Werden Sie auch eine

MATHILDE

Welches Bild entsteht bei folgender Aussage?

»Bereits um 1840 schrieben Mathematiker die ersten Computerprogramme.«

Bei einer solchen Aussage denken wohl die meisten von uns an Männer. Die Grammatik nutzt den generischen Maskulinum und unsere Schublade »Wissenschaft im 19. Jahrhundert« lässt uns natürlich ebenfalls sofort an Männer denken, denn diese tauchen in Geschichtsbüchern sehr viel häufiger auf, als Frauen. Mit dieser Frage ist natürlich auch gleichzeitig impliziert, dass wir im Zusammenhang mit diesem Artikel diese Schublade natürlich nicht meinen, sonst hätten wir sie nicht so gestellt. Und das ist sehr richtig: Um 1840 wurde das allererste Computerprogramm von der Matheamtikerin Lady Ada Lovelace geschrieben.

 

Frauen sprachlich sichtbar machen

  • Wie wichtig ist gendergerechte Sprache?
    Braucht echte Emanzipation die Sprache?
    Eine kleine kommentierte Rückschau

Frauen sind der Maßstab der Gesellschaft. Sie sagen, wo es lang geht, denn sie befrauschen (beherrschen) die Welt, die öffentliche und die private. Sie sind erfolgreiche Managerinnen, Politikerinnen oder Professorinnen, arbeiten hart und verdienen den Unterhalt. Wenn sie Familien gründen, haben sie einen hübschen Mann, der ihnen den Rücken frei hält, ihnen die Kinder aufzieht und das Heim gemütlich hält, in das dam (man) sich nach einem fraulich (herrlich) erfüllten Arbeitstag begeben möchte. Natürlich muss die Frau um einen süßen Mann werben, muss dafür Sorge tragen, dass es ihm gut geht, er glücklich ist.

Was erstaunt uns an dieser Einleitung am meisten? Die Sozialstruktur, die hier entworfen wird oder die Sprache? Jene von uns, die »Die Töchter Egalias«.1 gelesen haben, wissen: beides. Die von Gerd Brantenberg entsonnene utopische Geschichte war wohl einer der ersten Texte in Frauensprache. Und einer der ersten, der durch die konsequente Umkehrung der gesellschaftlichen Geschlechterbilder die seltsamen Ver-rückt-heiten - wörtlich verrückt ist gemeint - unseres Zusammenlebens belächelt. Dieses Buch, das vor mehr als dreißig Jahren erschien, führte zum ersten Mal mit einer guten Mischung von Humor und Konsequenz vor Augen, wie sehr unsere Sprache männlich dominiert ist. Aber für mich zeigte es zudem die Lächerlichkeit auf, in der unsere Gesellschaft geschlechterbezogen geprägt ist, und zwar nicht nur sprachlich, sondern auch politisch und sozial.

Seitdem ist viel diskutiert und einiges auf sprachlicher Seite geändert worden. Zumindestens in der Kopfzeile der meisten öffentlichen Formulare gibt es die männliche und weibliche Anrede und die Berufsbezeichnungen haben alle sowohl weibliche als auch eine männliche Form bekommen. Die feministische Liguistik hat es sehr wohl geschafft, die Diskriminierung in der Sprache sichtbar zu machen, und das ist sehr gut so. Denn alles, was wir sehen und was uns aufstößt anzusprechen, rückt zumindestens diese Dinge einmal in unser Bewusstsein. Denn nur was dort erscheint, kann bearbeitet werden. Auch wenn nach vielen Jahren noch durchaus keine Einigkeit über die öffentlich anzuwendenden sprachlichen Formen herrscht. Sprachwissenschaftlerinnen, wie Luise Pusch2, haben einiges dafür getan, einen ausführlichen Vorschlagskatalog herauszugeben. Und diese Vorschläge haben durchaus nichts damit zu tun, unbelebte Gegenstände zu verweiblichen, wie beispielsweise die Salzstreuerin oder die Anrufbeantworterin, wie die Kritik oft anmerkt, sondern es geht um Gerechtigkeit. Und das ist ja nun mal wirklich etwas sehr erstrebenswertes. Und auch gar nicht so schwierig.

Auch wenn Kritiker und Kritikerinnen ihr Veto zu einer gendergerechten Sprache damit begründen, es gäbe Chaos und unleserlichen Sprachsalat durch unbequeme und elendslange Wendungen. Dieses Argument ist eigentlich keines, denn das menschliche Gehirn ist durchaus in der Lage, neue Formen zu verinnerlichen oder alte abzulegen. Das »Fräulein« ist längst in der Schublade und eine Aussage, wie »Mädchen sind die besseren Schülerinnen als Jungen Schüler sind«, ist nun wirklich nicht als sprachliche Hürde zu werten. Wir haben so viel Zeit, Redundanzen zu verwenden, dass das Nutzen von weiblicher und männlicher Form in einem Satz durchaus nicht ins Gewicht fallen. Zu diesem Thema jedoch noch eine kleine Anmerkung. Ich hatte eine Großtante, geboren Ende des 19. Jahrhunderts, die noch mit über 80 Jahren auf ihre Anrede als »Fräulein« bestand, und das mit selbstsicherer Vehemenz. Denn es unterstrich ihren Status als unverheiratete Frau, die ihr ganzes Leben ohne Mann gemeistert hatte und darauf sehr stolz war.

Neben diesem mehr in die Sprach-Einzelfälle gehenden Ansatz gibt es jedoch einen sehr viel spannenderen Diskussionspunkt in feministischen Kreisen, der durchaus einen wichtigen Aspekt herausstellt. So sagt die Linguistikprofessorin der Freien Universität Berlin, Gisela Klann-Delius, der Gebrauch der Sprache sei ein Spiegel der Gesellschaft und in der unseren sei immer noch der Mann die Norm. Zwangsmaßnahmen zur Reform der Sprache würden daran nichts ändern, da diese an den wahren gesellschaftlichen Gegebenheiten nichts ändern, sondern - und das sei noch schlimmer - sie seien vergleichbar mit den üblichen Beruhigungsmitteln, mit denen FrauenrechtlerInnen besänftigt werden. Mit anderen Worten: wir bekommen ein paar sprachliche Verweiblichungen durchgesetzt auf irgendwelchen Formularen, aber keine Gerechtigkeit.

Und dazu fällt mir persönlich dann wieder eine Aussage ein, die eine Autorin machte, die immer dafür kämpfte, dass Frauen gesehen werden:

»Eine neue Sprache muss eine neue Gangart haben, und diese Gangart hat sie nur, wenn ein neuer Geist sie bewohnt.« (Ingeborg Bachmann)

Tja, und damit wäre dann wieder klar: es gibt eine Menge Stereotypen im Kopf, die nichts mit Gerechtigkeit zu tun haben. Um sie zu bearbeiten, ist es überaus hilfreich, die Sprache zu benutzen. Und das geht durchaus auch gendergerecht - Selbst wenn es dazu nötig sein sollte, die Salzstreuerin oder das Fräulein zu benutzen. Aber Sinn macht es nur, wenn die klugen Frauen nicht sprachlich gegeneinder arbeiten, sondern schauen, warum die eine oder die andere ihre Sprache so benutzt, wie sie es tut.

Gabriele Merziger

Anmerkungen:

  1. Der Roman »Die Töchter Egalias« der Norwegerin Gerd Brantenberg erschien erstmals 1977. Es wird nicht nur eine umgekehrte Gesellschaft entworfen, sondern es gibt auch kein männliches Vokabular mehr, sondern nur noch weibliche Spielarten, wie zum Beispiel »befrauschen« = beherrschen oder » Herrlein« = unverheirateter Mann
  2. Luise Pusch, feministische Linguistin und Frauenbiographieforscherin ist neben Senta Trömel-Plötz eine der ersten, die in Deutschland für die Sichtbarmachung des Weiblichen in der Sprache kämpfte. Auf der Webite www.fembio.org finden sich unter anderem Beobachtungen aus dem Sprachalltag.

zurück

MATHILDE