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MATHILDE

Manie – die Schwester der Depression

Hektisch, schlaflos, rastlos, haltlos, hyperaktiv

2.03 Uhr. Stockfinster. Hellwach nach nur knapp drei Stunden Schlaf. Gedankenfetzen rasen wild durcheinander. Kinder: Schule und Fußball. Büro: Kollegin und Chef, Vorbereitungen fürs Meeting heute Mittag. Dazwischen: Einkaufen, Reinigung, auf die Post für Tante Grete und...Herrje, den Werkstatttermin fürs Auto und der TÜV .... STOPP! Den kannst du jetzt sowieso nicht machen, also schlaf weiter .....

2.28 Uhr. Fußball und Schule. Heute Mittag Meeting. Der Werkstattermin ...... STOPP! Weiterschlafen!

2.53 Uhr: Werkstatt, Meeting, TÜV, Chef .... STOPP! Weiterschlafen! Jetzt kannst du nichts machen .... Meeting, Schule ......

3.28 Uhr: Aufstehen, schlafen geht nicht mehr. Aber was tun? Kaffee und ein Buch. Aber dem Inhalt folgen geht nicht, immer wieder drängen sich die aktuellen Gedankenfetzen in den Vordergrund, vermischen sich mit den Buchstaben im Buch, das Gelesene zieht vorbei ..... halt, wie war das? Also im Buch nochmal von vorn ....

4.20 Uhr: Lesen geht auch nicht, also Fernseher an, irgendwo muss noch ein Tatort sein, der ist wenigstens spannend. Noch einen Kaffee. Auf den Tatort konzentrieren geht auch nicht.

5.02 Uhr: Doch. Vielleicht jetzt. Ein bisschen. Mit Ablenkung, mit Bewegung, mit Trimmrad. Also mit Tatort rauf aufs Trimmrad und fahren, fahren, fahren, fahren, damit die überschüssige Energie verarbeitet wird ....... und dann:

6.40 Uhr: „Guten Morgen ihr Lieben, aufstehen, die Schule wartet, ich hab schon Brötchen geholt....Was soll aufs Schulbrot? Die Lieblingswurst? ..... Turnschuhe nicht vergessen .... Ich komme heute später, das Meeting dauert länger, Mittagessen ist aber schon fertig, müsst ihr nur warmmachen ..... Ach ja, bis zum Termin beim Kieferorthopäden bin ich wieder zurück ..... -----

Von euphorisch bis lethargisch

Ein solcher Tagesbeginn ist keine Ausnahme, sondern eher die Regel bei manischen Episoden depressiver Menschen. Während in depressiven Phasen die allgemeine Stimmung gedrückt ist und ein Gefühl der Wertlosigkeit vorherrscht, sind manische Phasen durch ein stark vermindertes Schlafbedürfnis und eine euphorische Stimmung gekennzeichnet. Ständige Rastlosigkeit und Bewegungsdrang gehören ebenso dazu wie ein gesteigertes Selbstwertgefühl bis hin zur Selbstüberschätzung. In der hypomanen Phase, die der Manie meist vorausgeht, sind die Kennzeichen der Manie in abgeschwächter Form vorhanden, in der Manie hingegen voll ausgeprägt. Während manische Menschen in diesem frühen Stadium ungeheuer kreativ sind, das Gefühl haben, schneller und besser denken zu können und hochgesteckte Ziele planen, setzten sie dies alles in der konkret manischen Phase auch um: Sie reden sehr schnell und laut, oft ohne Punkt und Komma, beenden ihre Sätze nicht und folgen den nächsten Gedanken. Sie fangen neue Hobbys an und widmen diesen ihre ganze Energie. Sie kaufen ungeheuer viel, sehr oft Unnützes und Überflüssiges, im Extremfall nicht nur Kleidung oder Schmuck, sondern auch Autos, Häuser und vieles mehr, was sie im Nachhinein oft gar nicht mehr finanzieren können. Viele entwickeln in einer Manie ein gesteigertes sexuelles Interesse an unterschiedlichen Partnern und Partnerinnen, auch dies im Nachhinein nicht immer zum Vorteil.

Nach außen hin, für die Familie, Freunde, Kollegen, entsprechen manische Menschen zunächst dem gängigen Karriererollenmuster, sind „super drauf“, haben „alles im Griff“ und sind „immer einsatzbereit“. Meist nach einigen Wochen aber folgt der Absturz:

2.03 Uhr: Das Gedankenkarussell dreht sich wieder, aber ich kann nicht aufstehen. Auch nicht nach einer Stunde, nicht nach zwei Stunden....Mühselig stehe ich um 6.30 Uhr auf. Ich kann mich nicht waschen, nicht anziehen, ich mache mechanisch ein paar Brote für die Kinder und gehe, sobald sie aus dem Haus sind, wieder zurück ins Bett, die Decke über den Kopf....

Michaela Kirsch

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