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Aug’ in Aug’ mit Puma, Tiger und Zebra

Ruth Spemann ist Chefin der Requisite am Staatstheater Darmstadt

Ruth Spemann holt mich am Künstlereingang des Darmstädter Staatstheaters ab und führt mich in ihr Büro. Dort flimmern zwar zwei Computer wie in anderen Büros auch, aber auf einem Sofa lagern Zebra, Bär und Tiger, ein Puma schaut von der Wand auf Pferdesattel und Zaumzeug, auf eine Ritterrüstung, einen Globus und ein Grammophon. In großen Schubladen lagern unzählige Brillen. „Entschuldigen Sie dieses Chaos”, meint die Chefin der Requisite, „hier sind alle Dinge versammelt, die im Fundus verloren gehen könnten”.

Ruth Spemann arbeitet seit 18 Jahren im Haus, 1996 wurde sie eine der jüngsten Requisite-Chefinnen Deutschlands. Studiert hat sie an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, die sie nach 13 Semestern als Diplom-Designerin (mit Schwerpunkt Ausstattung) verließ. Doch schon während des Studiums hat sie praktische Erfahrungen am Theater in Wiesbaden gesammelt, wo sie den Bühnenbildnern assistieren konnte. Inzwischen könnte sie als Requisiteurin eine staatliche Prüfung ablegen, doch durch den beruflichen Abschluss erübrigte sich die Prüfung.

Sie und ihre sieben Mitarbeiter/innen (vier in der Oper, drei im Schauspiel, davon ein Mann) sind „zuständig für alle Dinge, die von den Darstellern in die Hand oder den Mund genommen werden, für alles was auf dem Tisch steht, was gegessen oder getrunken wird”. Leiterwagen oder Fahrräder seien die größten Objekte, die es zu besorgen gilt, wenn die Regie es so will. Manchmal hat die Requisite auch schon echte Tiere auf die Bühne gebracht, zum Beispiel den Esel im Wildschütz: „Er war total brav, aber er wollte nicht auf die Bühne. Wir mussten ihn zu seinem Auftritt schieben”, so Spemann. Hunde kommen in den Theaterstücken öfter vor. Dabei gilt es immer, die Tierschutzvorschriften einzuhalten. Das Veterinäramt kommt zur Probe und passt auf.

Von der Torte zum Schweinskopf

Später führt mich Ruth Spemann in die Werkstatt, wo an manchen Requisiten gearbeitet wird. Künstliche Sandwichs oder Torten entstehen hier. Anderes muss repariert werden. Deshalb ist es für die Ausbildung zur staatlich geprüften Requisiteurin wichtig, vorher einen Handwerksberuf zu erlernen, zum Beispiel Schreiner/in. Darauf aufbauend schließt sich ein zweijähriges Volontariat an einem Theater oder bei Film/Fernsehen an. Begleitend dazu gibt es Aufbaukurse an der Europäischen Medien- und Eventakademie in Baden-Baden. „Insgesamt braucht man fünf Jahre, um einen Liebhaberberuf zu erlernen, in dem man nie viel verdient”, erklärt Spemann.

Die Hauptarbeit für die Requisite beginnt etwa drei Wochen vor einer Premiere. Oft fallen den Regisseuren/innen die Requisiten erst bei den Proben ein. Und immer kann sich auch kurzfristig noch etwas ändern. Manches, was gebraucht wird, findet sich im Fundus: einem großen Raum mit langen Regalen, auf denen Kaffeekannen jeglichen Stils stehen, neben Hochzeitstorten, Obstkörben, Schweinsköpfen und vielen anderen mehr oder weniger nützlichen Dingen. Er wirkt wie ein aufgeräumter Flohmarkt, dieser Raum. Apropos Flohmarkt: manche Mitarbeiter stöbern dort gerne, um passende Requisiten aufzutreiben. Heute wird auch bei ebay reingeguckt, um preiswert gesuchte Dinge zu ersteigern.

In einem der labyrinthischen Theatergänge stehen Einkaufswagen, auf denen jeweils die Requisiten für ein Stück zusammengehäuft sind. Bei jeder Aufführung muss mindestens ein/e Mitarbeiter/in der Requisite anwesend sein, um den Darstellern ihr Beiwerk auszuhändigen oder die Gegenstände bei geschlossenem Vorhang auf der Bühne zu arrangieren. „Auch für Schnee sind wir zuständig, den machen wir aus schwer entflammbarem Konfetti”, erläutert Ruth Spemann. „Und für die Pyrotechnik!” Da kann man auf das nächste Bühnenfeuerwerk gespannt sein.

Jutta Schütz

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