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Attacke gegen Frauenhäuser

Der emeritierte Soziologieprofessor Gerhard Amendt hat sich im Juni 2009 in der Zeitung Die Welt dafür eingesetzt Frauenhäuser abzuschaffen. Dieser Artikel wurde mit einer Abstimmung im Internet über »Frauenhäuser ja oder nein« verbunden.

Amendt sieht in Frauenhäusern einen Hort des Männerhasses. Er spricht von anti-patriarchalischer Kampfrhetorik, von Sendungsbewusstsein und der unheilvollen Ideologie des Radikalfeminismus in der Frauenhausarbeit und bezeichnet diese als unprofessionell. Er versäumt dabei nicht, sich als Mitbegründer des Bremer Frauenhauses vor ca. zwanzig Jahren zu nennen.

Amendt hält Frauen für ebenso gewalttätig wie Männer. Nach der Frauenhausideologie seien jedoch Männer Gewalttäter und Frauen Gewaltlose und Frauen würden politisch in eine Opferposition manipuliert. Die von ihm geleitete Bremer Studie zu »Scheidungsvätern« habe gezeigt, dass Gewalt in 30 Prozent aller Scheidungen vorkomme und 1800 Männer von körperlichen wie psychischen Gewalthandlungen ihrer Partnerinnen berichtet hätten. Aus welcher Zahlengröße die 1800 Männer stammen, sagt er nicht. Es bleibt nicht nachvollziehbar, mit welchen Zahlen er gearbeitet hat, es fehlt die Angabe einer Quelle.

Es scheint ihm entgangen zu sein, dass schon Anfang 1980 die Wissenschaftlerinnen Frigga Haug und Christina Thürmer-Rohr die Frage stellten, ob Frauen nur Opfer wären und nicht auch Täterinnen. Damit sind neue Denkrichtungen in den Diskurs eingeführt worden. Es wird im übrigen schon seit ca. 25 Jahren von vergewaltigten und sexuell missbrauchten Frauen und Mädchen nicht mehr nur von Opfern, sondern von »Überlebenden« gesprochen, die damit immer auch handelndes Subjekt bleiben. Diese Beispiele zeigen, dass längst eine differenzierte Sicht auf Frauen und Männer auch in die praktische Arbeit einging und Amendts abenteuerlicher Vorwurf nicht haltbar ist, dass Frauenhäuser zur feindselig aufgeladenen Polarisierung der Gesellschaft in männliche Gewalttäter und weibliche Friedfertige maßgeblich beitragen würden.

Durch die Einrichtung von Frauenhäusern in den 1970er Jahren wurde die Gewalt an Frauen und Kindern zum ersten Mal sichtbar und öffentlich gemacht. Seitdem haben Frauenhäuser weltweit Frauen und ihren Kindern Schutz vor Männergewalt geboten. Wo hätten diese Frauen und Kinder sonst hingehen können? Es müsste Amendt als Soziologen doch bekannt sein, dass Gewalt und Morde an Frauen Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen sind, die mit der Ideologie von Minderwertigkeit, Verachtung und einem sich in allen gesellschaftlichen Bereichen ausbreitenden Überlegenheitsanspruch des Mannes verbunden sind. Internationale Institutionen wie UNO, EU oder WHO sehen Gewalt gegen Frauen als häufigste Menschenrechtsverletzung an. So sind Vergewaltigungen in der Ehe gesetzlich strafbar, seit 2002 gibt es ein Gewaltschutzgesetz in Deutschland; über 90 Prozent der überführten Täter sind männlich.

Statt der Frauenhäuser fordert Amendt ein Netz von Familienberatungsstellen mit der Möglichkeit eines vorübergehend sicheren Aufenthalts in Notfällen. Dieses Netz gibt es jedoch bereits, Frauenhäuser gehören dazu und sind unverzichtbar.

Mit Sicherheit hat Gerhard Amendt einen populistischen und ethisch bedenklichen Artikel verfasst, mit dem er die Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern diskriminiert und zwischen den Geschlechtern polarisiert, statt sie zu verbinden.

Eine Abstimmung im Internet »ja oder nein zu Frauenhäusern« kann keinesfalls als seriös bezeichnet werden und verdient auch nicht, wirklich ernst genommen zu werden. (Bis 29. Juni hatten sich 43 Prozent für die Abschaffung, 57 Prozent dagegen ausgesprochen).

Barbara Obermüller

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