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Männlich, weiblich, unbequem?
• "Gewerkschaftssekretär Inge Schmidt besucht die Veranstaltung."
• "Melanie ist noch Schüler."
• "Der nächste Patient bitte!"
Es klingt heute komisch, ist aber immer noch Alltag, diese Art von männlicher Ansprache für uns Frauen. Vieles hat sich getan und geändert. Heutzutage werden auch weibliche Endungen benutzt. Aber nicht nur die Männerwelt tut sich schwer damit. Wir Frauen meinen oft, dass es nicht wichtig sei, explizit genannt zu werden. Text: ihn

Sind Frauen wirklich mitgemeint?

Vom Weglassen als sprachliches Instrument der Unterdrückung

Vor einiger Zeit wollte eine Gesangskollegin meines kleinen vierköpfigen Chores die Europahymne singen. Europa konnte sich noch auf keinen gemeinsamen Text einigen, was ich tatsächlich gut finde, denn in der deutschen Version werden alle Menschen Brüder. Dagegen hatte ich natürlich etwas einzuwenden und änderte den Text: Alle Menschen werden Geschwister. Die Reaktionen der anderen Chormitmenschen ließen nicht lange auf sich warten. Man könne den Text von Schiller nicht einfach ändern, hieß es. Tatsächlich hat Schiller es selbst auch schon getan und außerdem hatte ich gar nicht vor, es vor der Weltöffentlichkeit zu singen, sondern vor ca. 50 bis 80 Menschen. Ich konnte mich nicht durchsetzen; es wurde nicht gesungen. So ist das mit der geschlechtergerechten Sprache. Da spielen für uns oft unsichtbare Dinge eine wichtige Rolle. Leider ist es ein riesiges Thema mit vielen verschiedenen Aspekten, das die Unterdrückung widerspiegelt, die Frauen in unserer Gesellschaft erleben. Eine Strategie ist, Frauen nicht zu benennen, eine andere zum Beispiel, uns Frauen zu übergehen oder Informationen zurückzuhalten. Die Buchautorin Marion Knaths, die das kleine Buch "Spiele mit der Macht" geschrieben hat, zeigt einleuchtend auf, dass die sprachlichen und sozialen Fähigkeiten von Frauen in der männerdominierten Geschäftswelt für den Aufstieg in den Unternehmen nicht taugen. Dort müssen Frauen andere Taktiken erlernen, um ihre Ziele zu erreichen. Jeweils zu Beginn einer Sitzung wird ermittelt, wer das Sitzungsoberhaupt ist. Die unbedarfte Beobachterin bekommt das kaum mit, redet nett zu allen oder zu dem, der zurücklächelt und wird überhört. Eine andere Person nimmt dieselben Vorschläge auf, spricht zum Sitzungsoberhaupt und wird beachtet. Kleines Geheimnis, große Wirkung. So läuft das. Übrigens, wenn sich Personen beiderlei Geschlechts durchsetzen, sind Frauen Zicken und Männer zielorientiert. Auch in Stellenanzeigen wird noch oft das bevorzugte Geschlecht vorangestellt. In der Zeitung fand ich: Ingenieur (m/w) gesucht. So wird Alibi halber in Klammern angedeutet, dass auch eine Frau sich bewerben könnte. Bei einer Mitnennung (Ingenieur/innen) melden sich dreimal so viele Frauen. Stahlberg und Sczesny (in: Psychologische Rundschau, 52(3) 2001) haben empirisch untersucht, ob geschlechtergerechte Sprache auch unser Denken beeinflusst. Und Feministinnen wissen es schon lange. Selbstverständlich ist das so! Ihre Versuchsanordnung lief folgendermaßen: Ein Test wurde in drei Versionen verfasst: Einmal wurden mehrere Personen beispielsweise nach ihrem Romanhelden (männlich), der liebsten Romanfigur (neutral) oder nach ihrer Romanheldin und ihrem Romanhelden (Beidnennung) gefragt. Die befragten Personen nannten mehr weibliche Personen, wenn in neutraler Weise oder in der Beidnennung formuliert wurde. Übrigens sind beides Frauen, nämlich Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny. Haben Sie das gedacht? Da stehen wir nun mit all dem Wissen. In von Männern dominierten Bereichen macht frau sich verdächtig, wenn sie auf geschlechtergerechter Sprache besteht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hilft nur dann, wenn sie bereit ist, wegen dieser Diskriminierung vor Gericht zu ziehen. Und im privaten Bereich? Ich kann mich noch gut an die Diskussionen mit meinem Mann erinnern. Seine Lieblingsfragen waren: Wer sagt das? Wo hast Du das her? Plötzlich musste ich Beweise anbringen, als schriebe ich einen wissenschaftlichen Text. Und wenn gar nichts mehr half, wurden meine Quellen diffamiert. Fragen wir doch auch einmal! Immer wenn Schlagzeilen, wie: Ende einer Ehe, Familie ausgelöscht, Trennungsdrama, häusliche Gewalt in der Zeitung stehen, lohnt es sich: Wer tat was mit wem? Oder anders herum: Sind Frauen wirklich mitgemeint? Papst Johannes XXIII hat gesagt: "Papst kann jeder werden. Der beste Beweis bin ich." Ach so, dann ist ja alles klar.

Text: Christiane Schäfer

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