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Kurze Geschichte der Hexenverfolgung in Europa

»Ich bin zu Unrecht ins Gefängnis gekommen, ich bin zu Unrecht gemartert worden, zu Unrecht muss ich sterben…Denn wer in das (Malefiz-) Haus kommt, der wird so lange gefoltert, bis er sich selbst irgendetwas derartiges ausdenkt, falls ihm, mit Gottes Hilfe etwas einfällt … Ich bitte dich um des Jüngsten Gerichts willen, halte dieses Schreiben in guter Hut und bete für mich als dein Vater als ein rechter Märtyrer … Gute Nacht, denn deinen Vater Johannes siehst du nimmermehr, 24 July ao (anno= Im Jahr) 1628.«

Dieses Zitat aus einem Brief eines der Hexerei Angeklagten ist eines der wenigen Zeugnisse, in denen Angeklagte Selbstaussagen machten. Die überwiegende Mehrzahl an Dokumenten über die Hexenverfolgungen in Europa sind Aussagen der Ankläger, deren Deutungen und Interpretationen zu den Geschehnissen. In der Frühen Neuzeit entstanden die Vorstellungen von Hexen und Hexensabbaten, wie wir sie heute im kollektiven Gedächtnis speichern. Im 19. Jahrhundert wurde im Rückblick auf die Geschichte und unter dem Einfluss des Historismus eine große Zahl an Legenden und Mythen über die Hexenverfolgungen gelegt. Diese wurden im 20. Jahrhundert unter anderem von Teilen der Frauenbewegung wiederbelebt, umgedeutet oder erweitert. Die interdisziplinäre Arbeit in der Wissenschaft hat in den letzen zwei Jahrzehnten viele Irrtümer aufgedeckt und ein differenziertes Bild entworfen.

Der Glaube an Zauberei ist in allen Kulturen und Epochen zu finden. So auch in Europa, zur Zeit der Christianisierung. Der christliche Glaube hatte im Lauf der Jahrhunderte durch Verfolgung und Dominanz die vorhandenen Religionen und Kulte der keltischen, germanischen und slawischen Völker in West-, Mittel- und Osteuropa verdrängt. Aber viele Elemente dieser Kulte und Religionen waren im Aberglauben erhalten geblieben. Zum Beispiel die Vorstellungen von den nächtlichen Fahrten von Wotans Heer und der Nachtfahrt der Unholden. Die christliche Kirche kategorisierte dies als Aberglauben und die fremden Gottheiten wurden dämonisiert. Gemeinsam ist den heidnischen Religionen der Glaube daran, jemand könne einen Schadenszauber auf Mensch, Pflanze oder Tier verüben, und dass dies hart zu bestrafen sei. Diese Rechtsvorstellung trug sich bis in das christliche Recht hinein. Sie fanden auch ihren Widerhall im Sachenspiegel, einem spätmittelalterlichen Rechtsbuch, in dem auf Schadenszauber die Todesstrafe durch Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen steht. Im Spätmittelalter galt neben den heimischen Gewohnheitsrechten das römische und kanonische Recht. Seit diesem Zeitpunkt galt es als verbindliche und unwidersprochene Maxime in der Rechtspflege. In der "Peinlichen Halsgerichtsordnung" Kaiser Karls V. von 1530 und 1532 findet sich im 109. Artikel "Straff der zauberey" unter anderem, "so jemandt den leuten durch zauberey schaden oder nachtheyl zufügt, soll man straffen vom leben zum todt, vnnd man soll solche straff mit dem fewer thun". Die Auffassung, dass Schadenszauber möglich sei, wird auch von Gelehrten geteilt und ist nicht nur Volksglauben. (1)

Damals galt, dass das Maleficum nur durch die Hilfe des Teufels zustande käme. Dies rückte die Zauberei in die Nähe von Häretikern. Die Ähnlichkeit von Zauberei und Häresie wurde noch verstärkt durch den Kampf gegen die Katharer im 13. Jahrhundert. Ihre Lehre beinhaltet das Walten eines bösen Prinzips in der Welt als einer selbständig neben Gott bestehenden Grundkraft. Da die Katharer der Verfolgung der Inquisition ausgesetzt waren, fanden ihre Zusammenkünfte im Dunkeln statt. Ihnen wurde dadurch unterstellt, auf ihren Zusammenkünften Christus zu verleugnen und Unzucht mit dem Teufel zu treiben. Dies hatte bereits erste Anklänge des Sabbats, der später fester Bestandteil des Hexenglaubens wurde. Ebenso wurden erste Anzeichen sichtbar, die die Zauberei nicht mehr als Tat von einzelnen Personen bezeichnen sondern ganze Gruppen dessen bezichtigen. Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelten sich in der Schweiz die Ketzerei- und Zaubereidiskussion und damit verbundenen Prozesse zu Hexenprozessen. (2)

Das Bild welches sich herausbildete und bis heute unsere Vorstellungen von Hexen prägt schließt fünf Elemente ein:

  1. Teufelspakt,
  2. Teufelsbuhlschaft,
  3. Flug durch die Luft (Hexenflug) zum
  4. Hexensabbat, auf dem Gott abgeschworen und der Teufel angebetet wurde,
  5. Schadenszauber.

Um 1500 entstanden viele Traktate und Schriften die sich dieses Themas annehmen. Eines hat einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt: das Malleus maleficarum (Hexenhammer) 1487 von Jacob Sprenger und Heinrich Institoris. Im Malleus erfolgte eine Zuspitzung der Hexenprozesse auf das weibliche Geschlecht; dessen angebliche Neigung zu sexuellen Ausschweifungen wurde zum Ausgangspunkt der Erörterungen von Institoris und Sprenger. Neu an diesem Traktat war, dass Institoris und Sprenger die Verlagerung der Verfolgung und Prozesse zu weltlichen Gerichten forderten. Wurde Zauberei vorher als Häresie geahndet und hatten die Beschuldigten laut kirchlichem Recht das Anrecht auf milde Strafe, wenn sie zur Umkehr durch Buße und Bekennen der Schuld bereit waren, war dies vor einem weltlichen Gericht nicht möglich. Zwischen erscheinen der ersten Auflage 1487 und dem Beginn der großen Verfolgungen 1560 liegen aber 73 Jahre (3). Weiter ist anzumerken, dass zwar eine Bulle Papst Innozenz VIII. von 1484 dem Druck vorangestellt ist, diese aber nicht für das Buch geschrieben wurde, sondern die Kompetenzen und Machtbefugnisse als Inquisitor von Institoris bestätigt. Ebenso nahm der Papst an nicht nur Frauen, sondern auch Männer können Hexen sein. Außerdem begegnete man in Rom mit Skepsis und Unglauben auf Beschreibungen von Hexensabbaten und Hexenflug. Mit Institoris starb praktisch die Inquisition in Deutschland. Die Verfolgung von vermeintlichen Hexen nehmen weltliche Gerichte auf. (4)

Die Ausbreitung der Hexenverfolgungen begannen in der Schweiz. Südlich der Alpen brachen sie bald ab. Nördlich der Alpen kann man sagen, dass die Prozesse nach Norden und Osten wanderten. Den Norden Europas erreichten die Verfolgungen im 17. Jahrhundert. Im russischen und ungarischen Osten kamen sie noch später, erst im 18. Jahrhundert an. Die letzte formell legal als Hexe getötete Frau starb 1782 in Glaurus in der Schweiz. Insgesamt sind nach neueren Forschungen etwa 50.000 Menschen hingerichtet worden. Die im Umlauf gebrachten 9.000.000 Menschen sind eine Fehlberechnung des 18. Jahrhunderts, die immer wieder rezipiert wurde. Die am schwersten betroffenen Gebiete lagen auf deutschsprachigem katholischen und protestantischen Gebieten. Aber es gab durchaus Gebiete und Territorien die keine Hexenverfolgungen hatten. Ebenso fallen mit den Hexenverfolgungen Naturkatastrophen zusammen. Dies könnte ein Hinweis auf Wellen von Verfolgungen sein. (5) Über das Geschlecht der Hexen lässt sich sagen, dass Frauen und Männer betroffen waren. In den Ländern Schweiz, England Niederlanden waren es 90% der Frauen, während dies für die Männer in Island zutraf und zu 60 Prozent auf Männer in Estland beispielsweise. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, das sich 1648 von der Nordsee bis zur Adria erstreckte, waren die Opfer überwiegend weiblich und jedes vierte ein Mann. Über das Alter und soziale Schicht liegen nur wenige Quellen vor, sodass keine verallgemeinernden Aussagen gemacht werden können. Die Dokumentenlage zeigt, dass Alte bis ganz Junge betroffen sein konnten. Ebenso steht kaum etwas über die soziale Schicht in den Prozessakten. Auch hier gibt es Gebiete, in denen die Unterschicht am meisten verfolgt wurde in anderen Gebieten Mittelschicht- oder Oberschichtangehörige. Über besondere körperliche Merkmale finden sich auch keine Hinweise die auf eine Verfolgung besonderer Menschen schließen lassen könnten. Wurden besondere Merkmale in den Prozessakten festgehalten, wurden diese auf Alter oder Krankheit zurückgeführt. So ist die rothaarige Hexe eine Mär aus dem 19. Jahrhundert. (6) Es ist nachgewiesen, dass der Berufsstand der Hebammen nicht in besonderer Weise betroffen war. Im Gegenteil, manchmal wurden sie als Gutachterinnen zu Prozessen hinzugezogen. Ebenso war die Verfolgung keine Vernichtung eines Priesterinnen oder Fruchtbarkeitskultes. Dies sind ebenfalls romantische Erfindungen des 19. Jahrhunderts. (7)

Eine Entschuldigung der katholischen Kirche gegenüber den Verfolgten und ein Eingeständnis der Schuld gab es im Jahr 2000 von Papst Johannes Paul II. (8)

Heike Smykalla

Fußnoten:

  1. Vgl. Rolf Schulte 2009 Frauen Männer und auch Kinder-Opfer der Verfolgung in Hexen Mythos und Wirklichkeit Historisches Museum der Pfalz Hrsg.
  2. Vgl. Sönke Lorenz/H.C.Eric Midelfort Hexen und Hexenprozesse in http://www.historicum.net/themen/ hexenforschung/einfuehrung/ vom 28.09.2010
  3. Vgl. Sönke Lorenz/H.C.Eric Midelfort Hexen und Hexenprozesse in http://www.historicum.net/themen/ hexenforschung/einfuehrung/ vom 28.09.2010
  4. Vgl. ebd.
  5. Vgl. Rainer Decker 2003 die Päpste und die Hexen
  6. Vgl. Johannes Dillinger 2009 Hexenprozesse in europäischer Perspektive
  7. Vgl. Rolf Schulte 2009 Frauen Männer und auch Kinder-Opfer der Verfolgung in Hexen Mythos und Wirklichkeit
  8. Vgl. Rita Vollmer 2009 Mythen, Phantasien und Paradigmen- zu Deutungen der Hexenverfolgungen in in Hexen Mythos und Wirklichkeit

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