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Foto: A. Krauss

Single-Dasein – Ungewollt, vorübergehend oder gar gewollt?

Vom Glück des bewussten Alleinseins

In den Hollywoodstreifen und der Werbung treten Menschen meist paarweise auf. Folglich werden auch im wirklichen Leben Partner und Partnerinnen gesucht - auf Teufel komm raus. Manchmal kommt der auch, wie zum Beispiel in den neueren Vampirfilmen, wo die Liebe zur Falle wird, aus der es kein Entkommen gibt. Die Liebe ist ein Wahnsinn geworden. Sie soll alles erfüllen und völlig frei und durch nichts kontrollierbar sein. Unvernünftige Taten und aufwühlende Gefühle werden positiv bewertet. Die Erwartungen an die Partnerin oder den Partner sind immens hoch und realistischerweise kaum zu erfüllen. Nicht umsonst wird mehr als jede dritte Ehe geschieden, und davor sind auch keine Ehen sicher, die die Silberhochzeit schon hinter sich haben. Heute gibt es ungefähr 16 Millionen Haushalte, in denen nur eine Person lebt. Bei den öffentlich geäußerten Meinungen im Netz bestehen Zweifel, ob diese Einzelpersonen auch wirklich Singles sind. Da wird die Kürzung von Zuwendungen durch Hartz IV ins Feld geführt, und vielleicht sind es ja auch durch den Beruf getrennte Paare. Möglich. Halten wir fest, es gibt viele Menschen, die allein leben. Manche ungewollt und nur vorübergehend und andere gewollt. Ist das vorstellbar? Anscheinend nein, denn laut öffentlicher Meinung wird der letzten Gruppe unterstellt, dass sie lügt. Niemand sei gern alleine! Singles gelten als Sonderlinge, als Egoisten. Die allein lebenden Freundinnen wollen den anderen nur den Mann wegnehmen, heißt es. Außerdem weiß niemand, wo man oder frau sie bei der eigenen Hochzeit hinsetzen soll. Die Tischordnung will geplant sein. Und wenn die Einzelpersonen wieder eine Beziehung haben und wochenlang nichts mehr von sich hören lassen, finden wir das normal. Wir sollten unterscheiden zwischen Alleinsein und Einsamkeit. Wir können auch in einer Beziehung sehr einsam sein, wenn wir uns unverstanden fühlen oder Gewalt ertragen müssen. Da die Erwartungen an die Mitmenschen sehr hoch sind, kann eine Beziehung auch sehr stressig sein. Neuere Studien zeigen, dass das Single-Dasein sogar positiv auf die Gesundheit wirken kann. Es ist wichtig, wie damit umgegangen und wie es bewertet wird. Singles haben oft sehr viele Kontakte, die sie treu und verlässlich pflegen. Sie können spontan auf Reisen gehen und am kulturellen Leben teilnehmen, ohne vorher zu fragen. Das Leben wird selbst bestimmt, Entscheidungen unabhängig getroffen. Auch die Arbeitswelt verlangt immer mehr von uns und so haben Singles wenigstens keinen Stress zuhause. Das eigene Heim ist dann kein Ort, wo man/frau einfach noch weiter funktionieren oder Leistungen erbringen muss. Die üblichen Machtkämpfe unterbleiben, und es ist dann in der Wohnung auch so sauber oder so schmutzig, wie frau oder man will. Die meisten Menschen brauchen von Zeit zu Zeit eine Möglichkeit, sich zurückzuziehen, um nachzudenken. Tatsächlich werden wir immer wieder alleine klarkommen müssen. Eine PartnerIn kann gehen, wenn wir krank werden, wenn wir uns nicht mehr verstehen, wenn die Weiterentwicklung unterschiedlich verläuft, oder natürlich auch wenn ein Mensch stirbt. Laut Mikrozensus 2011 ist die größte Gruppe der allein lebenden Menschen über 65 Jahre alt und weiblich. Genau so eine Person habe ich getroffen, und es interessierte sich ein Witwer für sie. Nach dem Hollywood-Denken ein großes Glück. Sie dagegen sagte schlicht: Ich schaff mir doch nicht wieder einen Mann an, den ich versorgen muss. Frauen sind inzwischen emanzipierter, und viele Männer haben da noch nicht aufgeholt.

Text: Christiane Schäfer

 

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