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Kommentar zum Thema
Von Barbara Obermüller.
Anette Kranz hat
eine ausgezeichnete Masterarbeit zum Gender Mainstreaming Prozess in
der Verwaltung von fünf hessischen Städten, darunter auch Darmstadt,
vorgelegt. Sie hat
den Stadtverwaltungen die Anonymisierung ihrer Ergebnisse zugesichert.
Gender Mainstreaming – als politische Strategie zur Herstellung von
Geschlechtergerechtigkeit - wurde in den fünf Städten durch einen Beschluss
der jeweiligen Stadtparlamente eingeführt. Die Sitzungen der Volksvertreter/innen
in den Parlamenten sind öffentlich und ihre Arbeit soll den Menschen
dienen, denen sie ihr Mandat durch die Wahl verdanken. Dazu gehört Transparenz
und eine offene Kommunikation von politischen Inhalten. Es ist darum
bedauerlich, dass eine so gründliche und umfassende Studie wie die vorliegende
Masterarbeit nicht klar jeder Stadt zugeordnet werden kann. Diese Tatsache
spricht nicht dafür, dass die betreffenden Städte auf ihre diesbezüglichen
Leistungen besonders stolz sind. Die Anonymisierung verhindert, dass
sich jede Kommune im Licht der Öffentlichkeit auf der Basis dieser hervorragenden
Studie mit noch vorhandenen Defiziten und bereits verwirklichten Zielen
auseinandersetzen muss und sich einer öffentlichen politischen Debatte
über den Stand der Entwicklung zu einer fortschrittlichen Chancengleichheitspolitik
für Frauen und Männer zu stellen hat.
In Amtsstuben, in Ausschüssen und Parlamenten stößt es auf Skepsis und nicht selten auf Ablehnung. Dabei ist es nicht neu, wie Anette Kranz ausführlich darlegt. Zum ersten Mal wurde Gender Mainstreaming 1985 auf der dritten Weltfrauenkonferenz in Nairobi als politische Strategie vorgestellt, die Strukturen der Geschlechterverhältnisse nachhaltig zu verändern. 1995 in Peking bei der vierten Weltfrauenkonferenz verpflichteten sich die teilnehmenden Staaten zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit durch umfassende Maßnahmen unter dem zentralen Aspekt »Frauenrechte sind Menschenrechte«. Schließlich wurde Gender Mainstreaming 1999 als verbindliche Aufgabe für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verankert, mit dem Ziel einer umfassenden Chancengleichheitspolitik für Frauen und Männer.
Anette Kranz setzt sich detailliert mit dem Begriff Gender Mainstreaming auseinander, der schwer zu übersetzen ist. In der englischen Sprache gibt es für den Begriff »Geschlecht« zwei Worte, nämlich »sex« und »gender«. Der Begriff »Sex« bezieht sich auf die biologischen Unterschiede zwischen männlich und weiblich, während »Gender« für das soziale, kulturelle Geschlecht steht und die gesellschaftlichen Geschlechterrollen zum Tragen bringt. Darum kann Gender immer als gesellschaftlich veränderbar betrachtet werden. »Mainstreaming« heißt wörtlich übersetzt »in den Hauptstrom bringen« und bedeutet, dass die Frage der Geschlechterrollen und –verhältnisse alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt und in alle politischen Entscheidungen einbezogen werden muss. Durch Gender Mainstreaming soll die politische Geschlechterproblematik nicht mehr auf »die Frauenfrage« reduziert bleiben, sondern die Interessen von Männern einbeziehen. Deutlich wird in dieser Arbeit jedoch, dass eine gezielte Frauenförderung im Sinne von speziellen Maßnahmen nach wie vor wichtig ist. Beide Herangehensweisen sollen als »Doppelstrategie« produktiv miteinander verzahnt werden.
Ein klassisches Thema für Gender Mainstreaming ist der Umgang mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das meist als Frauenthema gesehen wird.
Viele Männer können die Vorteile von Teilzeitarbeit oder auch einer veränderten Einstellung zu Gesundheit und Vorsorge nicht für sich erkennen. Kranz berichtet nur aus einer Stadt von einem Teilzeit arbeitenden Amtsleiter, von dem aber nicht bekannt ist, ob er sich vor oder nach seiner Ernennung zum Amtsleiter für die Teilzeitarbeit entschieden hat. Insofern besteht aus der Sicht vieler Männer, die an herkömmlichen Männlichkeitsvorstellungen orientiert sind, wenig Handlungsbedarf. Zumal nicht nur Frauen, sondern auch Männer, die Teilzeit arbeiten, bisher keine Karriere machen.
Eine der im Interview Befragten konnte keinen Leidensdruck bei Männern in der Organisation beobachten, eine andere wies immerhin darauf hin, dass zumindest jüngere Männer aufgeschlossen hinsichtlich Teilzeitarbeit reagieren würden. (In den befragten Großstädten nennt Anette Kranz für die Verwaltung (ohne Eigenbetriebe) aktuell eine Quote der Teilzeit arbeitenden Männer um die zwei Prozent).
Wie steht es nun mit der Umsetzung des Amsterdamer Vertrags, mit der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Verwaltung hessischer Städte? Kranz hat fünf Städte - Frankfurt, Wiesbaden, Darmstadt, Offenbach und Kassel - einer genauen Prüfung unterzogen. Sie hat den Beteiligten Anonymisierung und Wahrung des Datenschutzes zugesichert. Die Situation in der jeweiligen Stadt ist also nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Den untersuchten Städten wurden Namen von Farben gegeben.
Trotzdem ist die Analyse aufschlussreich. In allen fünf Städten wurden im Zeitraum November 2000 bis Ende August 2002 Grundsatzbeschlüsse zur Implementierung von Gender Mainstreaming gefasst.
Drei Kommunen unternahmen einzelne Schritte, wie das Erstellen einer Konzeption, eines Controlling-Konzepts, einer Systemverfahrensanweisung, die Steuerung über eine Projektgruppe oder die Erarbeitung eines Handbuchs. Eine weitere Stadt hat den Im-plementierungsprozess von Gender Mainstreaming abgebrochen und die fünfte Kommune ist zwar hinsichtlich der Wirkung nach außen aktiv, wendet aber Gender Mainstreaming innerhalb der Verwaltung nicht an, weder in der Personalentwicklung noch in der Fortbildung oder der Arbeitszeitdebatte.
Die Autorin stellt bei der Präsentation der Ergebnisse ihrer Studie die Abbildung des Ist-Zustandes in den einzelnen Kommunen dar, indem sie die InterviewpartnerInnen selbst zu Wort kommen lässt. Die Äußerungen von maßgeblichen männlichen Führungskräften » …hört sich gut an, will ich aber nicht… « oder » …das mache ich nur nach dienstlicher Anweisung…« klingen nicht gerade ermutigend.
Es stehen in drei der untersuchten Städte keine zusätzlichen Finanzmittel zur Verfügung. In einer Stadt gibt es Mittel für Schulungen und in einer weiteren einen vom Frauenreferat verwalteten Etat für Projekte, die nach außen wirken. In keiner der Stadtverwaltungen gibt es eine(n) spezielle(n) Gender-Beauftragte(n), noch ist das Prinzip Gender Mainstreaming im Leitbild oder in der Geschäftsordnung verankert.
Die Frauenbeauftragten sehen sich als die Personen, die den Prozess unterstützen. Es ist aber keinesfalls ihre alleinige Aufgabe, den Prozess voranzutreiben. Wie in einer der Städte zutreffend geäußert wurde: »Die Gefahr ist immer, wenn man Gender Mainstreaming zu sehr den Frauenbüros zuordnet, dass das quasi unter eins gefasst wird, Frauenförderung und Gender Mainstreaming, und Männer sich da nicht so verantwortlich fühlen.«
Es wurde jedoch auch hervorgehoben, dass Gender Mainstreaming zu positiven Ergebnissen geführt hat, zu einem Qualitätsgewinn durch zielorientiertes Handeln. Eine Interviewpartnerin formulierte das folgendermaßen: »Also, und das ist so was wie ein Qualitätsmerkmal, denke ich. Wenn ich nämlich einfach beim Beschluss mir schon überlege, wie nachhaltig wirkt das auf die unterschiedlichen Gruppen«.
In den fünf untersuchten Städten ist – vor allem von männlicher Seite - viel Skepsis, Überheblichkeit oder Gleichgültigkeit zu spüren. Viele scheinen den Unterschied zur herkömmlichen Frauenförderung – die nach wie vor unverzichtbar ist - nicht zu verstehen. Es wird häufig nicht wahrgenommen, dass Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe auf beide Geschlechter abzielt. Die Autorin stellt fest, dass eine erhebliche Anzahl der Protagonisten der oberen Führungsebene wenig Interesse für das anspruchsvolle und sensible Thema Gender Mainstreaming erkennen lässt oder Interesse für die Erkenntnisse der Geschlechterforschung zeigt. Erschwerend kommt hinzu - wie Anette Kranz nachweist - dass auch seriöse deutsche Printmedien insgesamt tendenziös und teilweise mit aggressivem Unterton über Gender Mainstreaming geschrieben haben. Problematisch ist auch das Fehlen von Sanktionen bei einer Nicht-Umsetzung oder unzureichender Umsetzung.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen eindrucksvoll auf, dass die Einführung von Gender Mainstreaming ohne Unterstützung der Verwaltungsführung, ohne ausreichende finanzielle Mittel und ohne Controlling nicht gelingen kann. Es wird deutlich, dass ein mit klaren Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten auf der Leitungsebene eingeführter Gender Mainstreaming Prozess ein wichtiges Instrument sein könnte, die hierarchischen Geschlechterverhältnisse und die männerbündischen Machtstrukturen aufzubrechen und die Geschlechterrollen neu zu gestalten. Die sehr vielfältig und umfassend angelegte Arbeit leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Anette Kranz sieht in ihrer Arbeit die Chance einer Weiterführung bzw. des Neubeginns der politischen Debatte und des Implementierungsprozesses in den untersuchten Kommunen, unabhängig von der Anonymisierung.
Barbara Obermüller.