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Rechtsanwältin Ilona Moog
Foto: privat
Ilona Moog, Jahrgang 1954, ist seit 1981 als Rechtsanwältin in Darmstadt selbstständig tätig, seit 1998 als Fachanwältin für Arbeitsrecht. Die Spezialgebiete der erfahrenen Juristin sind der gesamte Bereich der Human Resources, alle Personalangelegenheiten und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen von Unternehmen, Unternehmern und leitenden Angestellten. Daneben ist sie im privaten Baurecht tätig. Sie war Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Hessen im Deutschen Anwaltverein sowie Richterin und Präsidiumsmitglied des Anwaltsgerichts der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main. Aufgrund ihres vielfältigen sozialen Engagements, beispielsweise im Deutschen Frauenring, verlieh ihr der Bundespräsident im Jahr 2003 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Auch am Arbeitsplatz, der den Alltag vieler Personen prägt, sind sexuelle Beeinträchtigungen als stärkste Form von Sexismus selbstverständlich verboten. Und doch finden sie statt: Charakteristisch für dortige sexuelle Übergriffe ist, dass sie in scheinbar "normale" sachliche Handlungen eingebunden werden. Denn so kann man(n) sich auf vermeintlich Unverfängliches zurückziehen. Umso stärker wirken die Ausübung der Macht und das entsprechende Machtdefizit auf die Betroffenen. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sind 72 Prozent aller berufstätigen Frauen mindestens einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden, jeder fünften Frau wurde bereits an die Brust gefasst 1). Demgegenüber waren der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bis 2011 nur 65 Fälle gemeldet. Bei den meisten ging es um anzügliche Bemerkungen oder körperliche Belästigungen durch Kollegen, Vorgesetzte oder den Arbeitgeber selber (vgl. Online-Ausgabe Die Welt v. 22.05.2011).
Neben dem Grundgesetz (GG), das die Würde der Persönlichkeit und die Berufsfreiheit in Art. 1, 2, 3 12 GG schützt, fordert auch das Bürgerliche Gesetzbuch vom Arbeitgeber – lange vor jedem Spezialgesetz – das Leben und die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu schützen, § 618 BGB. Die EU-Richtlinie 2002/73/EG definierte in 2002 erstmals explizit den Tatbestand der sexuellen Belästigung als Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts, nun im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 für Deutschland geregelt. Das AGG will, neben anderem, vor Benachteiligung aufgrund des Geschlechts schützen. Bedeutsam ist § 22 AGG: Die Betroffenen müssen nicht den üblichen Vollbeweis von Tatsachen erbringen, sondern es genügt der Beweis von Indizien die eine Benachteiligung vermuten lassen. Der Täter muss dann beweisen, keinen Verstoß begangen zu haben. Um sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vorzubeugen, hat der Gesetzgeber Verfahrensweisen festgelegt: So muss der Betriebsrat Beschwerden entgegennehmen und beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinwirken, § 85 Betriebsverfassungsgesetz. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen auch vorbeugend zu treffen (§ 12 AGG) und gegen den Täter im Einzelfall vorzugehen. Das AGG nennt hier insbesondere die Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung des Täters. Dies gilt auch im Hinblick auf Kunden oder sonstige Personen, mit denen die Benachteiligten zu tun hatten. Schwierig für den Arbeitgeber, selbst gegenüber den eigenen Kunden aktiv zu werden!
Folgende Schritte erfordern viel Mut, haben
sich im Alltag aber als sinnvoll erwiesen:
• den Täter sofort zur Rede stellen
• entsprechendes Verhalten offenlegen
• dem Täter deutlich Grenzen zeigen und
sich sein Verhalten verbitten
• eine beweisbare Information über das
Verhalten des Täters zusammenstellen
• sich mit Kollegen/Kolleginnen austauschen
• sich gegen den Täter wenden mit Unterlassungs-
und Schadensersatz- bzw.
Schmerzensgeldansprüchen
• sich einen Rechtsbeistand suchen
• eine Strafanzeige erstatten
• den Betriebsrat informieren
• dem Arbeitgeber eine Frist zur Abhilfe
und zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen
setzen
• die Arbeitskraft bis dahin zurückbehalten
• die Berufsgenossenschaft, Gewerbeaufsicht
oder die Berufskammern informieren
oder hiermit drohen
• Unterlassungsansprüche und Schadensersatzansprüche
unter Umständen auch
an den Arbeitgeber stellen
• bei öffentlichen Arbeitgebern ein Disziplinarverfahren
gegen den Täter beantragen.
Fazit: Die Ausübung von Macht in sexueller
Form ist zu unterlassen. Verbale und nonverbale
Grenzverletzungen sind sofort offen
zu legen, um sie ins rechte Licht zu rücken.
Frauen müssen aus der Opferrolle heraustreten
– das fürchten die Täter am meisten!
Sexismus ist nirgendwo zu dulden.
1) vgl. Barbara Degen: Sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz – der Einfluss der Frauen, die Macht der Männer, im Streit: Feministische Rechtszeitschrift, Frankfurt/M. 4/2001, Seite 149 – 158).