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Irith Gabriely

Die Klarinettistin mit ihrem
Klezmer–Ensemble "Colalaila".

Fotos: Hannelore Anthes

Von Haifa nach Darmstadt

Die Klarinettistin Irith Gabriely machte von hier aus Karriere

Sie serviert mir einen kräftigen schwarzen Tee mit Rosenblättern in ihrer Küche – wie manchmal vor ihrem Klarinettenunterricht, den ich eine Zeit lang genießen durfte. Es war mir eine Ehre, mit ihrer Hilfe meine Klarinette zum Klingen zu bringen, gilt Irith Gabriely doch als Meisterin in ihrem Fach. Mit ihrer Klezmer–Musik, mit der sie in vielen Ländern Europas Konzerte gibt, hat sie einige Preise gewonnen. 1991 wurde sie beim größten Klezmerfestival in Zefat (Israel) mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Als "Queen of Klezmer" bekam sie mit ihrem Quartett "Colalaila" auf dem Edinburgh Festival 1998 eine weitere besondere Auszeichnung.

Irith Gabriely (62) stammt aus Haifa, Israel. Sie hat an der Universität Tel Aviv Klarinette, Klavier, Dirigieren und Philosophie studiert. Warum sie nach dem Studium 1974 nach Deutschland gekommen ist? "Ich wollte Musikerin werden. Und dafür ist Israel zu klein. In Tel Aviv und Jerusalem waren damals alle Stellen besetzt. So manche Musiker/innen mit Begabung und Ehrgeiz haben das Land verlassen." Sie verließ Israel mit einem befreundeten Geiger und landete in Deutschland. Ohne deutsch zu sprechen. "Alle Jeckes (deutsche Juden) in Israel haben Deutsch gesprochen, aber meine Mutter, die 1939 aus Wien geflohen war, wollte das nicht", erzählt Irith. So musste sie es hier lernen. Nach verschiedenen Bewerbungen kamen die ersten Engagements. Zunächst spielte sie in kleineren Orchestern – in Bad Salzuflen und in Passau. Dann bot ihr das Staatstheater Darmstadt 1978 die Stelle der ersten Klarinettistin an. Viele Jahre hat sie das Darmstädter Orchester bereichert.

Eigenes Ensemble "Colalaila"

"Es war klug, nach Deutschland zu kommen. Ich fand hier viel Hilfsbereitschaft", sagt die Musikerin. 1986 hat sie ihr eigenes Klezmer–Ensemble "Colalaila" gegründet. "Colalaila" bedeutet "die ganze Nacht". "Wir spielen aber nur die halbe Nacht", sagt Gabriely schmunzelnd, "in der Besetzung Klarinette, Violine, Akkordeon, EBass". Wenn sie im Duo auftritt, dann vor allem zusammen mit dem Pianisten Peter Przystaniak, der auch eigene Kompositionen einbringt. Irgendwann konnte sie diese Auftritte nicht mehr mit den Einsätzen im Theater vereinbaren und hat die feste Stelle aufgegeben. "Ich habe dadurch die Sicherheit verloren, aber die Freiheit gewonnen. Das habe ich selbst in schwersten Zeiten nicht bereut", betont sie.

Was ist Klezmer für sie? "Traditionelle Klezmer–Musik ist die typische Musik, wie sie in den Schtetln des Ostjudentums über Jahrhunderte gepflegt wurde. Sie ist Stimmungsmusik im wahrsten Sinne des Wortes und drückt aus, was das Leben gefühlsmäßig zu bieten hat. Sie bewegt die Herzen der Zuhörer, bringt sie zum Weinen und zum Lachen, und ist somit ein authentischer Ausdruck des Lebens mit allen Sonnen– und Schattenseiten", erklärt Irith auf ihrer Website.

Mit ihrer Musik möchte sie "alle Menschen verbinden". Deshalb bleibt sie bei ihren Auftritten nicht auf der Bühne stehen, sondern läuft, hüpft und tanzt mit ihrer Klarinette durch die Stuhlreihen und erzählt auch mal einen jüdischen Witz. Der Kontakt zum Publikum ist ihr wichtig, und gerne singen die Zuhörer/innen mit bei bekannten hebräischen Liedern wie "Hava nagila..." – "Lasst uns glücklich sein!" Irith lehrt sie auch schunkeln "auf jüdische Art". Nicht von rechts nach links, sondern von hinten nach vorne und zurück. In einem weiteren, Menschen und Religionen verbindenden Projekt, das sich "Church, Synagoge und Moschee" nennt, spielt sie zusammen mit dem Organisten Hans–Joachim Dumeier und dem aus Bagdad stammenden Percussionisten Riad Kheder. Es entsteht ein "musikalischer Trialog der drei Weltreligionen".

Viele Goyim als Freunde

Lebt sie selbst religiös? "Religion ist nichts für mich" bekennt Irith. Gott ist für sie weder christlich noch jüdisch und auch nicht muslimisch. Verbinden möchte sie, nicht trennen. Sie pflegt einen lockeren Kontakt zur Darmstädter jüdischen Gemeinde und gibt dort ab und zu Konzerte. Zum letzten Basar, den die Women International Zionist Organization (WIZO) dort alljährlich für einen wohltätigen Zweck veranstaltet, kam sie mit ihren Schüler/innen aus der Musikschule Bad–Nauheim.

Ob sie als Jüdin in Deutschland Antisemitismus erlebt? "Im Kleinen erlebt man ihn immer. Mancher Medienbericht über Israel ist für mich grenzwertig. Und jedes Mal, wenn mich die Leute mit der Politik Israels persönlich in Verbindung bringen, fühle ich mich angegriffen. Ich bin nicht verantwortlich für nichts." Trotzdem fühlt sie sich wohl in Deutschland, verbringt ihre Freizeit mit guten Freundinnen und Freunden, darunter viele Goyim, Nichtjuden. Sie hält aber auch den Kontakt zu ihrer Familie: "Viermal im Jahr reise ich nach Israel." Wir wünschen ihr Masel tov, viel Glück, bei dieser Wanderung zwischen den Welten.

Text: Jutta Schütz

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