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Laut einer Umfrage auf der Web-Seite von welt.de wird deutlich, dass die Panikmache in den Medien seine Wirkung auf die Menschen nicht verfehlt hat:

Wird zuviel Aufhebens um die Schweinegrippe gemacht?
Ergebnis:
47% Ja, alles falsche Panik!
21% Naja, vielleicht wird es ja schlimm.
32% Nein, das ist der Krankheit angemessen.

6572 abgegebene Stimmen

 

Das Geschäft mit der Angst

Wenn wir hören, dass ein mutiertes Virus, verwandelte Bakterien oder andere Kleinstwesen eine neue Krankheit unter Menschen verbreiten, haben wir Angst um unsere Gesundheit. Noch ängstlicher werden wir, wenn die Krankheit vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann. Es ist schon besorgniserregend, wenn der Mensch bewusst in die Entwicklung eingreift anhand der Gentechnik, das sollte die Gemüter weit mehr erhitzen. Doch wenn die Natur selbst Mutationen hervorbringt, entzieht sich das unserer Kontrolle. Die Angst, die bei uns Menschen entsteht, kann durch entsprechende Panikmache der Medien schnell zu einer Angst der Massen ausarten. Das lässt sich prima ausschlachten, denn viele greifen dann zu einem Strohhalm, mag er auch teuer sein. Andere wiederum, die HerstellerInnen dieser »Strohhalme«, lachen sich flugs in Fäustchen.

 

Vor neun Jahren trat in Deutschland der erste Fall eines mit BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie) erkrankten Rindes auf. Ursachenforschung ergab bald darauf: Die vegetarisch veranlagten Kühe waren mit verseuchtem Tiermehl gemahlener Kadaver an Scrapie erkrankter Schafe gefüttert worden. Die BSE-Prionen (umgefaltete Eiweißmoleküle) gehen nicht durch Erhitzung kaputt, können also über die Nahrung aufgenommen werden und bleiben ansteckend. Jeden Tag prallte eine neue Meldung über den Sender und in die Zeitungen. Als nahe liegende Lösung wurde ein Europäisches Tiermehlverbot verhängt.

Die meisten BSE-Fälle traten in Groß-britannien auf, über 180.000 waren es bis Sommer 2003, wohingegen die 258 erkrankten Rinder in Deutschland eine geringe Zahl ergaben, die Panikmache in den Medien lief weiter, bei jedem infizierten Rind waren die Zeitungen voller Meldungen zum Thema.

Interessant wurde es jetzt indessen für die Pharmaindustrie: Einen BSE-Test galt es zu entwickeln und Impfstoffe gegen die Krankheit. Die Pflichttests für BSE wurden eingesetzt, ab Januar 2004 wurden sogar vom Staat dafür Gebühren erhoben. Auch andere Tiere wie Schafe müssen jetzt nach der Schlachtung einem Test unterzogen werden, was so manchen SchafzüchterInnen an den Rand des Ruins treiben kann, weil der Gewinn pro Schaf gering ist. Kaum haben alle daran verdient, so haben die Medien sich wieder beruhigt.

Die Schweinegrippe in diesem Frühjahr (H1N1) ist uns noch in bester Erinnerung. Ausgebrochen war das mutierte Virus in Mexiko. Die Medien haben uns jeden Tag mit neuen Schreckensmeldungen überschwemmt. Eine MATHILDE-Mitarbeiterin, die in den Osterferien in Mexiko weilte, wurde noch 13 Tage nach ihrer Rückkehr von Arbeitskollegen angegriffen, warum sie sich denn traue, ihre Kollegen mit dem Virus zu infizieren, die Inkubationszeit war zum Zeitpunkt längst überschritten.

Wenn das Virus derart gefährlich eingestuft wird, wäre es nicht nahe liegend, die Flüge in das Land, in dem die Infektion ausgebrochen ist, einzuschränken? Das bringt Unannehmlichkeiten mit sich für die Betroffenen, am meisten aber doch für die Wirtschaft, die an der globalen Mobilität verdient. Das hat mitnichten stattgefunden, Passagiere wurden lediglich beim Verlassen des Flugzeuges auf Fieber untersucht. In den USA hat es 0,2 Prozent Todesfälle bei von Schweinegrippe erkrankten Personen gegeben, etwa genauso viel wie bei einer saisonalen Grippewelle. Bis Anfang Juli gab es in Deutschland knapp 700 Erkrankungen. Grippe ist für Kranke und immunschwache Patienten immer gefährlich und führt nicht selten zum Tod. Durch Sensationsmeldungen der Medien wurde die Angst der Bevölkerung angeheizt, parallel wurden Mengen an Tamiflu-Vorräten aufgekauft. Ein sensationeller Ertrag wiederum für einige Pharmafirmen.

Auch wenn keine akuten Krankheitsfälle Alarm verbreiten, ist der Aufruf zur Prävention von Krankheiten eine gute Möglichkeit, Menschen in Alarmbereitschaft zu versetzen. Frauen nach der Menopause wurde lange Zeit nahe gelegt, unbedingt Hormone einzunehmen, um Krankheiten wie Osteoporose (Knochenschwund) vorzubeugen. Es sei unverantwortlich, ohne Medikamenteneinnahme alt zu werden. GynäkologInnen haben Frauen die Hormone nahezu aufgenötigt, bis in einer Studie in den USA der Zusammenhang mit einer Steigerung von Brustkrebsfällen bei Frauen, die Hormone eingenommen hatten, festgestellt wurde. Danach wurde es seltsamerweise etwas ruhiger um das Thema.

Die HPV-Impfung (Impfung gegen Papilloma-Viren, die Gebärmutterhalskrebs hervorrufen können, MATHILDE berichtete im letzten Heft) wurde von Medien und Prominenten lautstark umworben, bis sie flächendeckend für junge Mädchen empfohlen wurde und die Kosten von Krankenkassen übernommen wurden. Ein weiterer Gewinn für die Pharmaindustrie.

Jahrelang wurden besonders ältere Menschen von Pressemeldungen in Aufregung versetzt, dass ihre Cholesterinwerte viel zu hoch seien. Bis eine Studie die willkürliche Festsetzung der Grenzwerte anzweifelte. Gesunde Menschen wurden in Panik versetzt, weil ihre Werte nicht der Norm entsprachen, Hausärzte verschrieben massenweise Medikamente, die teuer und mit vielen Nebenwirkungen bestückt waren.

Wie viel Fischöl ist eigentlich gesund? Das fragten sich kürzlich einige ForscherInnen. Die Empfehlung, einmal die Woche fetten Seefisch zu essen, lasse sich nicht wissenschaftlich untermauern. Für das Wunder-Öl, das Omega-3-Fettsäuren zur Senkung der Blutfette enthält, werden Weltmeere leer gefischt. Fischölkapseln lassen sich wunderbar vermarkten, ob sie bei gesunden Menschen von Nutzen sind, darüber wird noch gestritten.

Gesundheits-Screenings

Prävention ist in vielen Bereichen Kosten sparend und absolut notwendig. Im Gesundheitsbereich ist die Angst vor dem Krebs beträchtlich. Die Zahl derjenigen, die an einer von der Krankenkasse bezahlten Vorsorgeuntersuchung teilnehmen, wächst seit Jahren steil nach oben.

Das Brustkrebs-Screening ist einer der am meisten genutzten Früherkennungstests. In großen Städten wird das Screening in einer Röntgen-Praxis durchgeführt, auf dem Land fahren über 50 »Mammobile«, rollende Arztpraxen mit Röntgengerät, durch ganz Deutschland. Bisher haben 2,7 Millionen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren eine Einladung zur kostenlosen Mammografie erhalten, über die Hälfte von ihnen haben den Termin wahrgenommen.

Mittlerweile fragen sich einige Ärztinnen und Ärzte, ob der Nutzen tatsächlich hoch genug ist, oder möglicherweise der angerichtete Schaden durch Fehldiagnosen überwiegen könnte. In einer Mammografie-Studie kamen die dänischen WissenschaftlerInnen Peter Gøtzsche und Margrethe Nielsen zu folgendem Ergebnis: Wenn 2000 Frauen zehn Jahre am Screening teilnehmen, stirbt eine Frau weniger am Krebs, gleichzeitig erhalten zehn von den 2000 Frauen eine Krebsbehandlung (Operation / Chemotherapie), obwohl sie gar keinen Brustkrebs haben. Bei 200 der 2000 Frauen gibt es in dem genannten Zeitraum mindestens einen Fehlalarm.

Was lernen wir daraus? Aufmerksam sollten wir werden, wenn ein Thema wochenlang hoch gepuscht wird und danach plötzlich in der Versenkung verschwindet. Wir sollten nachschauen, welche gesetzliche Regelung getroffen, welche teuren Maßnahmen erlassen wurden. Wir sollten uns informieren über einfache Präventionsmaßnahmen wie verbesserte Hygiene. Eine Teilnahme an den verschiedenen Screening-Programmen muss jede Frau für sich selbst ausmachen, in ihren Körper hineinhorchen, sich nicht verunsichern lassen. Die ÄrztInnen werden in den meisten Fällen zur Prävention raten, da sie es nicht verantworten können, eine mögliche Krankheit unentdeckt zu lassen. Die Entscheidung bleibt letztlich bei uns selbst und sollte in Ruhe getroffen werden.

Gundula Pause

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