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Luise Pusch nach einer ihrer Lesungen 2010 in Bensheim.

Foto: Gundula Pause

Den Sprachwandel gepuscht

Die feministische Linguistin Prof. Luise Pusch feierte
am 14. Januar ihren 70. Geburtstag

"Die Menstruation ist bei jedem ein bisschen anders", so beschrieb der Beipackzettel die Anwendung von Tampons bis in die 1980er Jahre, sehr zum Verdruss vieler Nutzerinnen. Hätte sich die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch nicht über solche Sätze empört und diese bei der Firma reklamiert, würde dieser Satz noch heute auf der Gebrauchsanleitung zu lesen sein. Die Linguistin analysiert und ergänzt unsere Sprache, die oft nur männliche Bezeichnungen kennt und wendet sich gegen sprachliche Diskriminierung. Bevor sie ihre Studien zu veröffentlichen begann (1979, 1980 ff.), spürten wir schon Unbehagen über Wortpaare wie herrlich – dämlich, über die Verniedlichungen und Abwertung der Begriffe, die das Weibliche bezeichneten wie Mädchen und Fräulein. Pusch wiederum bezahlte ihre Kritik an der geschlechter-ungerechten Sprache mit ihrem Karriereknick. Als Professorin an einer deutschen Universität hätte sie in Ruhe und mit dem entsprechenden Budget weiter forschen können. Doch war sie der männlich geprägten Professorenschaft ein Dorn im Auge. In meinem Abiturzeugnis (1969) finde ich noch die Anrede Herr/Fräulein, eine Abiturientin konnte nur als Fräulein Abitur machen, im Jahr 1983 wurde ich gleich geschlechtsumgewandelt zum Industriekaufmann und EDV-Organisator, als Frau habe ich offenbar nicht existiert. Unter dem Einfluss von Puschs Recherchen und ihren spritzigen Veröffentlichungen wurden nach und nach in vielen Formularen die weiblichen Formen ergänzt. Bewerbungsanzeigen müssen seit 2006 geschlechtsneutral erstellt werden. In Schulen, Behörden, in der Politik werden immer Frauen und Männer angesprochen. Die MATHILDE-Redaktion hat sich entschieden, die gendergerechte Sprache in allen Artikeln zu verwenden. Wir sind Frauen, schreiben für Frauen und wollen Frauen sichtbar machen. Sind beide Geschlechter gemeint, verwenden wir das Binnen-I oder den Schrägstrich. Wir wechseln die Formen ab und verwenden die weibliche Form, wenn wir definitiv Frauen meinen. Manche Redakteurin fühlte sich von dieser Regel schon vor den Kopf gestoßen, eine hat ihre Mitarbeit bei uns aufgekündigt, weil sie diese frauengerechte Schreibweise umständlich und nicht journalistisch fand. Die Uni Leipzig führte im letzten Jahr das generische Femininum in ihrer Verfassung ein, wobei generell die weibliche Bezeichnung für Universitätsangehörige gewählt wird und Männer mitgemeint sind. Andere Universitäten werden folgen. Ohne das erfolgreiche Wirken von Luise Pusch wäre dies undenkbar. Die Sprachwissenschaftlerin betrachtet unsere Welt mit wachen Augen, kommentiert sprachliche Ungerechtigkeiten und Ungenauigkeiten in unterhaltsamen Glossen, die sie regelmäßig in ihrem BLOG (Internettagebuch auf www.fembio. org) und in Büchern veröffentlicht. In ihrem neuen Buch, Die Sprachwandlerin Luise F. Pusch, schreiben ihr viele Freundinnen und Weggefährtinnen eine Femmage. Auch wir wollen ihr zu ihrem 70. Geburtstag gratulieren und die Ehre erweisen, die ihr gebührt. Liebe Luise, wir danken dir, dass du uns wachgerüttelt und für unsere Sprache sensibilisiert hast. Wir hoffen, noch viel von dir zu lesen.

Text: Gundula Pause

 

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