Werden Sie auch eine
Foto: privat
Martina, du pilgerst seit sieben Jahren auf verschiedenen Wanderrouten in Deutschland zusammen mit zwei anderen Frauen. Was motiviert dich dazu?
Ich möchte für eine Woche herauskommen aus dem Alltag, alles hinter mir lassen, nur unterwegs sein mit mir und den anderen Frauen und meinem Gepäck und sehen, wie es sich entwickelt. Täglich laufen so lange es geht und dann am Abend eine Unterkunft suchen. Loslaufen, die Ruhe und Stille in der Natur erleben, abends ankommen, das Essen genießen, ausruhen. Meinen Rhythmus finden. Meine Philosophie des Laufens ist Energie tanken für meinen Alltag.
Und was bedeutet für dich das Pilgern?
Pilgern bedeutet für mich, sich von allem Überflüssigen zu befreien, sich nahe zu sein, Körperlichkeit, Kraft, Begrenzung, Inneres spüren. Grenzerfahrungen erleben und sie akzeptieren. Eine Wanderung musste ich abbrechen. Ich lief mit leichten Knieproblemen los und dachte, ich laufe mich ein und der Schmerz geht weg. Leider war das nicht so, und so brach ich die Wanderung ab. Die Entscheidung war für mich richtig so.
Warum lauft ihr in der Woche vor Ostern?
Wir haben bewusst die Karwoche gewählt, die Woche vor Ostern, dem Frühling entgegen. Es ist das Ende der Fastenzeit und für mich ist es wichtig, einmal im Jahr mental zu fasten, mich leer zu machen und damit den Anforderungen in meinem Alltag wieder gewachsen zu sein. Ich habe keine religiösen Gründe. Ich möchte nur mit mir und meinem Gepäck unterwegs sein, das bedeutet auch Verzicht zu üben und nur das zu tragen was wirklich wichtig ist. Jederzeit stehenbleiben können und schauen und staunen und mein eigenes Tempo finden, meine Geschwindigkeit erleben. Gemeinsam laufen, sprechen und auch schweigen. Wir laufen auch kleinere Strecken getrennt, wenn das Tempo unterschiedlich ist und warten aufeinander. Wir haben uns noch nie verloren, verlaufen schon. Laufen ist körperlicher Stressabbau, und dadurch wird Energie aufgeladen.
Wann seid ihr das erste Mal gemeinsam gelaufen?
Das war 2007 den Maintalhöhenringweg von Aschaffenburg bis Gemünden.
Wie viele Kilometer lauft ihr pro Tag?
Das ist unterschiedlich, in diesem Jahr täglich nur 15 bis 18 Kilometer – es war sehr kalt, wir hatten an einigen Tagen Minusgrade – sonst etwa 20 Kilometer täglich.
Was habt ihr an Gepäck dabei?
Ich habe 8 kg dabei in einem kleinen, optimalen Rucksack: Waschzeug, ein bis zwei T-Shirts, ein Pulli und eine Hose, Regenjacke und –hose, Proviant und Wasser oder Tee für einen Tag. Unten in meinem Rucksack ist mein Reiseföhn, der von meinen Mitwanderinnen am Anfang belächelt wurde, aber mittlerweile haben sie sich daran gewöhnt und leihen ihn sich schon mal aus. Diesen Luxus gönne ich mir und trage ihn auch gerne.
Plant oder bucht ihr eure Unterkünfte schon im Voraus?
Nein, das machen wir jeden Abend aufs Neue. Wir suchen uns am Ort eine Unterkunft. Wir haben in all den Jahren immer ein Zimmer bekommen und dabei auch schöne Erlebnisse gehabt. Am Eifelsteig kamen wir in einen Ort, der keine Unterkunft hatte, und der letzte Bus war auch schon weg. In diesem Augenblick hielt eine Frau und fragte, ob sie uns helfen könne. Aber sie müsse erst noch das Fleisch für die morgige Konfirmation in die Kühltruhe bringen. Als sie wieder zurück kam, sagte sie: "Ihr könnt beim Kätchen schlafen". Wir übernachteten bei einer blinden Frau in einem wirklich alten Schlafzimmer. Das war ein beeindruckendes Erlebnis.
Sind die Kosten für die Übernachtung erschwinglich?
Ja, mit Frühstück zwischen 20 und 40 € pro Person.
Einigt ihr euch schon im Voraus für eine bestimmte Strecke, das Ziel?
Ja, zielorientiert wandern heißt, eine bestimmte Strecke an einem Tag, in einer Woche bewältigen. Der Weg ist das Ziel.
Habt ihr Handys dabei?
Ja.
Was muss vorher geplant werden?
Wir legen nur die Wanderstrecke fest und wie wir zum Ausgangspunkt kommen können. Pilgern ist die einfachste Art zu reisen und unterwegs zu sein, nicht den Anspruch haben, alles durchzuplanen.
Text: Veronika Diebel
