Haus, Hof und Garten - alles, was geht
Bei Helma Eller entsteht vieles in der eigenen Werkstatt
Ich würde mich als Allroundtalent bezeichnen.
Die typischen Mädchenbeschäftigungen
habe ich gemacht: häkeln,
stricken, nähen, basteln, malen, mit
Puppen spielen. Dazu kamen dann:
Fahrradreifen wechseln, Kabel löten, Stereoanlagen
anschließen, Auspufftöpfe
vom Mofa reinigen, Regale bauen, tapezieren
und Holzdecken einbauen. Bei
meinen Autos dann Radios und Lautsprecher
ein- und ausbauen, Ölwechsel,
Batterien, Glühbirnen und Sicherungen
austauschen. Bis zum Schweißen und Rasenmähen
habe ich es bisher noch nicht
geschafft.
Meine Mutter hat alles Mögliche gesammelt,
zusammengebastelt oder wiederverwendet,
sich ganz in klassisch
weiblicher Rolle und Tätigkeiten bewegt.
Mein Vater übernahm die "männlichen"
Arbeiten. Handwerklich und technisch
kann er sehr viel, einiges davon hat er mir
vermittelt. Das wundert mich, denn er
richtet sich bis heute sehr klassisch rollenspezifisch
aus und traut Frauen wohl
auch nicht wirklich viel zu. Zudem habe
ich noch einen (jüngeren) Bruder, der die
ganz klassisch "männlichen" Arbeiten
macht.
Dreigenerationenhaushalt
Meine Mutter und Großmutter wirtschafteten
in einem gemeinsamen Haushalt
und waren beide kaum erwerbstätig. Ich
war (zum Glück) nicht im Kindergarten.
Mein Opa starb, als ich fünf Jahre alt war,
meine Oma als ich 15 war. Sie konnte nahezu
alle "weiblichen" Arbeiten sehr gut.
Sie hatte eine Nähmaschine und nähte
komplizierte Sachen. Im Keller stand mir
eine sehr gut ausgestattete Werkstatt zur
Verfügung, bis ich mit 36 Jahren aus meinem
Elternhaus auszog. Vor elf Jahren
kaufte ich ein altes, denkmalgeschütztes
Haus. Es wurde von meinem Vorbesitzer
komplett saniert. Es hat 57 Quadratmeter
Wohnfläche, einen Keller, ein Gärtchen
(9 qm) und einen Vorplatz (8 qm).
Meine Werkstatt
Schon vor meinem Einzug stellte ich eine
Werkbank mit Schraubstock in den Keller.
Ohne Drahtbürste, Bohrmaschine,
Stichsäge, Stemmeisen, Schlüsselsatz,
Lötkolben... wollte ich nicht wohnen.
Nähmaschine, Wolle, Stoffreste, Perlen,
Häkel- und Stricksachen, Lederreste hatte
ich schon selbst. Ich ändere Kleidung,
stopfe, nähe Gardinen, koche ein, trockne
Kräuter, mache Ringelblumensalbe,
drehe Ohrkerzen.
An einem eigenen Haus ist immer etwas
zu tun. Ich lebe alleine, alles ist erst
einmal meine Aufgabe. Ich war schon auf
dem Dach den Kamin abdichten, säubere
Dachrinnen, habe auf einem Gerüst
Fenster und Giebel abgeschliffen und
gestrichen, Gitterrahmen für die Kellerfenster
gebaut, Brennholzständer konstruiert,
Teppichboden verlegt, Treppengeländer
montiert. Ich schließe Lampen
und Steckdosen an, montiere Gardinenstangen
und Ofenrohre, schärfe und öle
meine Haushalts- und Gartenscheren,
Messer und die Sense.
Für den Winter habe ich eine zusätzliche
Haustür aus Kunststoff gebaut, für
mein Gärtchen einen Zaun aus Haselnussästen.
Meine neueste Kreation ist die Gartenbank.
Die Mauer neben der Kellertür
rutscht weg, und der Vorplatz möchte
neu gepflastert werden. An die Eröffnung
dieser Baustelle habe ich mich bisher
noch nicht getraut.
Nachteile? Mein Tag reicht nicht aus,
um all die Arbeiten zu erledigen, die gemacht
werden wollen. Ich brauche viel
Werkzeug und eine große Materialsammlung,
um die Arbeiten ausführen
zu können. Das braucht System und
nimmt Platz.
Eine neue Herausforderung
Auf meinem gepachteten Gartengrundstück
(580 qm) gestalte ich nun großflächiger.
Ich schneide Obstbäume, sense
die Wiese, habe eine Feuerstelle und eine
Schwitzhütte gebaut. Die lang begrübelte
Kompost-Toilette ist endlich fertig. Ein
großes Projekt war der Bau einer Holzhütte
mit drei bis vier Quadratmetern
Grundfläche. Zum Teil aus Abfallholz von
Paletten und zwei Glasscheiben aus alten Fenstern.
Die Hütte habe ich, bis auf
wenige Hilfen, alleine gebaut. Inzwischen
sind auch die Dachrinne und die
Wassertonne montiert.
Aufwertung durch "männliche" Arbeitsbereiche?
Oft reagieren Menschen überrascht
auf das was ich mache. Vor allem
bei "männlichen" Tätigkeiten. Mir
fällt auf, dass ich auf die "weiblichen"
Arbeiten nicht so stolz bin
wie auf die "männlichen". Aber auch
wenn ich Sachen nähe, ernte ich Erstaunen.
Generell beobachte ich,
dass meine Generation im Handwerklichen
nicht so erfahren ist,
Frauen wie Männer.
Vieles habe ich durch Ausprobieren
gelernt. Das traue ich mich,
weil ich ein gutes handwerkliches
Fundament habe. Manche Arbeiten
mache ich gerne, bei einigen kämpfe
ich mich durch inneren Widerstand
und manche Hemmschwelle.
Oft habe ich heulend fast aufgegeben,
mich verletzt oder mich körperlich
sehr gefordert. Für manche
Arbeiten brauche ich als Laiin viel
mehr Zeit als Profis, denn ich experimentiere
und habe das schlechtere
Werkzeug. Viele Arbeiten mache
ich notgedrungen, weil ich sie mir
als Dienstleistung nicht kaufen
kann oder weil sie mir andere nicht
exakt genug machen. Ich bin Perfektionistin
und zudem Ästhetin.
Was mir Spaß macht sind kreative Arbeiten.
Mit den meisten Ergebnissen bin ich
zufrieden. Ich fühle mich unabhängig,
wenn ich viel selbst machen kann.
Ich tausche auch gerne mit anderen,
die Tätigkeiten besser oder schneller
können als ich. Obwohl andere bessere
Ergebnisse erzielen würden als ich,
schneide ich meine Haare selbst. Denn
ich bin ja schließlich ausgebildete Gesellin
im Friseurinnenhandwerk – ein klassischer
Frauenberuf. Aber manchmal sehne
ich mich nach einer Frau und einem
Mann, die mir 70 Prozent der Arbeiten
abnehmen, damit ich ganz viel Zeit für
Muße habe.
Text: Helma Eller
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