Zur Titelgestaltung:
Ob Single, Familie oder Mehrgenerationen-
WG: das Kaleidoskop auf dem Titel soll
die heutige Vielfalt an Lebensmodellen spiegeln.
Coverfotos: Anja Skeide, pixelio.de | Dieter Schütz,
pixelio.de | privat | Jutta Schütz | Unbekannt um
1860-70, pixelio.de | Uwe Molt, pixelio.de | Rainer
Sturm, pixelio.de | Dagmar Margotsdotter,
Daniela Parr | Jerzy Sawluk, pixelio.de | Astrid Götze-
Happe, pixelio.de | Souza, pixelio.de
Für den Notfall – "Pille danach" soll künftig rezeptfrei werden
Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande,
Österreich, Schweiz und Tschechien.
Bis auf Polen haben sie all unsere
direkten Nachbarn eingeführt: die Rezeptfreiheit
für die "Pille danach". Die Europäische
Kommission will dies nun auch
in Deutschland erreichen. Bereits am 7.
Januar 2014 wurde beschlossen, die Rezeptpflicht
für die Pille danach aufzuheben.
Die Bundesapothekenkammer, Pro
Familia und die Deutsche Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe begrüßen
diese Entscheidung. Für die Rezeptfreiheit
sprechen Argumente wie, dass in
ländlichen Gebieten Ärzte an Wochenenden
und Feiertagen schwer erreichbar
sind oder die Hoffnung, Abtreibungen
einzudämmen. Dagegen spricht, dass
durch das Entfallen der ärztlichen Beratung
das Präparat, das eine Hormonbombe
ist und daher nur im Notfall eingesetzt
werden sollte, möglicherweise unnötig
eingenommen wird. Befürchtungen, dass
junge Mädchen sorgloser mit der Einnahme
von Langzeitverhütung umgehen,
scheinen zumindest in unseren Nachbarländern
widerlegt.
WAS DENKEN DIE BETROFFENEN?
Um zu erfahren, was die Betroffenen davon
halten, haben wir Mädchen im Alter
von 12 bis 18, Kinderlose über 18 und Eltern
interviewt. Tatsächlich scheint es Mädchen
und Frauen oftmals lästig zu sein,
täglich an die Einnahme der Pille zu denken,
alle Befragten haben die Einnahme
der Pille bereits mindestens ein Mal vergessen,
einige mussten daraufhin zum
Arzt, um sich die "Pille danach" zu besorgen.
"Es war mir total unangenehm zum
Arzt zu gehen, weil ich mich dafür geschämt
habe", sagt beispielsweise Lisa (23).
Das Schamgefühl scheint allgemein ein
großes Problem zu sein. Auch Kira (16)
wäre
es am liebsten, die "Pille danach" an
einem Automaten zu ziehen, "damit ich
niemand
persönlich sprechen muss."
Nichtsdestotrotz geht die Tendenz der
nicht-repräsentativen Befragung bei
12-18-Jährigen und Kinderlosen gegen die
Rezeptfreiheit. Jana (27) sagt, ein Apotheker
sei zur Beratung ungeeigneter als ein
Arzt, da "...nur der Arzt meine bisherige
Anamnese kennt und auf eventuelle Unverträglichkeiten,
Nebenwirkungen und
Folgebehandlungen reagieren könnte."
Auch Lisa glaubt, dass eine ärztliche
Kontrolle besser sei, weil sie eine Nachuntersuchung
nach der Einnahme für nötig
hält. Die Rezeptfreiheit wird jedoch nicht
gänzlich verurteilt – vielmehr werden Alternativen
gesucht. Ein geringer Teil
spricht sich entschieden dafür aus und unterstützt
die Argumentation von Pro Familia
und Co. "Ich finde es sehr gut. Denn falls
man die Pille danach benötigt, muss das
schnell gehen und die Rezeptfreiheit erleichtert
das in einem solchen Notfall erheblich",
so Jasmin (20). Jana glaubt, dass
die Subventionierung von Verhütungsmitteln
gefördert werden muss, die selbstständig
und langfristig wirken, ohne dass
Mädchen an die Einnahme denken und sie
damit vergessen könnten.
Jede der Befragten gab an, dass ihre
Eltern mit der Einnahme der Pille einverstanden
waren. "Vertrauen, dass sie die
Pille verantwortungsvoll verwendet; gemeinsames,
offenes Gespräch, (zwecks)
Risikominimierung", sind laut Paul, Vater
einer 18-Jährigen, die Gründe dafür. Er
spricht sich für Rezeptfreiheit aus, sollte
es sich bei der Einnahme um eine Ausnahme
handeln. Um dies zu prüfen,
schlägt er eine "...Mengenbegrenzung
personenbezogen via ’Krankenkassengutschein ‘..."
vor. Dies würde auch der
verantwortungslosen Einnahme vorbeugen.
Bei der Frage, ob die Rezeptfreiheit
dazu führen würde, dass junge Mädchen
nachlässiger mit Langzeitverhütung umgehen,
waren sich die Befragten uneinig.
Ob und welche Auswirkungen die Rezeptfreiheit
tatsächlich haben wird,
bleibt abzuwarten. Beide derzeit in
Deutschland verfügbaren Präparate sollen
ab Frühjahr 2015 rezeptfrei erhältlich
sein.
Text: Olga Irmen
*alle zitierten Personen sind der Redaktion
bekannt
zurück