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Aktion: "One Billion Rising" am Ludwigsplatz in Darmstadt.

 

Fotos: Helge Ebbmeyer

 

This is my body, my body’s holy No more excuses, no more abuses. We are mothers, we are teachers, We are beautiful, beautiful creatures aus "Break the Chain" Lyrics by Tena Clark, Music by Tena Clark/Tim Heintz

Proteste gegen sexuelle Gewalt überschreiten Grenzen

Brutale Vergewaltigungen in Indien lösten Kettenreaktionen aus

Im Dezember letzten Jahres wurde eine junge Studentin von sechs Männern in einem privaten Bus in einer indischen Großstadt vergewaltigt. Anschließend gingen Tausende Menschen, Frauen und Männer, nicht nur in Indien auf die Straßen und demonstrierten gegen sexuelle Gewalt, Frauenverachtung und für die Sicherheit von Frauen. Der Vorfall hatte eine Kettenreaktion ausgelöst: Plötzlich standen Frauen aus aller Welt auf und protestierten für ihre Rechte. Während über mehrere Wochen viele Menschen gegen sexuelle Gewalt auf die Straße gingen, wurden laufend weitere Fälle von Vergewaltigungen in Indien in der dortigen Presse veröffentlicht. Ein sechsjähriges Mädchen aus Delhis Vorort Gurgaon wurde mehrfach vergewaltigt und dann halb verblutet wie Müll auf die Straße geworfen. Ein zweijähriges Mädchen wurde missbraucht, ein dreijähriger Junge zum Analverkehr gezwungen, eine Dreizehnjährige im Bundesstaat Tamil Nadu war von ihrem Onkel und dessen Freunden zehn Monate lang festgehalten und systematisch vergewaltigt worden. Die Meldungen wollten kein Ende nehmen. Polizei und Behörden ermittelten nicht korrekt und vertuschten manchen Fall. Das bedeutet, dass sie nicht auf der Seite der Opfer stehen. Solange sowohl die indische Regierung als auch die einheimischen Männer den Frauen keine Rechte und keinen Schutz gewähren, ist ein Ende der Gewalt noch lange nicht in Sicht. Viele Jahre Patriarchat in Indien haben ihre Spuren hinterlassen. Mindestens zehn Millionen Mädchen wurden in Indien in den letzten zehn Jahren nicht geboren, weil ihre Familien lieber einen Jungen wollten. Inzwischen werden auch Fälle bekannt, bei denen Touristinnen aus westlichen Ländern einer Gruppenvergewaltigung zum Opfer fielen. Im März 2013 wurde eine 39 Jahre alte Schweizer Fahrradtouristin in Begleitung ihres Lebensgefährten auf dem Weg zum berühmten Taj Mahal von sechs Männern überfallen, ausgeraubt und vergewaltigt. Die beiden hatten in einem Wald in Madya Pradesh ihr Zelt zum Übernachten aufgeschlagen. Eine britische alleinreisende Touristin sprang aus Angst vor einer möglichen Vergewaltigung vom Balkon des Hotels, in dem sie übernachtete. Schon tagsüber hatte der Hotelbesitzer sie belästigt, in der folgenden Nacht drang er zusammen mit einem weiteren Mann in ihr Zimmer ein, worauf sie aus dem ersten Stock sprang und sich beim Sturz schwer verletzte.

Südafrika und Kongo

Zu den massenhaften Protesten gegen sexuelle Gewalt in Indien meldeten sich auch Frauen aus anderen Ländern zu Wort: In Südafrika fanden im Februar Proteste vor dem Parlamentsgebäude in Kapstadt statt. Ein Mädchen war von zwei Jungen zuerst brutal vergewaltigt und misshandelt und dann sterbend allein gelassen worden. Nach ihrer Beerdigung gab es einen Protestmarsch gegen sexuelle Gewalt, organisiert vom Gewerkschaftsverband Cosatu und von der Frauenliga der Regierungspartei ANC. Südafrika hat eine hohe Gewaltenrate, im Jahr werden etwa 500.000 Frauen vergewaltigt. Häufig sind dort auch die Vergewaltigungen von Lesben, die so genannten "corrective rapes". Den Männern geht es eindeutig um Machtausübung, in ihren Augen sollen Frauen den Männern jederzeit sexuell zur Verfügung stehen. In Indien und Südafrika wird kritisiert, dass die Anwesenheit von Polizei fehlt, um die Frauen zu beschützen. Gerade die "Hüter der Ordnung" (Polizei) oder "Verteidiger des Landes" (Militär) sind oft die sadistischsten Verbrecher, wie zum Beispiel im Kongo. Marodierende Horden von Soldaten fielen nach einer militärischen Niederlage gegen einheimische Rebellen über ein Dorf her und vergewaltigten dort Frauen und Kinder auf brutalste Weise.

Proteste der Femen

Männer wollen gern nackte Busen konsumieren, aber nur, solange sie alles unter ihrer Kontrolle haben. Eine selbst bestimmte nackte Frau dagegen erweckt Angst und Aggression. Das wissen und nutzen die Femen: Feministinnen und Aktivistinnen aus der Ukraine, die ihren Busen entblößen, ihn mit politischen Parolen bemalen und demonstrieren. So hat kürzlich eine junge Tunesierin nach Art der Femenproteste ein Bild von sich ins Netz gestellt, versehen mit dem Slogan auf ihrem nacktem Oberkörper: "Mein Körper gehört mir, er ist niemandes Ehre." Ein Aufschrei ging durch die religiöse salafistische Männerwelt. Mann drohte ihr mit schlimmsten Strafen: Hundert Peitschenhiebe und Steinigung. Eine iranische Bloggerin rief dazu auf, aus Solidarität möglichst viele Busen-Fotos zu veröffentlichen. Die Gewalt in Deutschland sieht anders aus. Die Frauenhäuser können nicht genug Hilfesuchende aufnehmen. "In Deutschland ist häusliche Gewalt die am weitesten verbreitete Form von Gewalt. Jährlich flüchten rund 40.000 Frauen mit ihren Kindern in eines der 360 Frauenhäuser." Doch dieses Hilfsangebot reicht bei Weitem nicht aus, mahnt Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes.

One Billion Rising

Die weltweiten Proteste gegen Gewalt an Frauen fanden einen Höhepunkt am Valentinstag. "One Billion Rising" – eine Milliarde Menschen sollen sich erheben – eine Kampagne initiiert von der amerikanischen Feministin Eve Ensler. In Darmstadt tanzten – vor allem Frauen und einige Männer - gegen die Gewalt an Frauen auf der ganzen Welt. 150 DemonstrantInnen trafen sich zu der Aktion auf dem Ludwigsplatz, schwenkten ihre Arme, tanzten zur Musik von Tena Clark "Break the Chain" und forderten damit ein Ende der Gewalt. Das Neue an diesem Protest ist, dass in fast allen Ländern weltweit Frauen gegen Gewalt und Respektlosigkeit gegen Frauen und Mädchen protestieren. Und dieser Kampf wird weiter gehen.

Text: Gundula Pause

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