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Glatt wie ein Babypopo

Bei einer Umfrage der Uni Leipzig wurden 14- bis 94jährige Menschen zu ihren Gewohnheiten bezüglich Körperveränderungen wie Enthaarung, Tattoos und Piercings befragt. Dabei kam erstaunliches ans Licht.

In den Siebzigern gab es einen Science-Fiction Roman: »Das Geheimnis des Mandelplaneten« von Françoise d’Eaubonne: Im 21. Jahrhundert erkundet eine Expedition kühner Frauen einen fremden Planeten. Was müssen sie sich plagen zwischen Gestrüpp und umwaldeten Erhebungen. Der geheimnisvolle Mandelplanet besitzt die Form eines üppig behaarten Mannes. Heute wäre eine derartige Fantasie undenkbar, aalglatte Babyhaut ist gefragt.

Nach einer Umfrage der Universität Leipzig unter Prof. Dr. Elmar Brähler in diesem Sommer wurden 14- bis 94jährige Menschen in Deutschland nach ihren Gewohnheiten zu Körperveränderungen wie Enthaarung, Tattoos und Piercings befragt. Demnach rasieren über 80 Prozent der unter 25jährigen Frauen ihre Achselhöhlen und Beine regelmäßig, zwei Drittel aller Männer und Frauen in dieser Altersgruppe halten auch ihre Genitalregion haarwuchsfrei. Mit zunehmendem Alter werden nur noch die für alle sichtbaren Regionen wie Beine von Haaren befreit.

Hygiene und das eigene Schönheitsideal werden von den Befragten als Hauptgrund angeführt, doch immerhin vier Prozent geben an, dass die Intimrasur erwartet wird, auch Wunsch des Partners, der Partnerin, sei. Ein Viertel der Männer geben zu, dass sie beim Sex eine haarfreie Scham bevorzugen. In verschiedenen Internetforen werden häufig orale Sexpraktiken als Grund für die Intimrasur angegeben. Haare im Mund sind für viele ein Gräuel, aber kratzende Stoppeln möchte auch niemand haben. Das setzt unentwegtes Rasieren oder schmerzhafte Haarentfernung voraus.

Je ein Junge und ein Mädchen präsentieren sich nackt in jeder Ausgabe der Jugendzeitschrift Bravo. Sie geben Vorbilder ab für die eher jüngeren LeserInnnen, die mit der Intimrasur als gängigem Muss konfrontiert werden. Die Angst, diskriminiert zu werden, wenn der Rasurpflicht nicht umfassend nachgekommen wird, macht es vielen unmöglich, ihre Haare ungeniert wachsen zu lassen. Wenn wegen Hautirritationen die Rasur nur schwer durchführbar ist, leiden viele Junge darunter und vermeiden ärmellose Tops und Freibäder.

So wundert es nicht, dass besonders unter den Jüngeren ungebändigter Haarwuchs als abscheulich bis ekelerregend wahrgenommen wird. Sind doch auch die Köpfe vieler Jungen ähnlich kahl geschoren, bisweilen durch künstlerisch geformte Zickzackmuster verziert. Frauen sollen dagegen Kopfhaare lang tragen, obwohl das beim Sex ja auch ganz schön ziepen kann, wenn man oder frau ungünstig auf ihrer Frisur liegt.

In pornografischen Darstellungen finden wir schon längst die glatt rasierte Scham, sie gehört in die Fantasie des Kindchenschemas der Pädosexuellen. So soll die Frau zumindest beim Sex klein und unterwürfig wirken.

Mode ist ein Wirtschaftsfaktor. Schönheitsideale werden produziert, die Werbebranche spielt eine bedeutende Rolle dabei. Was wir dann letztendlich schön finden, wird weniger von uns selbst bestimmt. Glatte Haut für verschiedene Körperregionen erfordert komplizierte und oft qualvolle Methoden zur Entfernung der zügig nachwachsenden Haare, die Rasierklingenhersteller steigern währenddessen ihre Umsätze.

Rasur oder nicht sollte keine Moralfrage sein, das eigene Körpergefühl sollte entscheiden. Aber einem Modediktat muss frau sich nicht unterordnen.

Gundula Pause

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