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MATHILDE


Das Buch zum Weiterlesen

Autorin Ursula Müller

Foto: Ute Boeters

Hunger durch Globalisierung - ausreichende Ernährung durch Frauen?

Themenreihe von Ursula Müller

www.ursula-gt-mueller.de

Bei einem Vortrag über den Weltagrarbericht sagte der Referent, Benedikt Härlin, bezogen auf Bäuerinnen in Entwicklungsländern: "Jeder Dollar, der in eine Frau investiert wird, ist dreimal so viel wert, wie der gleiche Dollar in ihren Mann investiert."

Auf den Gesichtern der anwesenden Frauen zeigte sich ein leichtes, zufriedenes Lächeln. Verständlich, zumal es eher ungewöhnlich ist, dass bei einem Thema, das in aller Regel geschlechtsneutral abgehandelt wird, die Geschlechter erwähnt werden.

Wie kommt es zu dieser Einschätzung? Zunächst die Fakten: Frauen bauen mindestens 65 Prozent der weltweit verzehrten Lebensmittel an. Es macht also Sinn, von einer Feminisierung der Landwirtschaft zu sprechen. Noch mehr Sinn macht es, die Förderung von Frauen in der Landwirtschaft gezielt anzugehen, denn - so der Weltagrarbericht - wo Frauen und Mädchen als zunehmend gleichberechtigte Trägerinnen einer auf örtliche Versorgung und Marktentwicklung ausgerichteten kleinbäuerlichen Landwirtschaft und Regionalentwicklung ausgebildet und handlungsfähig werden, steigen die Chancen der Überwindung von Hunger überproportional. Hoffnungen auf solch positive Ergebnisse gründen sich vor allem darin, dass es oft die Frauen sind, die das Wissen über Wert und Nutzen lokaler Pflanzen und Tiere für Ernährung, Gesundheit und Einkommen als Familienversorgerinnen, Pflanzensammlerinnen und Züchterinnen besitzen. Oft sind sie Expertinnen für pflanzengenetische Ressourcen geworden. Es sind aber zugleich auch die Frauen, denen zum Teil massive Benachteiligungen enge Grenzen stecken: dazu gehören die Analphabetenrate, die bei Frauen in Afrika und Asien weit über der der Männer liegt, das dort bisweilen fehlende Recht, Land zu besitzen oder ein Konto zu führen.

Nun aber von Frauenförderung als einem besonders wichtigen Schlüssel zur Hungerbekämpfung zu sprechen, hieße, globale Rahmenbedingungen zu ignorieren. In den oben genannten Empfehlungen war auch davon die Rede, Frauen sollten nicht auf Produktion im Stil der Industrieländer und für den Export geschult werden. Diese ausdrückliche Abgrenzung macht stutzig. Etwas Ähnliches klingt in Äußerungen des Generalsekretärs der Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann, an, der vor allem fehlende Investitionen in ländliche Entwicklung beklagt und die armen Länder dafür kritisiert, dass sie sich an der Exportfähigkeit ihrer Produktion orientierten, statt Ernährungssicherheit für ihre Bevölkerung zu gewährleisten. Um dahinter zu kommen, wie es zu diesen kritikwürdigen Entscheidungen gekommen ist, muss ich weiter ausholen.

Anfang der 70er Jahre hatte der Club of Rome auf die Grenzen des Wirtschaftswachstums hingewiesen. Das hatte nun aber nicht zur Folge, dass Konzepte für eine alternative Wirtschaftsweise entwickelt wurden, die nicht auf Wachstum angelegt ist, im Gegenteil. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development = OECD) arbeitete ein Modell aus, das vor allem den westlichen Industrieländern ein stetiges Wachstum garantieren sollte, indem es ihnen Absatzmärkte in Entwicklungsländern sichert. Zur gleichen Zeit wurde zudem eine schwerwiegende politische Entscheidung getroffen: Die bis dahin festgeschriebenen Wechselkurse (einige werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass der US-Dollar in den 60er Jahren konstant bei 4 DM lag) wurden freigegeben. Das ermöglichte Finanzspekulationen in großem Stil. Zuvor waren zehn Prozent der Finanzgeschäfte spekulativ, 1995 bereits 95 Prozent. Die so erworbenen Profite konnten wegen des relativ geringen Wirtschaftswachstums nicht investiert werden, also suchten Banken Kreditnehmer und fanden sie in den Entwicklungsländern, denen sie niedrige Zinsen boten. Das Problem dabei war, dass die Kreditbedingungen die Risiken bei Wechselkursschwankungen und späteren Zinserhöhungen zum größten Teil den Schuldnerländern aufbürdeten. Als dann einige Jahre später die Zinsen drastisch in die Höhe gingen und zudem der Dollarkurs stieg, konnten diese Länder ihre Kredite nicht mehr bezahlen, sie saßen in der Schuldenfalle und wandten sich mit Hilferufen an die Institutionen, die dafür nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet worden waren: der Internationale Währungsfond (= IWF) und die Weltbank. In diesen beiden Sonderinstitutionen der UNO hat nun aber nicht wie in den übrigen UN-Institutionen jedes Land eine Stimme, vielmehr richtet sich der Stimmanteil nach der Höhe der eingezahlten Finanzmittel, wodurch die USA bei wichtigen Entscheidungen sogar über eine Sperrminorität verfügen. So konnte den Kreditnehmern die Bedingungen diktiert werden gemäß den eigenen Interessen.

Kernstück der Bedingungen war die wirtschaftliche Liberalisierung, mit dem Ziel, die Exportorientierung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern zu erreichen. So drang die Weltbank auf Produktion von Fleisch, Aquakultur, Gemüse, Blumen und Ähnliches für den Export. Zu den Kreditbedingungen gehört/e aber auch, dass die Schuldnerländer ihre Zölle verringern, ihre Märkte für Importe öffnen und ihre Agrarsubventionen reduzieren.

Die derart erzwungene Produktion für den Export hatte schwerwiegende Folgen. Die Entwicklungsländer mussten nämlich auch die landwirtschaftliche Produktionsweise übernehmen, die in den Industrieländern vorherrschte, die industrielle Landwirtschaft. In deren Agrarpolitik galten nur größere wirtschaftliche Einheiten und rationalisierte Anbaumethoden, insbesondere Monokulturen, als global konkurrenzfähig. Dabei wurden Pestizide und Kunstdünger eingesetzt, wovon die Hersteller in den Industriestaaten profitierten, während die Umwelt litt.

Wie erfolgreich war die Umstellung auf industrielle Landwirtschaft, die so genannte "Grüne Revolution"? Für Indien hat die bekannte Wissenschaftlerin und Trägerin des alternativen Nobelpreises von 1993, Vandana Shiva, errechnet, dass mit jedem Dollar, der mit dem Export von Fleisch, Blumen oder Krabben verdient wird, ein ökologischer Schaden oder ein Werteverlust in Höhe von fünf bis zehn Dollar entsteht.

Und wie sieht es mit dem Erfolg der Exportorientierung aus, konnte der Wohlstand der ärmsten Entwicklungsländer gesteigert werden? Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Einkünfte aus Agrarexporten kaum stiegen. Durch die teilweise aufgezwungene Exportorientierung gaben viele Länder den Anbau der Sahara sank innerhalb eines Jahrzehnts die Pro-Kopf-Getreideproduktion um ein Drittel, die gesamte Nahrungsmittelproduktion um 20% pro Person, während der Export ausgedehnt wurde. Angesichts dieser Lage mutet die Bemerkung des Generalsekretärs der Welthungerhilfe zynisch an, wenn er Entwicklungsländer dafür kritisiert, dass sie - statt Ernährungssicherheit für ihre Bevölkerung zu gewährleisten - sich an der Exportfähigkeit ihrer Produktion orientieren.

Zum Weiterlesen:
Ursula G. T. Müller
Globalisierung für AnfängerInnen
- Anfänge der Globalisierung, Heft 5 der Reihe BRD + Dritte Welt
zu bestellen über Magazin-Verlag, Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
www.brd-dritte-welt.de
Preis 2 Euro plus Porto

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