Werden Sie auch eine

MATHILDE

Einmal in der Woche ist ein Besuch auf dem Markt angesagt, um die notwendigen Zutaten für die Küche zu erwerben.

Mit einer solchen Schneiderin hat sich Angelika über Männer, Frauen, Familienplanung und -verhütung unterhalten und interessante Einblicke erhalten.

Angelika Ullrich

 

"Leben in einer anderen Welt"

In der letzten Mathilde hat Angelika Ullrich über ihr Leben in Deutschland und ihre Motivation, in das afrikanische Land Uganda zu gehen, erzählt. Im zweiten Teil berichtet im Interview über die Arbeit und das Leben dort.

Wie gefallen Ihnen das Leben und die Arbeit hier sowie der Umgang mit Menschen einer anderen Mentalität, Kultur und Arbeitsweise?

Die Arbeit an sich gefällt mir sehr gut. Ich kann meine Flexibilität und Vielseitigkeit einbringen, bemerke jedoch, dass meine Geduld öfters auf die Probe gestellt wird, wenn es um die Arbeitsmentalität der Ugander geht. Ich bin hier manchmal deutscher als in Deutschland und möchte die Dinge "perfekt" erledigt haben. Interessant ist die Wahrnehmung, dass ich für mich selbst viel großzügiger in allem sein kann. Die Belegschaft ist freundlich, hört zu, bejaht die Aufgabenstellung…. und ignoriert sie vielfach. Dann wieder gibt es Tage, da läuft alles wie am Schnürchen und ich bin erstaunt und froh darüber.

Werden Sie von ugandischen Männern als "Chefin" akzeptiert?

Ich wurde zunächst von den Angestellten geprüft. Es wurde ausprobiert, wo die Grenzen sind. Das war nicht einfach für mich, aber mit der Zeit, durch Freundlichkeit und Konsequenz, hat sich zu der/m einen oder anderen Angestellten eine Vertrauensebene gebildet. Das heißt, ich kann mich recht gut darauf verlassen, dass die Arbeiten gut und zufriedenstellend erledigt werden, egal ob es männliche oder weibliche Angestellte sind.

Wie ist es überhaupt, eine Mzungu (Weiße) in Uganda zu sein?

Dazu fällt mir eine Situation auf dem Mugusu-Markt bei Fort Portal ein. Mittwochmorgens um 7 Uhr ist das einzige weiße Gesicht am Markt das meinige. Nichts fühlt sich fremd an, ich bin ein Mensch unter vielen Menschen. An einem Markttag beobachtete ich mit Freude das rege und wuselige Treiben, darunter eine Großmutter mit Enkelkind an der Hand, dem sie etwas erklärte. Ich verstand kein Wort der lokalen Sprache Rutooro, da wurde mir bewusst, dass ich mich zwar nicht fremd fühlte, dass es aber dringend notwendig ist, die Sprache als Mittel zu haben, um in einen wirklichen Kontakt zu kommen. Ohne intensive Kommunikation bleibt vieles fremd. Für einen Moment war ich traurig und dachte an meine Freundinnen zuhause, mit denen ich gute und tiefe Gespräche führen kann.

Manchmal wird Mzungu gleichgesetzt mit "Mzungu hat Geld, kann mich unterstützen, ohne dass ich etwas dafür leisten muss". Das mache ich aber nicht mit, weil so die Bettelei Einzug hält und die Eigenmotivation auf der Strecke bleibt. Von der Regierungsseite her sind die Mzungus willkommen, bringen sie doch Geld und das Know-how, um den Tourismus und somit die Nationalparks zu erhalten, Hilfsprojekte zur Selbsthilfe zu unterstützen oder generell um Arbeitsplätze zu schaffen.

Was fällt Ihnen besonders ins Auge in Uganda? Was lieben Sie besonders an dem Land?

Die unterschiedlichen und abwechslungsreichen Landschaften. Die Freundlichkeit der Menschen. Die Nationalparks mit den vielen Tieren. Die Ugander sind hilfsbereit, nicht aufdringlich, haben Würde und Stolz. Daneben weiß ich natürlich, dass Uganda das Land mit der zweithöchsten Geburtenrate ist, was mir Sorge macht. Denn wohin soll sich dieses Land entwickeln, wenn die Bevölkerung überproportional wächst? Da ist mehr Aufklärung notwendig, was aber das Zusammenleben von Mann und Frau mitunter belastet. Die Frauen werden leicht gewechselt wenn sie den Wünschen der Männer nicht entsprechen, und Status ist noch immer, viele Kinder zu haben, auch als Altersversorgung. Ich konnte mal ein Gespräch über Männer, Frauen, Familien-Planung und Verhütung mit drei Schneiderinnen führen. Da wurde die Problematik sehr klar. Verhütung mit Pille oder Stäbchen im Arm lösen häufig hormonelle Probleme, Unverträglichkeiten und Gewichtszunahme aus. Wenn sich Frauen weigern, ein weiteres Kind zu bekommen, laufen sie Gefahr verlassen zu werden.

Sie sagten mir: "Ich habe hier schon alle Gefühle erlebt." Erzählen Sie mehr?

Anfangs war ich euphorisch und voller Tatendrang. Ich wollte alles systematisieren und Arbeitsabläufe erleichtern. Schnell habe ich gemerkt, dass ich die Leistungsfähigkeit der Angestellten falsch eingeschätzt hatte und mit meiner eigenen "Power" gleichsetzen wollte. Ich musste mich jedoch den Möglichkeiten anpassen, was nicht leicht war. Ich habe mir gewünscht, dass wir ein Team bilden mit Freude an der Arbeit. Doch dann: "no madam, this is not my job, no madam, we are so tired, we are so busy..." Ich hätte die Wand hochgehen können. Ich fühlte Wut und Hilflosigkeit, fühlte mich wie eine Versagerin, da es mir nicht gelang meine Vorstellungen und Wünsche umzusetzen.

Zum Beispiel: Ich erntete vormittags die vielen Bohnen im Garten und brachte diese zur Verarbeitung in die Küche. Der größte Teil sollte gewaschen, geputzt, blanchiert und tiefgefroren werden, der andere Teil für ein 15-Personen-Dinner für den Abend verwendet werden. Als ich am Spätnachmittag in die Küche kam, standen sämtliche Bohnen vom Morgen noch unverarbeitet in der Küche, und der Koch hatte für das Abendessen welche aus der Kühltruhe geholt. Da bin ich aus der Haut gefahren, wir sprachen zwei Tage kein Wort miteinander. Manchmal kam ein Gefühl von "nicht dazugehören" auf, da ständig nur in Rutooro oder Luganda gesprochen wurde und ich nichts verstand. Aber es gab auch Fröhlichkeit und Freude: Eines der Mädchen hatte bemerkt, dass ich gerne einheimische Küche mag und pflückte mir Dodo, ein Spinat-ähnliches Wildgemüse. Ihre Freude zu sehen, als sie mir eine Freude machte, war ein Geschenk. Ich bin stolz, wenn mittlerweile die Blumen für die Tische eigenständig und kreativ neu dekoriert werden.

Können Sie sich vorstellen, immer in Afrika zu leben?

Das kann ich noch nicht sagen, dafür bin ich zu kurz hier. Aber ich denke, meine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bieten eine gute Voraussetzung dafür. Ich fühle mich heimisch und wohl, und es zieht mich momentan nichts nach Deutschland zurück, obwohl ich immer behaupte kein "Deutschlandflüchtling" zu sein, mein Leben dort war durchaus angenehm. Aber jetzt lebe ich gerade hier.

Interview und Fotos: Helge Ebbmeyer

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