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Wenn der Körper verrückt spielt

Was dahinter steckt untersucht und behandelt Dr. Alexandra Mihm mit ihrem Team in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Darmstadt

Wenn es im Bauch drückt, das Gleichgewicht durch Schwindelattacken gestört ist oder anhaltende Kopfschmerzen plagen, dann könnte es sich dabei um körperliche Probleme mit psychischen Ursachen handeln. „Depression tritt häufig auf in Kombination mit psychosomatischen Beschwerden“, so die Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Darmstadt, Dr. Alexandra Mihm. Deshalb ist Depression eines der Krankheitsbilder, die in dieser Klinik behandelt werden. „Wir müssen Patienten und Patientinnen ganzheitlich betrachten. Körper und Psyche gehören zusammen und wirken aufeinander ein. Eine rein organische Betrachtung greift da zu kurz“, lautet ihr Credo.

Ziel der Behandlung in der 2006 gegründeten Klinik ist es, Patienten und Patientinnen dabei zu helfen, wieder ein Selbstwertgefühl aufzubauen und an Selbstbewusstsein zu gewinnen. Sie sollen lernen Grenzen zu setzen und zu wahren und Signale des Körpers als Reaktionen auf ihr psychisches Empfinden zu erkennen und zu deuten. Dazu kommen unterschiedliche Therapieverfahren zum Einsatz: neben Einzel- und Gruppengesprächstherapie auch konzentrative Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, Kunst- und „rezeptive Musiktherapie“, bei der es ums Zuhören geht. „Patient/innen können auch ihre Lieblingsmusik dazu mitbringen“, erzählt Dr. Mihm.

Dr. Alexandra Mihm (48) stammt aus Fulda und hat in Marburg und Frankfurt Medizin studiert. Sie arbeitete zunächst als Internistin am Frankfurter Bürgerhospital. Am Stadtkrankenhaus Offenbach hat sie dann begonnen mit der Psychotherapie-Ausbildung und absolvierte schließlich ihre Weiterbildung zum Facharzt für Psychotherapeutische Medizin in Frankfurt. Es folgte der Wechsel ans Klinikum Darmstadt, wo sie zunächst in der Psychoonkologie (psychologische Betreuung Krebskranker) tätig war. Hier hat sie die Psychosomatik aufgebaut, die 2006 ihre eigene Klinik in Eberstadt erhielt.

Freundlich-helle Pavillons

Die Klinik in der Klinik wurde eingerichtet auf dem Gelände des Klinikums Darmstadt in Eberstadt, damals als Tagesklinik mit 10 Behandlungsplätzen. Inzwischen gibt es 40 Therapieplätze, die je nach Situation der Patientin/des Patienten vollstationär oder tagesklinisch angeboten werden. Die Wartezeit auf einen Platz beträgt derzeit sechs bis acht Wochen. Die Behandlung erstreckt sich ebenfalls meist über sechs bis acht Wochen, manchmal werden es aber auch 10 bis 12 Wochen. Rund 200 Patient/innen werden jährlich von Dr. Mihm und ihrem Team in der Klinik betreut, nur 15 bis 20 Prozent davon sind Männer. „Männer entwickeln eher andere Krankheiten, zum Beispiel Suchtkrankheiten“, so Dr. Mihm.

Für die Einrichtung der Spezialklinik in Eberstadt wurden die dortigen Pavillons komplett umgebaut. Alexandra Mihm führt mich herum. In heller, freundlicher Atmosphäre sind die Patient/innenzimmer gestaltet. In einem großzügigen Tagesraum werden die gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen. Der Kunsttherapieraum ist zur freien Gestaltung verfügbar. Auch ein großer Bewegungsraum ist vorhanden, in dem der Klinikalltag mit der „morgendlichen Lockerung“ beginnt. Die Räume wurden in warmen, erdigen Farbtönen gestaltet. Das Ambiente soll Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen und Patientinnen und Patienten die Möglichkeit geben, sich zu entspannen und zu sich selbst zu finden. Die tagesklinischen Patient/innen können sich in bequemen Liegesesseln zurückziehen. Die stationären Patient/innen sind in Zwei-Bettzimmern mit Nasszelle untergebracht.

Ob nun tagesklinisch oder stationär: Die Patient/innen werden in vier Therapiegruppen mit rund zehn Leuten aufgeteilt. „Wir arbeiten aufdeckend, eher tiefenpsychologisch“, so Dr. Mihm. Das Arbeiten in der Gruppe sei ihr wichtig. „Die Klinik ist wie ein Mikrokosmos. Probleme draußen spiegeln sich auch im Klinik-Setting wieder. Wir wollen die Patient/innen ins Nachdenken bringen“, erläutert sie.

Dabei kommen Traumata aus der Kindheit wieder hoch, die nicht richtig bewältigt wurden. Verlusterlebnisse, massive Selbstwertprobleme, psychosoziale Faktoren, eine bedrückende Arbeitsplatzsituation oder private Probleme – alles kommt in den Gruppen oder in Einzelgesprächen mit Therapeut/innen zur Sprache.

Wendepunkte sind krisenanfällig

„Psychische Krankheiten treten immer an Wendepunkten auf“, erklärt Dr. Mihm. „Etwa wenn die Kinder das Haus verlassen und eine Neuorientierung ansteht. Wenn das Berufsleben endet und plötzlich eine Krise da ist. Wenn Verlust durch eine Trennung erlebt wird...“ Es gehe darum, wie man diese Krisen bewältigen kann.

Die Angehörigen der Kranken werden so weit es geht in die Behandlung miteinbezogen. „Wir versuchen immer, Paargespräche oder Familiengespräche zu führen. Denn das Gleichgewicht in einer Familie wird gestört bei einem solchen Krankheitsfall“, so die Klinikchefin.

Wann schickt Dr. Mihm einen Patienten/eine Patientin woanders hin, zum Beispiel in die Psychiatrie am Darmstädter Elisabethenstift? „Wenn jemand psychotherapeutisch nicht zugänglich, zum Beispiel schwerst depressiv oder psychotisch ist.“ Dann müsse eher mit Medikamenten behandelt werden. „Für uns spielen Psychopharmaka nicht die Hauptrolle“, so die Ärztin über das Behandlungskonzept in Eberstadt.

Oft beginnt eine Behandlung in der Klinik in Eberstadt im stationären Bereich, und der Patient/die Patientin wechselt nach einigen Wochen in die Tagesklinik: „Mit dieser schrittweisen Überleitung der Patient/innen vom stationären über den tagesklinischen bis in den ambulanten Bereich machen wir sehr gute Erfahrungen“, so Dr. Mihm. Auch bei der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz unterstützt das Team der Psychosomatischen Klinik, das zum Beispiel in Kontakt steht mit den Sozialberatungen großer Unternehmen, um die Rückkehr der Patient/innen ins Berufsleben mit den Betroffenen gemeinsam zu gestalten.

Jutta Schütz

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