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Haselnusszaun und Gartenbank sind Werke aus Helma Ellers eigener Werkstatt.

Die Gartenhütte entstand aus 70 Prozent gesammeltem Material.

Helmas Kompost-Toilette kommt ohne Wasserspülung aus.

Alle Fotos: Helma Eller

Haus, Hof und Garten - alles, was geht

Bei Helma Eller entsteht vieles in der eigenen Werkstatt

Ich würde mich als Allroundtalent bezeichnen. Die typischen Mädchenbeschäftigungen habe ich gemacht: häkeln, stricken, nähen, basteln, malen, mit Puppen spielen. Dazu kamen dann: Fahrradreifen wechseln, Kabel löten, Stereoanlagen anschließen, Auspufftöpfe vom Mofa reinigen, Regale bauen, tapezieren und Holzdecken einbauen. Bei meinen Autos dann Radios und Lautsprecher ein- und ausbauen, Ölwechsel, Batterien, Glühbirnen und Sicherungen austauschen. Bis zum Schweißen und Rasenmähen habe ich es bisher noch nicht geschafft. Meine Mutter hat alles Mögliche gesammelt, zusammengebastelt oder wiederverwendet, sich ganz in klassisch weiblicher Rolle und Tätigkeiten bewegt. Mein Vater übernahm die "männlichen" Arbeiten. Handwerklich und technisch kann er sehr viel, einiges davon hat er mir vermittelt. Das wundert mich, denn er richtet sich bis heute sehr klassisch rollenspezifisch aus und traut Frauen wohl auch nicht wirklich viel zu. Zudem habe ich noch einen (jüngeren) Bruder, der die ganz klassisch "männlichen" Arbeiten macht.

Dreigenerationenhaushalt

Meine Mutter und Großmutter wirtschafteten in einem gemeinsamen Haushalt und waren beide kaum erwerbstätig. Ich war (zum Glück) nicht im Kindergarten. Mein Opa starb, als ich fünf Jahre alt war, meine Oma als ich 15 war. Sie konnte nahezu alle "weiblichen" Arbeiten sehr gut. Sie hatte eine Nähmaschine und nähte komplizierte Sachen. Im Keller stand mir eine sehr gut ausgestattete Werkstatt zur Verfügung, bis ich mit 36 Jahren aus meinem Elternhaus auszog. Vor elf Jahren kaufte ich ein altes, denkmalgeschütztes Haus. Es wurde von meinem Vorbesitzer komplett saniert. Es hat 57 Quadratmeter Wohnfläche, einen Keller, ein Gärtchen (9 qm) und einen Vorplatz (8 qm).

Meine Werkstatt

Schon vor meinem Einzug stellte ich eine Werkbank mit Schraubstock in den Keller. Ohne Drahtbürste, Bohrmaschine, Stichsäge, Stemmeisen, Schlüsselsatz, Lötkolben... wollte ich nicht wohnen. Nähmaschine, Wolle, Stoffreste, Perlen, Häkel- und Stricksachen, Lederreste hatte ich schon selbst. Ich ändere Kleidung, stopfe, nähe Gardinen, koche ein, trockne Kräuter, mache Ringelblumensalbe, drehe Ohrkerzen. An einem eigenen Haus ist immer etwas zu tun. Ich lebe alleine, alles ist erst einmal meine Aufgabe. Ich war schon auf dem Dach den Kamin abdichten, säubere Dachrinnen, habe auf einem Gerüst Fenster und Giebel abgeschliffen und gestrichen, Gitterrahmen für die Kellerfenster gebaut, Brennholzständer konstruiert, Teppichboden verlegt, Treppengeländer montiert. Ich schließe Lampen und Steckdosen an, montiere Gardinenstangen und Ofenrohre, schärfe und öle meine Haushalts- und Gartenscheren, Messer und die Sense. Für den Winter habe ich eine zusätzliche Haustür aus Kunststoff gebaut, für mein Gärtchen einen Zaun aus Haselnussästen. Meine neueste Kreation ist die Gartenbank. Die Mauer neben der Kellertür rutscht weg, und der Vorplatz möchte neu gepflastert werden. An die Eröffnung dieser Baustelle habe ich mich bisher noch nicht getraut. Nachteile? Mein Tag reicht nicht aus, um all die Arbeiten zu erledigen, die gemacht werden wollen. Ich brauche viel Werkzeug und eine große Materialsammlung, um die Arbeiten ausführen zu können. Das braucht System und nimmt Platz.

Eine neue Herausforderung

Auf meinem gepachteten Gartengrundstück (580 qm) gestalte ich nun großflächiger. Ich schneide Obstbäume, sense die Wiese, habe eine Feuerstelle und eine Schwitzhütte gebaut. Die lang begrübelte Kompost-Toilette ist endlich fertig. Ein großes Projekt war der Bau einer Holzhütte mit drei bis vier Quadratmetern Grundfläche. Zum Teil aus Abfallholz von Paletten und zwei Glasscheiben aus alten Fenstern. Die Hütte habe ich, bis auf wenige Hilfen, alleine gebaut. Inzwischen sind auch die Dachrinne und die Wassertonne montiert.

Aufwertung durch "männliche" Arbeitsbereiche?

Oft reagieren Menschen überrascht auf das was ich mache. Vor allem bei "männlichen" Tätigkeiten. Mir fällt auf, dass ich auf die "weiblichen" Arbeiten nicht so stolz bin wie auf die "männlichen". Aber auch wenn ich Sachen nähe, ernte ich Erstaunen. Generell beobachte ich, dass meine Generation im Handwerklichen nicht so erfahren ist, Frauen wie Männer. Vieles habe ich durch Ausprobieren gelernt. Das traue ich mich, weil ich ein gutes handwerkliches Fundament habe. Manche Arbeiten mache ich gerne, bei einigen kämpfe ich mich durch inneren Widerstand und manche Hemmschwelle. Oft habe ich heulend fast aufgegeben, mich verletzt oder mich körperlich sehr gefordert. Für manche Arbeiten brauche ich als Laiin viel mehr Zeit als Profis, denn ich experimentiere und habe das schlechtere Werkzeug. Viele Arbeiten mache ich notgedrungen, weil ich sie mir als Dienstleistung nicht kaufen kann oder weil sie mir andere nicht exakt genug machen. Ich bin Perfektionistin und zudem Ästhetin. Was mir Spaß macht sind kreative Arbeiten. Mit den meisten Ergebnissen bin ich zufrieden. Ich fühle mich unabhängig, wenn ich viel selbst machen kann. Ich tausche auch gerne mit anderen, die Tätigkeiten besser oder schneller können als ich. Obwohl andere bessere Ergebnisse erzielen würden als ich, schneide ich meine Haare selbst. Denn ich bin ja schließlich ausgebildete Gesellin im Friseurinnenhandwerk – ein klassischer Frauenberuf. Aber manchmal sehne ich mich nach einer Frau und einem Mann, die mir 70 Prozent der Arbeiten abnehmen, damit ich ganz viel Zeit für Muße habe.

Text: Helma Eller

 

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