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Straßenstrich in Darmstadt

Der Verein Horizont engagiert sich für die Prostituierten

Freier, die sich Sexualität kaufen und Frauen, die ihren Körper anbieten, gibt es auch in Darmstadt. Jeden Abend warten etwa 15 bis 20 Prostituierte innerhalb der Toleranzzone im Bereich Bismarckstraße, Kirschenallee und Mainzer Straße auf Kunden.
Im Frühjahr 1999 hatte die Verlegung des Straßenstrichs aus der Morneweg- und Feldbergstraße zu heftigen Beschwerden der AnwohnerInnen geführt, was heute nur noch in Einzelfällen vorkommt. Schon damals forderte die Frauenbeauftragte Edeltraud Baur Maßnahmen, die den Frauen mehr Sicherheit und auch die Möglichkeit bieten würden, sich kurz auszuruhen und zu waschen. Sie sprach damals von einem Bus mit Sozialarbeiterinnen, der in einem bestimmten Zeittakt durch die betreffenden Straßen fahren könnte. Ein Container mit Sanitäreinrichtungen war im Gespräch, aber noch immer warten die Frauen darauf.
Seit fast zwei Jahren nehmen sich Sozial-arbeiterinnen des Vereins Horizont e.V: der vielfachen Probleme der Prostituierten an. Sie sind einmal in der Woche abends unterwegs. Ansonsten sind sie auch täglich in der Bismarckstraße für die Frauen zu erreichen. Dieses Angebot wird rege angenommen. Auch die StreetworkerInnen des Scentral (Drogenhilfe der Diakonie) unterstützen die Frauen auf der Straße, ihr Fokus sind Frauen mit Drogenhintergrund. Die StreetworkerInnen verteilen auch saubere Spritzen. Im Gegensatz zu Frankfurt ist die Szene in Darmstadt aber nicht so verelendet.

Mathilde sprach mit Brigitte Kröpelin, Einrichtungsleiterin des Vereins Horizont e.V. Das Interview führte Barbara Obermüller.

Sie nennen ihr Hilfsprojekt für Prostituierte „Oyá“. Im Lexikon steht dieser Name für eine kämpferische Göttin. Wie kam es zu dieser Bezeichnung?

Wir suchten nach einem Namen, der für Frauen in schwieriger Lebenssituation stehen kann, der aber auch zeigt, dass Frauen sich behaupten können. In der Mythologie steht Oya für Stärke und Kraft. Im nigerianischen Glauben kämpft die Göttin gegen Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen.

Der Name OYA ist in vielen Ländern positiv besetzt und transportiert immer etwas „Lebensbejahendes“. In verschiedenen Kulturen wird die Göttin Oya als Beschützerin der Frauen angesehen mit bezwingendem Charme und Schönheit, taktisch klug und fähig, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, mit der Gabe zu überzeugen und geschickt zu verhandeln. In Brasilien ist sie die mächtigste Macumba-Göttin. Sie wird zu Hilfe gerufen, wenn sich Frauen in schwer lösbaren Konflikten befinden und die richtigen Worte brauchen, um Kraft zu gewinnen.

Der Name OYA erschien uns daher am geeignetsten für ein Projekt, das im Sinne der Frauen agiert und sich für ihre Rechte einsetzt.

Woher kommen die Frauen, die in Darmstadt als Prostituierte arbeiten und welche Motivation steht hinter ihrer Tätigkeit als Sexarbeiterinnen?

Die Frauen kommen in den meisten Fällen aus Deutschland und Osteuropa, seltener aus Lateinamerika. Eine wechselnde Gruppe von Frauen kommt aus Bulgarien. Aber auch andere EU Länder sind hier vertreten. Die Motivation von Frauen, die der Prostitution auf dem Straßenstrich nachgehen, ist ganz unterschiedlich. Ein Anreiz ist das vermeintlich schnell verdiente Geld. Die Freier werden unkompliziert erreicht und die Geschäfte lassen sich schnell abwickeln. Sofern kein Zuhälter hinter den Frauen steht, können sie das verdiente Geld behalten. Wie hoch der Anteil an Frauen ist, die ihr Geld abgeben müssen, ist nicht genau beziffert, da die Frauen aus Angst dazu nur ungern Angaben machen.

Auch ökonomische Aspekte werden dabei nicht außer Acht gelassen. So fallen auf der Straße zum Beispiel Nebenkosten für ein Zimmer oder Zusatzkosten für den Bordellbetreiber weg. Einige ergänzen mit ihren Einnahmen den Lebensunterhalt für ihre Familien zu Hause und sind somit auf jeden Cent angewiesen. Anders sieht es im Bereich der Beschaffungsprostitution aus. Hier arbeiten die Frauen, um ihre Sucht zu finanzieren. Der Kreislauf zwischen schnell verdientem Geld, das für den Einsatz des Konsums zwingend notwendig wird, und der eigenen Sucht ist der Hintergrund für viele Frauen diesen Weg zu wählen.

Gibt es in Darmstadt Zwangsprostitution?

Von Zwangsprostitution kann sich keine Stadt, in der Prostitu-tion vorkommt freisprechen. Leider findet sie nur verdeckt statt und ein Herankommen an die Frauen, welche der Gewalt und dem Zwang von Zuhältern unterliegen, ist nur schwer möglich. Hier ist auch Vorsicht geboten, da die „Beschützer“ der Frauen durchaus auch gewaltbereit sind, wenn sie befürchten müssen, die Kontrolle über die Frauen zu verlieren. Wir sind hier in engem Kontakt mit der Polizei und der Organisation FIM - Frauenrecht ist Menschenrecht in Frankfurt, die viel Erfahrung in diesem Bereich hat und darüber hinaus die Organisationswege zum Ausstieg für diese Frauen begleitet.

Begegnen Ihnen auch selbstbewusste Huren, die ihre Rechte kennen und sich in der Hurenbewegung engagieren?

Ein geringer Prozentsatz der Frauen ist gut informiert und kennt Rechte und Pflichten, die dieser Beruf mit sich bringt. In der Hurenbewegung engagieren sich eher Frauen, die mehr Abstand zum Arbeitsalltag auf der Straße haben. Für Darmstadt sind uns Frauen, die dies tun, nicht bekannt.

Welche Probleme haben die Prostituierten und wie unterstützen Sie sie?

Viele Frauen kommen mit Problemen, die im administrativen Bereich angesiedelt sind, also Schwierigkeiten mit Ämtern und Behörden. Auch wenn es um Angelegenheiten mit Kindern geht. Sie nehmen Kontakt auf bei gesundheitlichen Problemen, und wir vermitteln oder begleiten zu Ärzten und Kliniken. Sie wenden sich an uns, wenn es darum geht sie zur Polizei zu begleiten. Ausstiegsunterstützung nimmt immer mehr Raum ein. Wir konnten Frauen auf dem Weg in eigenen Wohnraum unterstützen. Prostitution ist nämlich immer auch ein Feld verdeckter Wohnungslosigkeit.

Durch die kontinuierliche Präsenz in der Toleranzzone und darüber hinaus hat sich zwischen den Frauen und den Mitarbeiterinnen des Projektes ein Vertrauensverhältnis aufbauen können, das dazu führt, dass immer mehr Frauen sich die Unterstützung, die sie brauchen auch in Beratungsgesprächen in den Räumen der Bismarckstraße holen.

Was sollte Ihrer Meinung nach von Seiten der Politik oder der Stadtverwaltung in diesem Kontext noch getan werden?

Wir werden seitens der Stadt gut unterstützt und würden uns freuen, wenn diese gute Kooperation so weitergeführt werden könnte. Barbara Akdeniz, die Sozialdezernentin (Bündnis 90/Die Grünen), unterstützt das Projekt von Anfang an. Ein runder Tisch wurde ins Leben gerufen und es war letztendlich ihrer Initiative zu verdanken, dass das Projekt in dieser Form ins Leben gerufen und auf stabile Beine gestellt werden konnte. Bei den zuständigen Ämtern wird weiterhin nach einer Möglichkeit gesucht, um im Bereich Hygiene Entlastung schaffen zu können. Bis dahin versorgen wir die Frauen mit Hygieneartikeln wie zum Beispiel Feuchttüchern und anderen Präventionsmitteln.

Kontakt:
Horizont e.V., Bismarckstr. 100,
64293 Darmstadt, Tel. 06151-87 29-0
Spenden für Präventionsmittel sind willkommen:
Konto-Nr. 33031550, BLZ 50852651, Sparkasse Dieburg
Scentral Drogenhilfe Diakonisches Werk,
Bismarckstr. 3, 64293 Darmstadt,
Tel. 06151-294434

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