Werden Sie auch eine

MATHILDE

Krankheit Depression: Professionelle Hilfe tut not

Interview mit Dr. Sabine Möhle, Psychiaterin an der Vitos Klinik in Riedstadt-Goddelau

Was ist eigentlich eine Depression?

Depression ist eine Erkrankung der Seele, die den ganzen Menschen betrifft und häufig auftritt, etwa jeder fünfte Mensch erkrankt einmal im Leben daran. Sie äußert sich in psychischen Symptomen, dazu gehören Niedergeschlagenheit, das Gefühl der Sinnlosigkeit, vermindertes Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit. Auch Angst und Suizidgedanken gehören zu den Symptomen.

Eine Depression kann sich vordergründig mit körperlichen Symptomen äußern wie durch Gewichtsabnahme, verminderten Appetit, Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Herzklopfen, Schmerzen (am Rücken oder am ganzen Körper), sexuelle Lustlosigkeit. Auf Außenstehende können depressiv erkrankte Menschen niedergeschlagen wirken, oft entsteht aber der Eindruck, dass sie ruhiger, „nur“ erschöpfter oder überarbeitet und gereizt sind. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen mit einer solchen Symptomatik sich zurückziehen, keine Kontakte mehr aushalten können oder auch den Eindruck haben, sowieso allen zur Last zu fallen. Oft wissen Betroffene/Angehörige beim erstmaligen Auftreten der Erkrankung gar nicht was los ist.

Wie wird eine Depression diagnostiziert? Wie kann ich denn selber erkennen, ob ich an einer Depression leide?

Hier sind zwei Fragen ganz wichtig:
1. Fühlten Sie sich im letzten Monat häufiger niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
2. Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

Wenn diese beiden Fragen mit „ja“ beantwortet werden, besteht der Verdacht auf eine Depression. Dann sollte eine weitere Diagnostik in der hausärztlichen oder einer psychiatrischen Praxis durchgeführt werden. Die Depression wird durch eine ausführliche Anamnese diagnostiziert, weitere Untersuchungen (z.B. Blutentnahme) sind teilweise erforderlich, um andere Erkrankungen auszuschließen.

Es gibt ja die weit verbreitete Ansicht, dass Medikamente bei Depressionen unnütz sind oder sogar schaden und Psychotherapie alleine ausreicht. Stimmt das?

Wir gehen heute davon aus, dass die Ursachen einer depressiven Erkrankung immer vielfältig sind. Das kann eine genetische Veranlagung sein, auch frühkindliche Erfahrungen können eine Rolle spielen oder akute Auslöser, z.B. kritische Lebensereignisse oder Stress. Letztendlich liegt bei Depressionen eine Stoffwechselstörung im Gehirn vor. Um das vorhandene Ungleichgewicht wieder zu stabilisieren, werden Antidepressiva eingesetzt. Diese Medikamente, speziell die modernen, sind gut verträglich. Wenn Nebenwirkungen auftreten, sind sie in der Regel moderat und vorübergehend. Entscheidend ist, dass, zusammen mit dem Patienten/der Patientin, das richtige Medikament gefunden wird. Wie bei anderen Erkrankungen auch, kann dies ein wenig Zeit und damit auch Geduld kosten.

Wichtig ist: Antidepressiva machen nicht süchtig. Manchmal kann eine langfristige Behandlung erforderlich sein, ähnlich wie bei vergleichbar schweren chronischen Erkrankungen (Rheuma, Diabetes, hoher Blutdruck).

Psychotherapie kann bei leichten Formen der Depression ausreichen, es kann aber länger dauern, bis eine Stabilisierung eintritt. Ein mittelschwer bis schwer erkrankter Mensch ist oft gar nicht in der Lage Psychotherapie zu machen. Es fehlt der Antrieb und die Konzentrationsfähigkeit, vielleicht ist die Überzeugung da, dass das alles sowieso sinnlos ist. Diese oft sehr gequälten Menschen brauchen eine medikamentöse Behandlung.

Keinesfalls sollte bei schweren Depressionen sowohl von der Umgebung als auch von Betroffenen selbst erwartet werden, dass es ohne Medikamente geht, dass Frau oder Mann sich nur eben mal zusammennehmen muss. Das würde bei einem Herzinfarkt auch niemand erwarten. Die Depression ist eine schwere und potentiell lebensbedrohliche Erkrankung, die den Betroffenen und auch den Angehörigen sehr viel Leid bringt. Sie bedarf daher auch einer entsprechenden Behandlung. Ca. 80 Prozent der Patienten sprechen auf eine medikamentöse Behandlung an, wenn sie fachgerecht durchgeführt wird.

Neben Medikamenten und Psychotherapie ist es häufig sinnvoll auch soziotherapeutische Maßnahmen einzuleiten (Tagesstrukturierung, Unterstützung im Arbeitsleben etc.). Auch Selbsthilfegruppen können (nach Stabilisierung) helfen mit der Erkrankung umzugehen.

Was ist das Gefährliche an einer Depression?

Lebensbedrohend ist die Suizidalität, d.h. die Selbsttötungsgefahr. Ca.15 Prozent der Kranken mit schwerer Depression versterben durch Suizid, ein Viertel (ca. 25 Prozent) macht einen Suizidversuch, und ungefähr 70 Prozent haben Suizidgedanken, was sehr quälend für die Betroffenen ist.

Depressiv Erkrankte müssen immer danach gefragt werden, ob sie lebensmüde Gedanken haben, auch wenn das immer noch ein Tabu-Thema ist und eigene Ängste auslösen kann. Ein Mensch mit Suizidgedanken braucht schnelle professionelle Hilfe (PsychiaterIn, psychiatrische Ambulanz, Krankenhaus), wichtig ist immer das Vermitteln von Hoffnung ohne zu bagatellisieren. Depressionen und die damit verbundene Suizidalität sind behandelbar.

Das Interview führte Marion Weber

zurück

MATHILDE