen erneut geprägt von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Mit dem Aufkommen des Kapitalismus und der Etablierung einer bürgerlichen Gesellschaft entwickelte sich ein Patriarchalismus, der von starken Machtungleichgewichten der Geschlechter gekennzeichnet war und sich in einer großen Abhänigkeit der Frauen gegenüber ihren Männern widerspiegelte.

Weibliche Leibesübungen: Anmut & Schönheit

Ganz allgemein wurden die körperlichen Übungen Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund gesellschaftlicher Wandlungen, die soziale, ökonomische, politische Veränderungen mit sich brachten, zunehmend in den gesamten Erziehungsprozess mit einbezogen. Dabei waren die weiblichen Leibesübungen analog der Vorstellung über die »Bestimung des Weibes« und der Theorie von der »Polarität der Geschlechter« von Kanons des Anmuts, der Zierlichkeit und der Schönheit geprägt. Sportliche Wettkämpfe für das weibliche Geschlecht galten entsprechend als verpönt, da sie den Vorstellungen vom Wesen der Frau nicht entsprachen.

Die Leibeserziehung der Mädchen diente in seinen Zielsetzungen überwiegend der Aufrechterhaltung der Gesundheit, die vor allem im Hinblick auf die Ausübung gesellschaftliche Funktionen, wie die Hausarbeit und Mutterschaft, relevant waren. Erwachsene Frauen hatten bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts, von wenigen Ausnahmen abgesehen, jedoch keine Möglichkeit, Leibesübungen zu betreiben.

20. Jahrhundert

Nach dem Ersten Weltkrieg nahm der Frauensport einen raschen Aufschwung, wobei sich vor allem auch der Wettkampfsport der Frauen mehr und mehr durchzusetzen begann, wenn auch unter eheblichen Schwierigkeiten. Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Weimarer Zeit hatten dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Emanzipationsprozesse und sorgten für einen raschen Aufschwung des Frauensports, der sich zu einem Spiegelbild einer zunehmenden Leistungsgesellschaft herauskristallisierte. Insgesamt schuf die Offenheit, die das politisch-soziale Klima der zwanziger Jahre kennzeichnet, somit günstige Voraussetzungen für Diskussionen und zeitgemäße Entwicklungen und dies nicht nur bezogen auf den Sport.

In einer Rückschau auf die Situation des Frauensports in der Weimarer Republik fallen die vielfältigen und sich oft einander widersprechenden Strömungen auf. Progressive Tendenzen stießen auf konservatives, eher tradtionelles Gedankengut. Die Institutionalisierung des Frauensports, die gesellschaftliche Neuerungen und Veränderungen mit sich brachte und dabei gleichzeitig traditionelle Werte und Normen in Frage stellte, verlief dabei in einem ambivalenten, vielschichtigen Prozess ab, der heute, 80 Jahre später, nur noch schwer verständlich ist.

Mit dem Aufschwung des Frauensports kam der Wettkampf und die Institutionalisierung

Auf der einen Seite versuchten die Frauen sich in den Sportarten, die bisher dem männlichen Geschlecht vorbehalten waren, zu etablieren und verstießen damit gegen das gängige Weiblichkeitsideal. Auf der anderen Seite gingen sie typisch weiblichen Sportarten wie der der Gymnastik und dem Tanz nach und erfüllten somit das gängige und traditionelle Rollenverständnis einer Sport treibenden Frau.

Die vielversprechenden liberalen Ansätze im Frauensport wurden schließlich am Ende der Weimarer Republik mit der Machtübernahme des Nationalsozialismus gänzlich zurückgedrängt und erst viel später, nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, wieder aufgenommen. Von einem emanzipatorischen Gleichberechtigungsverständnis, das auf einer wechselseitigen Anerkennung der Geschlechter beruhte, war die Weimarer Zeit in jedem Falle noch weit entfernt.

Viele der in der Weimarer Republik sich anbahnenden gesellschaftlichen Entwicklungen wurden durch den Nationalsozialismus jäh zu einem Stillstand gebracht. Dies galt im besonderen Maße für den Bereich des Frauensports. Von einer qualitativen Entfaltung des Einzelnen in Bezug auf seine sportlichen Handlungsmuster, die unabdingbar an Faktoren der Individualität und persönlicher Entscheidungsmöglichkeit gekoppelt sind, konnte aufgrund des staatlichen Dirigismus, keine Rede sein.

Wenn dennoch häufig von einer Aufwertung des Körpers und des Sports in dieser Zeitepoche gesprochen wird, war diese unzweifelhalft mit einer völligen Funktionalisierung und Instrumentalisierung verbunden, wobei dem weiblichen wie auch dem männlichen Sport neben gesundheitlichen Aspekten, überwiegend politische Aufgaben zukamen.

Die nationalsozialistische Gesellschaft sollte im Wesentlichen durch den Geschlechterdualismus bestimmt werden und wies den Frauen und Männern unterschiedliche Funktionen in ihren Tätigkeitsbereichen zu. So wurde dem weiblichen Geschlecht in erster Linie Mutterschaft und Haushalt zugeordnet, während dem männlichen Geschlecht überwiegend die Bereiche der Wehrtüchtigkeit und der Versorgung der Familie zufielen.

Auch in dem Bereich des Sports wurde auf eine strikte Trennung der Geschlechter Wert gelegt. Die Theorie von der »Polarität der Geschlechter« kam im Sport in Form einer »Polarisierung der Leibesübungen« zum Tragen, die den Frauen weibliche Sportarten wie Gymnastik, Tanz oder Turnen und den Männern überwiegend kämpferische und risikoreiche Sportarten zuwiesen.

Zu den Zielsetzungen weiblicher Sportbetätigung gehörte neben einer »Gesundhaltung« der werdenden Mutter und Frau, eine allgemeine Förderung des Gemeinschaftsgedankens, der sich als überragender Aspekt nationalsozialistischen Gedankengutes auch im Sport darstellte. Das Prinzip der Nationalsozialisten, Führungsaufgaben in Frauenorganisationen dem weiblichen Geschlecht zu übertragen, wurde auch im Bereich des Sports umgesetzt. Da letztendlich die Beschlüsse einer Zustimmung des männlich besetzten Reichssportführers unterlagen, sollte dieses Prinzip sich jedoch als bloße »Farce« herausstellen und macht einmal mehr deutlich, dass auch sportpolitischen Einflussmöglichkeiten der Frauen Grenzen gesetzt wurden.

Analog eines herrschenden »Frauenideals«, welches mit einer strikten Geschlechtertrennung und unterschiedlichen Aufgabenzuteilungen einherging, erhielt der Leistungssport für das weibliche Geschlecht zunächst keine besondere Förderung. Die Argumente, die anfangs gegen den Leistungssport vorgebracht wurden, wandelten sich jedoch, als der Nutzen dieser Erfolge im internationalen Sport für Propagandazwecke erkannt wurde. Die olympischen Sommerspiele 1936, bei der die deutsche Frauenmannschaft als siegreichste hervorging, erteilte dabei allen Vorbehalten gegen den Leistungssport eine Absage und verdeutlicht einen »Gesinnungswandel« in Bezug auf den weiblichen Wettkampfsport.

Die Zeit der 50er Jahre sollte keinerlei bemerkenswerte Veränderungen im Bezug auf Gleichstellung der Geschlechter mit sich bringen und erneut war es eine Krisenzeit, die der Theorie von der Polarität der Geschlechter zu neuem Aufschwung verhalf. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit fand die Geschlechterpolarität erneut fruchtbaren Boden und überwiegend nur Mutterschaft und die damit verbundene Hauswirtschaft prosperierten zu einem anerkannten Aufgabenbereich. Ein stereotypes Rollenverständnis der deutschen Frau ist für die weiteren Entwicklungen im Frauensport der 50er und 60er Jahre nachweisbar. Erneut sind es Mediziner, die meist in einseitigen, unbewiesenen, und angeblich wissenschaftlich begründeten Äußerungen in Bezug auf Eignung oder Nichteignung der Frau ihr sportliches Engagement zu bremsen wussten. Biologische Unterschiede dienten dabei als ein Beleg für eine generelle physische und psychische Verschiedenheit der Geschlechter, die Frauen gezwungenermaßen nur auf einen ihr »artgemäßen« Sport und damit auf typische weibliche Sportarten verwiesen. Ein Recht auf freie Entscheiung zum sportlihen Leistungsvergleich in selbst ausgwählten Disziplinen wurde ihnen somit faktisch abgesprochen und weist einmal mehr auf die gesellschaftlichen Reglementierungen weiblicher Sportausübung bis in die 60er Jahre hinein.

Dörte Steinheisser

Teil 1: von der Antike bis zu den Germanen
Teil 2: Mittelalter und Spätmittelalter

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