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Brigitte Hartwig (links) und Edda Fees.

Foto: Frauenbüro der Stadt Darmstadt

Kommunale Frauenbüros in Gefahr?

Das Hessische Gleichberechtigungsgesetz (HGIG) lief zum 31. Dezember 2013 aus und wurde in letzter Minute bis zum 31. Dezember 2015 verlängert. Wie geht es weiter?

Das folgende Interview wurde geführt mit Edda Feess, seit Mai 2012 Frauenbeauftragte der Stadt Darmstadt, und mit Brigitte Hartwig. Sie ist seit 1998 Frauenbeauftragte des Landkreises Darmstadt-Dieburg und zugleich Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbeauftragten in Hessen (LAG).

Mathilde: Durch welche gesetzlichen Grundlagen ist die Arbeit der kommunalen Frauenbüros in Hessen geregelt?

Brigitte Hartwig: Das HGlG betrifft die Frauenförderung innerhalb des öffentlichen Dienstes, es regelt die behördeninternen frauenpolitischen Aufgaben, zum Beispiel, ab welcher Beschäftigtenzahl eine Frauenbeauftragte zu bestellen ist und welche Rechte sie hat. Es regelt, was ein Frauenförderplan zu beinhalten hat. Die öffentlich wahrgenommene Diskussion um die Gesetzesverlängerung und somit die Rechtssicherheit der Tätigkeiten von Frauenbeauftragten betrifft nur dieses Gesetz, das HGlG.

Edda Feess: Die Hessische Gemeindeordnung, bzw. die Kreisordnung dagegen sind nach außen gerichtet und betreffen alle Bürgerinnen und Bürger einer Kommune im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Grundlage ist Artikel 3 des Grundgesetzes. Durch die Einrichtung von Frauenbüros in Gemeinden und Landkreisen beispielsweise werden Strukturen geschaffen, die die Verwirklichung dieses Auftrages sicherstellen. In Darmstadt gibt es ein Frauenbüro und im Landkreis eine Abteilung für Chancengleichheit. Wir sprechen hier von den externen Frauenbeauftragten.

Mathilde: Nennen Sie unseren Leserinnen und Lesern bitte einige Ihrer wesentlichen Arbeitsschwerpunkte.

Brigitte Hartwig: Ich begleite den aktuellen Verwaltungsreformprozess und berate die beteiligten Personen. Bei Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigten haben können, hat die Dienststelle die Förderung der Chancengleichheit zu beachten. Veränderte organisatorische Strukturen wirken sich meist unterschiedlich auf Frauen und Männer aus. Wenn Strukturen diskriminieren, müssen sie verändert werden. Praktisch bedeutet dies die Mitarbeit in diversen Reformgruppen und die Behandlung unterschiedlicher Themen: Wie kann Diskriminierung bei Beurteilungsgesprächen verhindert werden? Welche Fallen lauern bei der leistungsorientierten Bezahlung? Werden teilzeitbeschäftigte Frauen bei der Neuordnung der Führungsstruktur angemessen berücksichtigt? Meine Arbeit besteht also darin, an den Strukturveränderungen in der Verwaltung mitzuwirken.

Edda Feess: Wir sind sowohl Serviceund Anlaufstelle für Darmstädter Bürgerinnen als auch für unsere eigenen weiblichen Beschäftigten. Intern arbeiten wir mit Nachdruck an der Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen sowie an der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Pflege. Auch die Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist ein sehr wichtiges Thema. Extern entwickeln wir frauenpolitische Konzepte, sichern Qualitätsstandards in der Fraueninfrastruktur, nehmen auf vielen Ebenen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte wahr und unterstützen Fraueneinrichtungen. Themen sind zum Beispiel die existenz- sichernde Erwerbsarbeit von Frauen, der Girls’ Day, der Equal Pay Day, ebenso der Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Frauengesundheit. Ganz wichtig ist auch, dass Frauenbüros Öffentlichkeit für frauenpolitische Themen herstellen.

Mathilde: Wie war es möglich, dass die Novellierung des Gleichberechtigungsgesetzes nicht rechtzeitig angegangen wurde, so dass für die Frauenbeauftragten zum 1. Januar. 2014 keine verlässliche Handlungsgrundlage vorlag?

Brigitte Hartwig: Die Novellierung von Seiten der damaligen CDU/FDP-Regierung wurde rechtzeitig begonnen, nur ist ihr Gesetzesentwurf irgendwann im Geschäftsgang stecken geblieben. Möglicherweise gab es Widerstände gegen eine Novellierung innerhalb der CDU-Fraktion.

Mathilde: Inwieweit können Sie, Frau Feess, als örtliche Frauenbeauftragte und Sie, Frau Hartwig, als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren nehmen? Sind Sie in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden? Wenn ja, wie sieht die Beteiligung aus?

Edda Feess: Über den Hessischen Städtetag nutze ich als kommunale Frauenbeauftragte die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Brigitte Hartwig: Zurzeit bin ich eine von fünf Sprecherinnen der Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauenbüros. Zwei von uns begleiten überwiegend die beabsichtigte Novellierung. Daneben haben wir Kontakt zu den frauenpolitischen Sprecherinnen der Landtagsfraktion und zur Stabsstelle Frauenpolitik im Sozialministerium. Unsere Anforderungen an ein wirkungsvolles HGlG haben wir formuliert und allen am Gesetzgebungsverfahren Mitwirkenden vorgestellt. Wir werden im Verfahren in einer Anhörung meistens beteiligt. Außerdem machen wir Lobbyarbeit für die Frauen und die Arbeit der Frauenbeauftragten, wie zum Beispiel in Kontakt zu treten mit den örtlichen Landtagsabgeordneten, dem zuständigen Landrat und der Dezernentin. Ebenso werden wir beim Hessischen Landkreistag vorstellig und berichten den politischen Gremien des Landkreises.

Mathilde: Welche Verbesserungen für Ihre Arbeit erhoffen Sie sich von der Gesetzesnovellierung?

Brigitte Hartwig: Ich hoffe auf eine ordentliche Evaluierung des Gesetzes im Hinblick auf eine größere Wirksamkeit. Die SPD Landtagsfraktion hatte bereits vor der letzten Landtagswahl einen eigenen Entwurf eingebracht, der aber keine Mehrheit fand. Dieser Entwurf enthielt einige Verbesserungen für unsere Arbeit und hätte die tatsächliche Umsetzung der Gleichberechtigung in den Verwaltungen stärker unterstützt. So wurde klargestellt, dass alle Beschäftigten in der Verwaltung verpflichtet sind, die Umsetzung der Gleichberechtigung zu verwirklichen, sich mit Fragen der Gleichberechtigung und des Gender Mainstreaming* auseinanderzusetzen und im Sinne der Ziele des Gesetzes produktive Lösungen zu finden.

Edda Feess: Zentrale Forderungen sind sowohl die Erhöhung der Wirksamkeit des Gesetzes als auch die Schaffung einer zentralen unabhängigen Stelle zur Klärung strittiger Sachverhalte. Es muss ein gerichtliches Antragsrecht der Frauenbeauftragten geben, denn bis jetzt ist das HGlG kein einklagbares Recht. Für Verstöße sollten Sanktionen definiert sein. Wir erwarten, dass in den nächsten zwei Jahren die Novellierung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes endlich in Gang kommt. Die Anforderungen sind dem Ministerium bekannt.

Text: Ulrike Funke

* Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zu berücksichtigen, um so die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen.

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