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"Liebe, Kunst und Leidenschaft"

Künstlerpaare - eine Katalogrezension

»Es ist meine Erfahrung, dass die Ehe nicht glücklicher macht. Dies schreibe ich in mein Küchenhaushaltsbuch am Ostersonntag 1902, sitze in meiner Küche und koche Kalbsbraten.» Paula Modersohn-Becker

 

Nicht alle beschreiben die Beziehungen zu ihren Künstler-Männern so ernüchternd wie die Malerin Paula Modersohn-Becker, deren künstlerische Bedeutung heute die ihres Mannes bei weitem überragt. Bewusst stellen die »Künstlerpaare« die Frage nach den persönlichen Lebensumständen der einzelnen KünstlerInnen, und vor allem aber auch nach ihren Vorstellungen und Rollenmustern. Dieser fundiert recherchierte, eindrucksvolle Katalogband ist samt Ausstellung von Barbara Schäfer herausgegeben und kuratiert worden. So liest er sich wie eine »Geschichte der weiblichen Kunst«.

Der Beginn liegt im Italien des 16. Jahrhunderts: die Malerinnen Lavinia Fontana und Artemisia Gentileschi arbeiten beide in den Werkstätten der Väter. Das erste Künstlerpaar: die Vater-Tochterbeziehung. Denn im Schutz der väterlichen Werkstatt konnten sich überhaupt erst Talente entwickeln. Eine Ausbildung außerhalb des familiären Umfeldes wäre undenkbar gewesen. Während Lavinia Fontana stilsichere Porträts erschafft, und auch nach ihrer Verheiratung im väterlichen Atelier tätig bleibt, werden Nacktheit und Zurschaustellung des weiblichen Körpers so etwas wie Artemisia Gentileschis »Markenzeichen«. Es gelingt ihr, sich als eigenständige Malerin zu etablieren.

Im Holland des 17. Jahrhunderts sind Judith Leyster und Jan Miese Molenaer das erste Künstler-Ehepaar. Als Mädchen aus gutem Hause kann sie sich als Historienmalerin ausbilden lassen, studiert bei Frans Hals, richtet sich eine eigene Werkstatt ein. 1633 wird sie als »Meister« in die Gilde aufgenommen, und kann so ihre Gemälde ausstellen und verkaufen. Malen darf sie in ihrem Atelier allerdings nur im Beisein einer Anstandsdame – so verlangen es die Sitten der Zeit. Als sie Jan Miese Molenaer heiratet, beendet sie ihre künstlerische Karriere abrupt.

Im 18. Jahrhundert ist es unter anderem Angelika Kauffmann, die weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt ist. Sie hat das Glück, in ihrem deutlich älteren und weniger bekannten Ehemann Antonio Zucchi eine große Unterstützung für ihre Arbeit zu finden. Im Kreis der Präraffaeliten im England um 1850 wird Elizabeth Siddal von ihrem späteren Gefährten Dante Gabriel Rossetti nicht nur gemalt, sondern ebenfalls in ihrer künstlerischen Entwicklung unterstützt. Ihre vielversprechende Karrriere als Malerin wird allerdings durch ihren frühen Tod beendet.

Im Skandinavien des 19. Jahrhunderts herrscht eine freiere Gesinnung als im übrigen Europa. So dürfen Frauen schon ab 1864 an der staatlichen Kunstakademie studieren. Dort gibt es die Malerin Oda Krohg, die innerhalb der Kristiana-Bohème eine wichtige Schlüsselrolle einnimmt. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann und Künstlerkollegen eine ungewöhnlich freie und libertinäre Beziehung. Anders Karin Larsson, der Ehefrau von Carl Larsson. Sie studiert als junge Frau in Frankreich, erhält dort eine professionelle Ausbildung als Malerin. Nach ihrer Eheschließung aufs Häusliche zurückgedrängt, wendet sie sich der Wohnungseinrichtung zu, entwirft Möbel, Stoffe, die gesamte Reformkleidung der Familie. Und wird wegweisend für ein - bis heute - beliebtes skandinavisches Intérieur.

Ähnlich verläuft die Geschichte von Sonia Delaunay-Terk, die als vielversprechende junge Künstlerin ihrem Mann Robert Delaunay das Feld überläßt, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Sie entwirft Mode, Stoffmuster und Kunsthandwerk, um sich schließlich auf diesem Gebiet wiederum einen besonderen Namen als Künstlerin zu machen. Erst nach Schließung von Atelier und Werkstatt 1931 wendet sie sich wieder verstärkt der Malerei zu. In Russland sind es zum Beispiel Natalia Gontscharowa und Michail Larionow, deren Beziehung berühmt geworden ist. Geprägt von gegenseitiger Wertschätzung und gemeinsamen Projekten führen sie innerhalb der russischen Avantgarde eine gleichberechtigte Beziehung.

Glücklich verlief auch die Verbindung von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, die gemeinsam dem Dada-Zirkel angehörten und viele gemeinsame Arbeiten erstellten. Die Malerin Georgia O‘Keeffe und der Photograph Alfred Stieglitz sorgten gegenseitig dafür, den anderen bekannter zu machen. In der amerikanischen Nachkriegszeit machen Ray und Charles Eames von sich reden, deren innovatives Möbeldesign bis heute Wertschätzung findet. Im idealen Zusammenspiel von Leben- und Arbeitsgemeinschaft schaffen Eames & Eames gemeinsam ein beeindruckendes Lebenswerk, für das noch heute der Doppelname Synonym ist.

Eng miteinander verbunden waren auch die beiden französischen KünstlerInnen Niki de Saint-Phalle und Jean Tingely. Ein Künstlerpaar wie Bonnie und Clyde, machen sie mit gigantischen Nanafiguren und Technikskulpturen von sich reden.

Beim Stichwort »Künstlerpaare« fallen einem vielleicht die tragische Verbindung von Camille Claudel und Auguste Rodin, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky oder auch die wechselhafte, innige Verbindung von Frida Kahlo und Diego Rivera ein..

Großer Verdienst dieses umfangreichen Kataloges ist es, sehr viel mehr KünstlerInnenleben zu beleuchten. Dadurch wird er zum Standartwerk, der im Regal der Kunstliebhaberin nicht fehlen sollte!

Julia Reichelt

Die Ausstellung ist nach ihrer Station im Wallraff-Richartz Museum Köln noch bis zum 1. Juni 2009 im Gemeentemuseum, Den Haag zu sehen.

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