In der nächsten

MATHILDE:

Literatur

Redaktionsschluss
für Heft 181:
20. November 2022

Werde auch eine

MATHILDE

IMPRESSUM

DATENSCHUTZERKLÄRUNG

Folgen Sie uns
auf Facebook:

MATHILDE

Lesen Sie hier weiter:

Inhalt der neuen Ausgabe

Titelbild: Pexels © Cottonbro 10295177

Editorial zur aktuellen Ausgabe mit dem Schwerpunktthema "30 Jahre MATHILDE "

 

Liebe Leserin,

bb|Die Frauenbewegung hat hierzulande vor etwa 170 Jahren begonnen. Die wenigen, oft schillernden Frauen, die sich in der 1848/49er Revolution zu Wort gemeldet hatten, beriefen sich auf nur wenige Vorbilder wie Olympe de Gouges und ihre ”Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ im Zuge der Französischen Revolution 1791 – gehört wurden sie kaum. Die Revolution scheiterte und erst die ”Erste Frauenbewegung“ setzte sich ab 1865 im Rahmen des preußischen Versammlungsverbotes gemeinsam mit einflussreichen Männern ins Benehmen, um auf Frauenkongressen für das Wahlrecht zu kämpfen, für Bildung und Berufsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen. Es gab also Erfolge. Doch ob die Streiterinnen für die ”Frauenfrage“ ihre Erfolge gefeiert haben? Darüber lesen wir nichts. Die Feierkultur war eine andere. Gefeiert wurde, um zu repräsentieren, die Feste waren durchorganisiert. Doch für ihr Gelingen waren überwiegend Frauen verantwortlich, die im Hintergrund arbeiteten.

Das ist oft heute noch so. Ob Kindergeburtstage oder Familienfeste, meist backen, kochen, schmücken und waschen Frauen hinterher ab. Dazwischen dürfen auch sie feiern, aber bitte: Kontenance, meine Damen! Nur nicht zu ausgelassen! Und schon gar nicht als Politikerin im Minirock. Die Bilder der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Martin gingen durch alle Medien – kaum zu glauben, aber wohl doch symptomatisch für die Beharrlichkeit, mit der in privaten Räumen und in der Öffentlichkeit an den alten Geschlechterbildern festgehalten wird – im 21. Jahrhundert!

1919 kam das Frauenwahlrecht, Frauen erschienen auf der politischen Bühne. Saßen sie zusammen und haben sich amüsiert? In den 50er und 60er Jahren druckten ”Brigitte“
& Co für Frauen Rezepte und Kleiderschnitte, damit sie ihren hausfraulichen und adrett gekleidet ihren gesellschaftlichen Pflichten nachkommen konnten.

Langsam tut sich was in (manchen) Partnerînnenstrukturen. In der Frauenbewegung der 70er Jahre rockten Frauen endlich los. Die Frauenbewegung hat sich die Walpurgisnacht zurückerobert und nachts betont wild auf der Straße gefeiert. Die ”Flying Lesbians“ ließen ganze Säle toben! Gern waren Frauen unter sich, weil sie weder angemacht noch begrapscht, nicht einmal beim Tanzen begutachtet werden wollten (siehe S. 27: Marie Marcks: Wir sind keine Sexobjekte!). Reine Frauenfeste gibt es seit frühester Zeit und in allen Kulturen. Wir haben unser 30-jähriges Mathilde-Jubiläum ausgelassen und unter uns gefeiert. Richtig gut! Und haben uns vorgenommen, dass wir künftig unser 31. und alle folgenden feiern, mit Minirock oder ohne ... die Sterne stehen gut: Unser Horoskop mit Mars im Zenit verspricht für die nächsten zehn Jahre mathildeschen Kampfgeist, die Welt steht uns offen! Dass Frauen nun auch bei Preisen und Ehrungen endlich in den allerersten Reihen zum Zuge kommen mit Literaturnobelpreis, Georg Büchner-Preis, Louise-Otto-Peters-Preis an Florence Hervé oder Luise-Büchner-Preis für Publizistik an Jagoda Mariniæ, das feiern wir! Dass in anderen Ländern und politischen Systemen noch lange nicht die Grundlagen gelegt sind für Errungenschaften dieser Art, dass es wie im Iran und Afghanistan für Frauen um alles geht, um ihr Selbstverständnis, um ihr Frausein, um ihr Überleben, erschüttert und empört uns! Und ruft uns dazu auf, unsere eigenen (komfortablen) feministischen Standpunkte und Strategien nach 170 Jahren zu überdenken angesichts der Femizide, Misshandlungen und Vergewaltigungen die im Iran und auf der ganzen Welt passieren. Genießen wir, was wir erreicht haben und feiern wir, wenn uns danach ist. Aber bleiben wir mitfühlend, solidarisch mit all den mutigen Frauen, die mehr als wir zu verlieren haben, zeigen wir unsere Wut und fragen wir uns stets, was genau das mit uns zusammenhängt!

Kommen Sie gut ins nächste Jahr!

Ihre MATHILDE-Frauen

MATHILDE