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Träume leben ist keine Frage des Alters

Mit dem Vater im Zirkus sah sie Charles Riffle. Diese Vorstellung berührt sie tief, bewegt ihre Sehnsucht: seit diesem Zeitpunkt ist für Barbara Zölfl klar, einmal eine Clownin zu werden.
Sie lacht, erzählt weiter von den Ereignissen, die sich vor diesen Wunsch geschoben haben. Dass Leben schenkt meistens andere Geschichten, als unsere Kinderträume fortzuschreiben.
Sie macht eine Ausbildung als Lehrerin und gründet eine Familie. Im Rückblick, durch ihre Clowninausbildung, sieht sie auch, dass sie schon immer gerne mittendrin war, präsent und im Geschehen mit gelebt hat. Und dann kommt wieder das Leben, und bringt die vergessenen Saiten zum klingen, fragt nach den versunkenen Wünschen.
Barbara Zölfl fällt ein Prospekt vom TUT in die Hände. Das TUT ist eine Ausbildungsstätte für Theater, Clown und Tanz in Hannover. Aber ihre 3 Kinder und ihr Beruf fordern sie. Eine berufsbegleitende Ausbildung kommt nicht in Frage. Erst als ihre Kinder erwachsen sind und sie aus dem Beruf ausgeschieden ist, kann der Wunsch, der seit der Kindheit schlummert, gelebt werden.
Lange überlegt sie hin und her, ob dass die richtige Entscheidung ist. Mit einem Augenzwinkern berichtet sie von ihrer Anmeldung: »Ich habe `ne Flasche Sekt aufgemacht, habe beim TUT angerufen und als der Platz frei war, habe ich zugesagt!« Ihre Familie begrüßt diese Entscheidung. Auch Ihr Freundeskreis ist sich sicher: Genau dass ist es, was Barbara schon immer machen musste.
Und so macht Barbara Zölfl eine Ausbildung. Diese ist extra für Menschen ab 50 konzipiert. Seit 2005 ist sie Clownin. Im Spiel entdeckt ihr kritisches Wesen neu und spielt sich frei von verinnerlichten Konventionen. Betty Quer wird ihre Bühnenidentität. Mit ihr waren noch andere in dieser Gruppe. Alle zwischen 50 und 77 Jahren. Bis heute sind sie zusammen bei Auftritten zu sehen und touren durch Deutschland.

Beim ersten Auftritt reist die ganze Familie an: von Nichte und Neffen, Sohn, Mann bis Freundin mit Rasseln und Tröten. Und als sie auf der Bühne ist, hört sie ein freudiges »Mammi!!!« Viele weitere Auftritte mit der Gruppe, als Duo oder Soli folgen.

Eine Clownin zu sein, »dass ist Glück«. Und mit diesem Optimismus, den sie ausstrahlt, möchte sie dieses Glück weitergeben. »Da oben zu stehen oder mitten in der Menge und wenn da jemand dich anstrahlt, dass finde ich wunderbar.« Dass dieser Optimismus echt ist, spürt man an der Ansteckung. Aber Barbara Zölfl hat auch sehr schwere Zeiten durchlebt. Und stets war es ihr Optimismus und ihre Freude am Leben, die sie getragen haben. Und genau dass trägt sie auch auf der Bühne: »Wenn ich die Nase aufsetze und dann entschwindet rechts und links alles und dann ist es egal dann kann ich das ausleben, was in mir drinnen ist.« Man glaubt es ihr aufs Wort. Und ihre Bühnenidentität Betty Quer: eine Kunstfigur? »Ich glaube, dass ich das bin ich.« antwortet verschmitzt Barbara Zölfl. Im Alltäglichen habe sie auch stets einen »bunten Tupfen«, der sie aus der Menge aufscheinen lässt. Sie ist »bunt, fröhlich, strahlend, lebhaft.« und dass ist Betty Quer, aber auch Barbara Zölfl.

Barbara Zölfl hat auch eine ganz andere Seite. Eine ruhige. Und lebt daraus eine andere Figur. Diese ist sanft, leise und poetisch. Und kann Menschen auch mal zu Tränen rühren bei Auftritten.

Eine neue Herausforderung für sie ist es, Gedichte als Clownin umzusetzen. Ein Band von Christian Morgenstern, einst ein Geschenk zum 18. Geburtstag, der sie seither begleitet, ist Quelle der Inspiration. Außerdem Georg Franz Kreisler mit »der gute alte Franz, der ist im Himmel«. Eine charmante Geschichte, über die Begegnung einer lustvollen alten Dame mit einem Herrn im Park. Diese Geschichte steckt voller schwarzem Humor, der Barbara Zölfl liegt. Sie mag nicht das Plumpe und Rohe, den bloßen Klamauk, für das die Figur des Clowns oft missbraucht wird.
Ob Frauen anders spielen als Männer, dazu kann sie nur von der Gruppe und von ihren persönlichen Beobachtungen sprechen, dass Männer wahrscheinlich größere Hemmungen haben, sich zu zeigen oder sich zu riskieren »Die Seele zeigen, dass bedeutet auch oftmals Schmerz«. Aber dass könnte auch an der Generation liegen.
In ihrer Ausbildung fällt ihr auf, dass sie bis dahin nur männliche Clowns gesehen hat. Ebenso, dass es in Zirkussen oder auf großen Festivals nur männliche Vertreter gibt. Bis auf die Schweizerin Gardi Hutter scheint es keine berühmte Clownin zu geben. Einen Wunsch hat sie: bei Oleg Konstantinowitsch Popow mal Assistentin oder Lehrling sein dürfen, »um mal zu zeigen, dass es Frauen genauso gut oder besser können.«

Ihr Publikum mag sie. Sie erhält Briefe und wird nach der Vorstellung angesprochen. Aber manchmal gibt es auch Menschen, die »völlig fassungslos« nicht verstehen können »dass man sich so darstellen kann«. Und es gibt Frauen, die sie zum Nachdenken über sich anregt. Die ihr eingestehen »vielleicht kann ich doch noch was in meinem Alter umändern.«

Heike Smykalla

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