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Strategische Zielvorgabe statt Quote

Wie bringen wir Frauen in die technischen Berufe?

Ich bin Wasserbau-Ingenieurin und habe Anfang der 80er Jahre studiert. Wir waren 90 Männer und drei Frauen im Studiengang. Bei den Vorlesungen fragte der Professor manches Mal: „Kann ich heute Witze machen oder ist Frau Diegelmann da?”. Doch das war harmlos. Häufiger bekamen wir zu hören: „Du studierst Ingenieurwissenschaft, weil du dir einen reichen Mann angeln willst.” Schlimmer war, dass uns Praktikumsplätze mit dem Argument verwehrt wurden, „es gibt keine separate Toilette für Frauen”. Wir Frauen haben dann versucht unseren Weg zu gehen. Letztendlich haben wir im Austausch gemerkt, dass unsere Probleme selten Einzelfälle sind und wir uns stärker vernetzen und uns gegenseitig den Rücken stärken müssen. So haben wir 1986 den Deutschen Ingenieurinnenbund dib e.V. gegründet und mit unseren Ständen auf der Hannover Messe 1988 bis 1990 unter Federführung von Dipl.-Ing. Barbara Leyendecker mit dem Motto „Expertinnen geben Auskunft – wir können mehr als nur Kaffee kochen” gemeinsam mit den Frauen aus dem DAB, VDI und VDE der öffentlichkeit gezeigt, wie präsent wir sind und wie wichtig es ist, die herrschenden Geschlechterrollenbilder zu diskutieren, zu hinterfragen und neue Wege für Frauen und Männer aufzuzeigen. Das waren Meilensteine.

In der Folge kam das Thema „Frauen in technischen Berufen” en Vogue. Es wurden einzelne Pilotprojekte initiiert oder zeitlich begrenzte Modellvorhaben aufgelegt, und die Firmen und Hochschulen schmückten sich mit einer Vorzeigefrau. Dass solche Einzelmaßnahmen nicht dazu führen können in kurzer Zeit ein gesellschaftlich über Jahrzehnte, Jahrhunderte tradiertes Rollenbild von Frauenarbeit und Männerarbeit zu verändern, liegt auf der Hand.

Wichtig ist, eine Strategie, ein Gesamtkonzept, das vom Kindergarten, wo die frühen Prägungen stattfinden, über Elternarbeit, Information und Aufklärung, über Berufsbilder in der Schule und besonders bei den Lehrkräften als MultiplikatorInnen, bis hin zu den Unternehmen reicht. Gerade in der letzten Zeit werden durch die Medien wieder verstärkt Rollenzuschreibungen manifestiert: Mädchen bekommen das rosa Röckchen und die Barbiepuppe, Jungen das blaue Höschen und das Auto. Schauen Sie bloß mal in die Werbebeilagen der Zeitungen und in die Medien. Das ist richtig gruselig und häufig sexistisch, oft sehr subtil. Auch wenn Eltern versuchen, ihre Kinder relativ frei von solchen Bildern zu erziehen, können sie dem starken Einfluss der Medien nicht entgehen. „Wir werden nicht als Mädchen (Jungen) geboren, wir werden dazu gemacht”. (zitiert nach einem Buchtitel von Ursula Scheu, 1981).Dies zu reflektieren und in einem übergreifenden bildungspolitischen Maßnahmenkatalog zu begegnen, sollte Ziel der politischen und gesellschaftlichen Diskussion sein.

Dass da die Teilnahme an einem „ Girlsday” oder „Boysday” grundsätzlich nicht viel ändern kann, ist nahe liegend. Nach wie vor sind Vorbilder oder „Role Models” außerordentlich wichtig - Frauen, die in ihren Berufen glücklich sind und darüber berichten. Bei den Schnuppertagen für Schülerinnen erlebe ich immer wieder, dass junge Frauen davon sprechen, wer in der Verwandtschaft welchen Beruf hat und wie sie selbst aufmerksam und neugierig auf eine Ausbildung oder ein Studienfach geworden sind.

Die Lehrkräfte in der Schule haben eine zentrale Rolle. Wie sollen sie Schüler und Schülerinnen wertneutral zu einer Ausbildung oder einem Studium hinführen, das sie selbst nicht kennen? Vielleicht haben sie selbst tradierte Vorstellungen von Frauen- und Männerberufen und lassen diese in die Beratungsgespräche einfließen.

Dem zu begegnen hat das Institut für Pädagogik an der TU Darmstadt z.B. ein Projekt aufgelegt, das künftige Lehrkräfte für Genderaspekte sensibilisieren soll, kurz G-MINT (Genderaspekte in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).

Neuere Studien zeigen, dass junge Frauen, so emanzipiert sie sich oft geben, noch immer mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben. In ihrem gesellschaftlichen Umfeld erscheint technisches Wissen als nicht erforderlich und für sie nicht nützlich. Wichtig für Männer und Frauen sind Vorbilder in allen Lebensbereichen. Männer sollten die Hälfte der Erzieher in Kindergärten und die Hälfte der Lehrkräfte in Grundschulen stellen - damit würden diese Berufe aufgewertet und entsprechend könnte die Bezahlung angehoben werden. Im gleichen Zuge sollte bei Frauen das Interesse und das Vertrauen in ihre naturwissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten gestärkt werden. Unternehmen wiederum sollten in die Pflicht genommen werden, „work-life-balance” zu ermöglichen, das heißt, die Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf für beide Geschlechter. Noch immer stehen hinter den Männern, die Karriere machen, die Frauen, die Familie, Haushalt und Alltagsbesorgungen erledigen.

Wenn sich diese Bilder und Rollenzuschreibungen geändert haben, erübrigen sich Diskussionen über Quotierung. Nur bislang zeigt sich, dass sich allein durch freiwillige Verpflichtungen der Unternehmen wenig ändert. Das genügt also nicht.

Der Begriff Quotierung ist meist negativ belegt, - keine/r möchte eine Quotenfrau / -mann sein. Alle Unternehmen und Einrichtungen reden von Qualität, Kennzahlen und Zielvorgaben. Wir sollten das Wort Quote durch „strategische Zielvorgabe” ersetzen. Ein nachhaltiges und zukunftsweisendes Ressourcen- und Potentialmanagement kann nur durch die Ausschöpfung der vorhandenen Kapazitäten erreicht werden. Warum sperrt sich unsere Gesellschafts- und Unternehmenskultur noch immer dagegen, das Potential zu nutzen, das wir Frauen mitbringen? Wird uns doch immer Talent zu Kommunikation, Einfühlungsvermögen und Teamfähigkeit nachgesagt. Die Führungsqualitäten schlechthin. Diskussionen und Gespräche zu einem angeblichen Fachkräftemangel hätten sich dann auch erledigt.

Dr.-Ing. Karin Diegelmann

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