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EU-Justizkommissarin Viviane Reding macht sich für eine 40-Prozent-Quote für Frauen in Vorstandspositionen stark. Foto: Council of the European Union

Mut zu Etappensiegen

Quoten für Frauen in Führungspositionen

Frauen haben in den Kämpfen um Gleichberechtigung und Gleichstellung viele Etappensiege errungen. Nun steht die Quotierung der Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen auf der Agenda – der letzte Schritt vor den Vorständen, der zu schaffen wäre? Nein, nicht der letzte, aber einer der prägnantesten mit großer Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein. Jedoch: weder Frauen, die ihre Kinder allein erziehen, noch Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, haben es deshalb schon leichter. Auch diejenigen, die die berüchtigte Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen überwinden wollen, werden nicht zwangsläufig Mitglied in einem Aufsichtsrat werden. Warum also ein Thema in den Vordergrund schieben, das nur die Leistungsstarken und Bevorzugten betrifft? Eine der möglichen Antworten: Gleichberechtigung, Gleichstellung an hervorgehobener Stelle strahlt aus. Mädchen und junge Frauen, die aus Schule und Studium inzwischen mit zum Teil besseren Ergebnissen als ihre männlichen Alterskollegen hervorgehen, hätten mit solchen Vorbildern eine andere Grundidee von der Gesellschaft, aber auch ein anderes Bild von sich selbst. Je mehr Frauen es "nach oben" schaffen, desto einfacher wird es für den Nachwuchs, gleiche Lebens- und Karrierechancen für sich als selbstverständlich anzusehen. Von der Geschlechtergerechtigkeit gar nicht zu reden, die damit auf zwei wesentlichen Ebenen weitergebracht wird: nicht nur für die ambitionierten Frauen selbst, sondern auch für die Töchter und Enkelinnen.

Norwegen liegt vorn

Seit etwa einem Jahrzehnt geht es politisch voran, was die – immer schon umstrittene – Quote für Frauen im Berufsleben betrifft. Die Norwegerinnen haben es in Europa zuerst in die Hand genommen – ihr Schicksal als qualifizierte Frauen nämlich, für das sie die Quote gut genug fanden. Zwischen 2003 und 2008 erreichten sie, gesetzlich verordnet, tatsächlich die sagenhaften 40 Prozent in Aufsichtsräten, an die der Rest Europas sich in mehr oder weniger geduldigen Schritten annähert – so ist zu hoffen. Verschiedenste Varianten wurden seit Inkraftsetzung der norwegischen Regelung in anderen europäischen Ländern gefunden. Geringfügigere Quotenvorschriften als in Norwegen bilden das Gros. Während in Finnland diese Quotenvorgabe auf staatliche Unternehmen beschränkt ist, hat sich Frankreich die 40-Prozent-Marke seit Anfang 2011 auch für die private Wirtschaft vorgenommen. Sanktionsdrohungen sollen das ihre bewirken: Sitzungsgelder für nicht quotierte Aufsichträte werden ebenso gestrichen wie die Ernennungen von Männern, mit denen die Quote verhindert würde. Italien geht für eine Drittel-Quote noch weiter: Bis zu einer Million Euro Bußgeld können drohen.

Europa zieht nach

Ein europaweites Zeichen setzte die EUJustizkommissarin Viviane Reding mit ihrer Initiative im Herbst 2012, nachdem ihr Aufruf zur Selbstverpflichtung der Wirtschaft nicht den gewünschten Erfolg hatte. Sie lancierte die 40-Prozent-Quote "für das unterrepräsentierte Geschlecht" in Aufsichtsräten und Vorständen der 5000 europäischen börsennotierten Unternehmen. Und hatte gleich Gegenwind. So wurden neben den härteren Strafandrohungen für Nichterfüllung auch die Vorstandsquoten aus ihrem Richtlinienvorschlag genommen. Ebenso setzte sich das bekannte Argument durch, die Wirtschaft wolle das selbst regeln. Für große Schritte braucht es also noch Zeit. In der Europäischen Kommission war durchsetzbar, dass bis 2018 für Unternehmen, die mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, bis 2020 dann auch für die private Wirtschaft die 40-Prozent- Quote gelten soll. Die Wirtschaft muss ihre Bemühungen um eine Annäherung and die Zielvorgabe nachweisen. Genaue Vorschriften werden den Mitgliedstaaten überlassen. Die Entscheidungen des Europäischen Parlaments und des Ministerrates stehen jedoch noch aus. Auf dem Weg zu einer Verabschiedung des Gesetzes liegen neben formalen Verfahrensschritten auch noch einige Parlamentswahlen in Europa. Erst gegen Ende des Jahres 2013 wird damit gerechnet. – Bewerbungen von Frauen für in diesem Jahr anstehende Aufsichtsratswahlen sind aber auch ohne gesetzlichen Rahmen möglich und zu empfehlen.

Auf zu neuen Ufern

Warum besetzen Frauen bisher nicht mehr Terrain im Berufleben? Mut und Möglichkeiten hängen an Fragen wie der Ausschöpfung flexibler Arbeitszeitregelungen und der Arbeitsteilung in der Familie. Auch die Ermöglichung einer frühen Rückkehr ins Berufsleben nach einer Erziehungsphase und kinder- bzw. familienfreundliche Strukturen in Unternehmen spielen eine Rolle. Eine frühzeitige Orientierung über Karrierewege für junge Frauen täte das ihre, Mentoring an Universitäten eingeschlossen. Auch im Kopf und im Herzen ist bei beiden Geschlechtern einiges zu leisten: Der Abbau von Vorurteilen zum Thema "Frauen und Macht" wird Bewusstseinslagen und Vorurteile aus Jahrhunderten bewegen. Wo stehen die Frauen hierzulande? Der durchschnittliche Anteil von Frauen in Führungspositionen in Deutschland liegt bei 13 bis 14 Prozent und trifft damit auch den europäischen Durchschnitt. Zum Thema Bildung ist wenig nachzubessern. Mädchen und junge Frauen haben nicht selten den größeren und sogar besseren Teil der vergleichbaren Bildungsabschlüsse einer Bildungsstufe. Women power in den Grundlagen ist also vorhanden. Der Fachkräftemangel tut das seine, so dass Frauen und ihre immer besseren Qualifikationen ins Spiel gebracht werden. Das über Jahrzehnte gestärkte weibliche Selbstbewusstsein lässt in Zukunft hoffentlich nicht nur einzelne Frauen vorangehen.

Text: Brigitte Gotthold

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