Werden Sie auch eine

MATHILDE

Sichtbar und einflussreich ohne sich anzupassen

Polit-Diskussion und Jubiläen im Christel Göttert Verlag in Rüsselsheim

Rund 30 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren am 9. und 10. Oktober nach Rüsselsheim in den Christel Göttert Verlag gekommen, um zum Thema »Sichtbar und einflussreich ohne sich anzupassen« miteinander zu diskutieren – eingeladen von der Online-Zeitung für Philosophie und Politik »www.beziehungsweise-weiterdenken.de«. Dabei wollten sie auch zwei Jubiläen feiern: Vor genau zehn Jahren erschien im Christel Göttert Verlag der Text »Liebe zur Freiheit – Hunger nach Sinn«. Diese Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik eröffnete die kleine philosophisch-politische Reihe des Frauenverlages – und sie initiierte weitere aktive Frauennetzwerke. Und vor 20 Jahren kam »Wie weibliche Freiheit entsteht« von den Frauen des Mailänder Frauenbuchladens in deutscher Übersetzung heraus.

Aus den unterschiedlichsten Wirkungsbereichen waren die Frauen gekommen: neben den sieben Redakteurinnen von »beziehungsweise-weiterdenken« (darunter mit Dorothee Markert und Antje Schrupp zwei der vier Autorinnen der »Flugschrift« und die Verlegerin Christel Göttert) z.B. Frauenbeauftragte und interessierte Frauen aus der Region, von »Frauenstudien München«, von der Kasseler Arbeitsgruppe zur feministischen Freiraumplanung »Chora«, vom Züricher Labyrinthplatz, vom österreichischen Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung aus Wien, von der Internationalen Assoziation von Philosophinnen, Tanz- und Theatertherapeutinnen, Journalistinnen, Schriftstellerinnen und Denkerinnen wie die Philosophinnen-Lexikon-Herausgeberin Marit Rullmann oder Carola Meier-Seethaler, die schon in den 80er-Jahren mit ihren dissidenten Thesen zur Kulturgeschichte feministisch wirkte.

Wie können Frauen ihre berechtigten Anliegen und ihr Wissen in die Welt bringen, ohne ein schlechtes System zu nähren? Müssen wir uns anpassen, um verstanden zu werden? Mehr Funktionen übernehmen vor allem in Kontexten, in denen Feministisches nicht gefragt ist, um Einfluss zu gewinnen? Und immer wieder tauchte in der Tagung die Frage auf: Welche praktischen Strategien können dazu beitragen, unsere Ideen zu einem guten Leben zirkulieren zu lassen, ohne dass unsere Energien verpuffen?

Hier einige der Anregungen, die der lebendige Austausch ergab: wenn Fraueninteressen nicht beachtet werden, den eigenen feministischen Standpunkt deutlich machen, auch wenn wir bei Entscheidungen überstimmt werden (und in dieser Situation keine Harmonie oder Anerkennung erhoffen), Männer bei ihrer emanzipatorischen Ehre packen und dabei genau überlegen, was wir mit ihnen erreichen wollen, bei Diskussionen andere Settings entwickeln, die ein wirkliches Verstehen und Aufeinander-Eingehen begünstigen oder überhaupt erst herstellen, nicht an enttäuschenden Situationen kleben bleiben, an den zweiten Anlauf glauben, Gedanken und Kraft für ihre Umsetzung in Beziehungen (unter Frauen) entstehen lassen, hartnäckig auf symbolische Sichtbarkeit achten, die Welt verändernde Praxis der Frauen wahrnehmen, Orte wirklicher Relevanz aufsuchen (und nicht nur die in den Medien gepriesenen beachten) und die eigene Zufriedenheit als Kompass nutzen.

Den lebendigen Austausch mit den Nutzerinnen ihrer Online-Zeitung (die vor drei Jahren im Netz gestartet wurde) wird die Redaktion sicher fortsetzen. Die Weiterentwicklung wird auch auf der Internetplattform zu verfolgen sein.

Bettina Bremer

zurück

MATHILDE