Eine jahrhundertelang von Männern ausgeübte Handwerksgilde
wird in den zwanziger Jahren erstmals von Frauen erobert: die Gold- und
Silberschmiedekunst.
Eine Ausstellung im Bröhan-Museum Berlin widmete sich den Silberschmiedinnen
der Bauhauszeit. Insgesamt 15 Künstlerinnen wurden präsentiert, hier
eine Auswahl.
1912 wird mit Marga Jess die erste Silberschmiedemeisterin gekürt, in Österreich folgte 1924 Eilfriede Berbalk, in der Schweiz 1926 Martha Flüeler-Haefeli. So freudig die Aufbruchszeit in der Bauhauszeit für Frauen war, die nun erstmals diese Handwerkskunst für sich entdecken und ausüben konnten – so abrupt endete sie. Die bedeutendsten Künstlerinnen werden durch das totalitäre Naziregime ausgelöscht, andere gehen ins Ausland.
Vielversprechend, glänzend, war die Karriere zuvor: Paula Straus wurde
17jährig schon Ziseleurin,
hoch begabt entwirft sie später Service und Schmuckkollektionen, aber
auch reich geschmückte Monstranzen.
Lange Jahre ist sie für die Heilbronner Silberwarenfabrik Bruckmann
und Söhne tätig. Dort gehen ihre Entwürfe für Kaffee- und Teeservice,
Obstschalen und Deckeldosen, in die serielle Produktion.
Mit der sogenannten „Machtübernahme” wird ihr 1933 gekündigt, eine
Flucht aus Nazi-Deutschland misslingt. Paula Straus findet am 29. Januar 1949
in Auschwitz ihren gewaltsamen Tod.
Ihre Berufskollegin Emmy Roth gründet bereits 1908 ihre eigene Werkstatt
in Berlin. Ihre sachlichen, konstruktivistischen Entwürfe finden Zuspruch
einer anspruchsvollen Klientel.
Auch ihre berufliche Karriere ist 1933 beendet. Zwar gelingt ihr die
Emigration, doch sie kann, während der erzwungenen Wanderjahre über
Paris, Jerusalem, Holland nach Tel Aviv, nicht mehr als Künstlerin Fuß
fassen. Im Alter von 57 Jahren begeht sie am 11. Juli 1942 Selbstmord.
Schon jung gelangt Gemma Thiersch in den Dichterkreis von Stefan George und wird seine „Staatsgoldschmiedin”. Sie entwirft goldene Lorbeerkränze für den „Meister” und hält nach dessen Tod 1933 den George-Kreis mit ihrem Salon zusammen.
Auch die österreichische Künstlerin Christa Ehrlich beginnt ihre Karriere im Hintergrund eines Künstlers: Josef Hoffmann ist erst ihr Lehrer an der Kunstgewerbeschule, später wird sie seine Assistentin. Mit 24 Jahren geht sie schließlich nach Holland, wo sie ihre erfolgreiche Karriere als Silberschmiedin fortsetzt. Modern und funktional sind ihre Entwürfe, durchdacht und formschön das Teeservice aus Silber und Holz. Wie ein Baukastensystem beruht es auf einer zylindrischen Form, die abgewandelt wird.
Ganz anders sind die verspielt und gleichzeitig groben Arbeiten der bedeutendsten Schweizer Silberschmiedemeisterin Martha Flüeler-Haefeli. Schon auf der „Ersten Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit” ist sie präsent. Sie beschränkte sich nicht nur auf die Silberschiedekunst, sondern verkörperte den Inbegriff der Gestalterin. Sie gestaltete alles, was sie umgab: Möbel, Leuchtkörper, Typographien und Skulpturen und Schmuck. So wird sie zum Sinnbild einer möglichen Berufskarriere, die zu dieser Zeit wenigen Frauen möglich war.
Julia Reichelt
Zur Ausstellung:
Anhand von rund 150 Exponaten und gemeinsam mit der begleitenden Publikation
nimmt die Ausstellung eine Korrektur in der Geschichte des Kunsthandwerks
und des Designs für die Zeit vor 1945 vor.
Der Katalog: „Frauensilber. Paula Straus, Emmy Roth & Co. Silberschmiedinnen
der Bauhauszeit”
ist im Infoverlag, Karlsruhe, 2011 erschienen.