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SERAP ÇILELI:
Eure Ehre - unser Leid
Ich kämpfe gegen Zwangsehe und Ehrenmord,
Blanvalet-Verlag, München, 2008,
Paperback, 240 Seiten,
ISBN: 978-3-7645-0301-7
14,95 EUR

 

Viel weitere Information unter:
www.cileli.de

Eure Ehre – unser Leid

Der Kampf von Serap Çileli gegen Zwangsheirat und Ehrenmord

Mit viel Mut und Engagement setzt sich Serap Çileli als eine der ersten Türkinnen in Deutschland für muslimische Migrantinnen ein, die Zwangsheirat oder Gewalt ausgesetzt sind. Nachdem sie in ihrem ersten Buch "Wir sind Eure Töchter, nicht Eure Ehre" (Blanvalet TB, 2006) von ihrem eigenen Leben, der Gewalt ihres Vaters und ihrer Zwangsehe in der Türkei geschrieben hatte, baten sie viele Mädchen und Frauen mit ähnlichem Schicksal um Hilfe. Aber auch Männer, die zur Heirat gezwungen werden, und deutsche Schwiegermütter nehmen mit ihr Kontakt auf.

Ihr zweites Buch "Eure Ehre – unser Leid", das im Oktober 2008 erschienen ist, berichtet über die Lage in Deutschland und persönliche Erlebnisse: Über die Ehre, die Erziehung der Väter, über minderjährige Bräute, deutsche Schwiegermütter und deutsche Konvertitinnen. Serap Çileli beschreibt in ihrem Buch, warum die Integration der Mitbürger türkischer Herkunft noch nicht gelungen ist und welche Schritte von Politikern sinnvoll sind. Mit einer vollständigen Liste von Ehrenmorden in Deutschland und der Türkei schließt das Buch ab. Für ihr Engagement hat Serap Çileli mehrere Preise erhalten, unter anderem 2005 das Bundesverdienstkreuz und 2006 den Ludwig-Beck-Preis für Zivilcourage. Serap Çileli lebt mit ihrer Familie in Hessen und unterstützt aktiv mit ihrem Verein muslimische Frauen und Mädchen.

Wie sehen türkische Männer die Beziehungen zu deutschen Frauen?

Türkische Männer betrachten deutsche Frauen als Frauen, mit denen sie sexuelle Erfahrungen machen können. Ehre spielt in solchen Beziehungen keine Rolle. Sich selbst sehen die Türken als etwas Besonderes, den Islam bezeichnen sie als die einzig richtige Religion. Warum werden minderjährige Mädchen verheiratet? In der Regel werden 16- bis 19-jährige Mädchen verheiratet, bevor sie das erste Mal engeren Kontakt zu Männern haben und die Ehre in Gefahr kommt. Wenn ein Mädchen die Ehre verloren hat, weil sie unverheiratet mit einem Mann geschlafen hat, wird sie an einen älteren Mann als "defekte Ware" gegeben.

Warum werden einige Mädchen und junge Frauen gezwungen, einen bestimmten Mann zu heiraten?

Geld spielt beim Verheiraten eine wichtige Rolle. Den Brautpreis, der eigentlich als Kapital für die Frau vorgesehen ist, erhalten in Realität die Eltern des Mädchens. Je nach Bildung, Schicht, Schönheit, Erziehung und Ruf kann der Brautpreis 25.000 bis 100.000 Euro betragen. Viele Eltern lassen ihre Töchter studieren, da sie mit ihrer Bildung angeben können, und weil sie so besser zu verkaufen ist. Ein weiterer Grund für die Heirat ist die Zusammenführung von Familien. So können zum Beispiel durch die Heirat Firmen miteinander verbunden werden. Ehen innerhalb der Verwandtschaft werden daher häufig bevorzugt. Einige Eltern wollen ihre Söhne, die in Deutschland drogen- oder alkoholabhängig sind, mit einer anständigen Frau verheiraten, damit sie wieder vernünftig werden. Minderjährige Importbräute aus ländlichen Gegenden kommen so nach Deutschland. Viele junge muslimische Ehefrauen werden geschlagen und einige sogar zur Prostitution gezwungen. Für die Heiratspartner aus der Türkei ist die Ehe ein Einwanderungsticket nach Deutschland.

Dürfen muslimische Mädchen ihren deutschen Freund heiraten?

Nach dem Islam dürfen Frauen Ungläubige nur dann heiraten, wenn sie zum Islam konvertieren und beschnitten sind. Deutsche Männer werden meistens aber auch nach einer Beschneidung und einem Übertritt zum Islam nicht als Muslim und Ehemann für die Töchter akzeptiert.

Viele Muslime sagen, dass ihre Frauen zu Hause die Macht haben. Warum verhindern Mütter dann nicht die Ehrenmorde ihrer Töchter?

Frauen haben nur Scheinmacht. Sie sind zu Hause für Haushalt, Kochen, die Erziehung und Pflege älterer Familienmitglieder zuständig. Bis zum Schulalter erziehen sie die Kinder nach einem strengen Raster. Danach bestimmen die Väter die Erziehung. Die Mütter sind dann Vermittlerin von Botschaften des Vaters. Wenn die Tochter einer Zwangsheirat nicht zustimmt und die Mutter sie dabei unterstützt, ist auch die Mutter Gewalt ausgesetzt.

Ist es richtig, dass Mütter und andere Frauen den Ehemann aussuchen?

Ja, der Prozess der Eheschließung wird von einer Tante, einer Nachbarin, der Oma oder anderen Frauen organisiert. Meistens kommen die Impulse von der Schwiegermutter, die eine Frau für ihren Sohn wünscht. Gesucht wird nach einer traditionellen, sittsamen Muslimin, die möglichst eine Koranschule besucht hat. Daher werden häufig Importbräute bevorzugt.

Welche Rolle spielen Moscheen bei Familienbeziehungen?

Einige Moscheeverbände verkuppeln heiratswillige Männer mit jungen muslimischen Frauen über Fotos. Wenn die Heirat über die Moschee vermittelt wurde, fällt es den Frauen noch schwerer sich scheiden zu lassen. Außerdem bieten die Moscheevereine seit Neustem Beratungen für muslimische Frauen an, zum Beispiel bei Inzest oder Gewalt in der Familie. Unklar ist, wie die Beratungen in der Moschee ablaufen. Wahrscheinlich wird den Frauen in den meisten Fällen geraten, zu der Familie zurück zu gehen und sich ihrem Schicksal zu fügen. Durch die Beratungsangebote wollen die Moscheen vermutlich verhindern, dass die Mädchen zu meinem Verein und anderen weltoffenen türkischen Frauen gehen. Offiziell sprechen sich die Moscheen gegen Zwangsheirat, Ehrenmord und Inzest aus, weil dies von der Politik verlangt wird.

Können sich Frauen von ihren Männern trennen, wenn sie Gewalt ausgesetzt sind?

Scheidungen sind eher für Männer gedacht. Frauen dürfen sich nur scheiden lassen, wenn die Männer impotent oder schwul sind oder wenn sie zu einer anderen Religion konvertieren. Männer können sich einfach von einer Frau trennen. Ein Grund ist zum Beispiel schon, wenn die Frau dem Mann Sex verweigert.

Warum sind viele türkische Mitbürger noch nicht richtig integriert?

Ausländische Christen, die nach Deutschland kommen, passen sich eher an die Gesellschaft an, weil sie die gleichen Werte haben. Bei Muslimen ist die Religion nicht säkularisiert und bestimmt den Alltag. Obwohl türkische Gastarbeiter seit Jahrzehnten in Deutschland leben, haben sie sich nicht in die deutsche Gesellschaft integriert. Die Werte werden unter anderem durch die Importbräute aus der Türkei konserviert. Wir importieren immer wieder die erste Generation aus der Türkei, Frauen, die meistens Analphabetinnen und strenggläubige Musliminnen sind. In Deutschland leben diese Frauen ähnlich wie in der Türkei. Kontakt zu Deutschen ist nicht gerne gesehen. Die jungen Ehefrauen werden daher in Haus und Hof eingesperrt. Viele minderjährige Mädchen kommen nach Deutschland. Durch gefälschte Papiere werden sie älter gemacht als sie sind. Vier von fünf türkischen Kindern sprechen kein Deutsch bei der Einschulung, weil ihre Mütter, die Importbräute, auch kein Deutsch sprechen. Zu bedenken ist, dass die türkischen Gastarbeiter aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen sind und nicht wegen Interesse an der Kultur oder der Sprache.

Wie können Politiker die Integration in die deutsche Gesellschaft fördern?

Die Politiker haben lange Zeit weggeschaut. Nur das Angebot von Sprach- und Integrationskursen reicht nicht für die Integration. Viele türkische Familien leben in einer Parallelwelt. Seit den 80ern kann türkisches Fernsehen über Satellit empfangen werden. Der dritten Generation der türkischen Gastarbeiter bieten die Moscheen Jugendarbeit, Nachhilfe und Scheingeborgenheit. Für die Integration sind Ganztagesschulen wichtig, weil sie Alternativen für die Angebote der Moscheeverbände sind. Die Politiker sollten sich für die türkischen Kinder und Jugendlichen verantwortlich fühlen und den Angeboten von Moscheen eigene Angebote entgegensetzen.

Manche Frauen, die Deutsch lernen wollen, werden geschlagen, weil die Männer Angst vor ihrer Emanzipation haben. Für Frauen, die aus der Türkei kommen, sollte daher ein Sprachnachweis gefordert werden. Wer keinen Integrationskurse besucht, sollte Sanktionen erhalten. Hilfreich können auch Integrationslotsen sein, die die Frauen begleiten. Für die Integration in Deutschland sind die Frauen sehr wichtig, weil sie die Kinder erziehen. Mütter sollten daher bei der Erziehung begleitet werden und Informationen über das Schulsystem erhalten.

Können türkische Sozialarbeiter den Mädchen helfen?

Nicht jeder mit Migrationshintergrund hilft den Mädchen und jungen Frauen wirklich. Eine türkische Sozialarbeiterin übte zum Beispiel auf ein türkisches Mädchen, das im Frauenhaus Schutz gesucht hat, großen Druck aus. Ein anderes Mädchen wurde wegen ihrem deutschen Freund von ihrem Vater krankenhausreif geschlagen. Sie wollte sich das Leben nehmen und ist vom achten Stock gesprungen. Ein türkischstämmiger Ausländerbeauftragter besuchte das Mädchen im Krankenhaus und sagte ihr auf Türkisch, dass sie eine Schande für die Familie sei, weil sie für einen Deutschen die Beine gespreizt habe. Die verstörte Reaktion des Mädchens erklärte der Ausländerbeauftragte dem Krankenhauspersonal damit, dass sie noch unter einem Schock leiden würde, und er deshalb an einem anderen Tag noch wiederkommen wolle.

Wie kann die Arbeit von türkischstämmigen Sozialarbeitern kontrolliert werden?

Gefragt werden sollte, wie die türkischen Kollegen arbeiten. Mit den Mädchen sollten nach der Beratung Gespräche geführt werden. In einem Sorgekasten sollten die Mädchen anonym mitteilen können, wie die Beratung verlief und ob sie mit der Beratung unzufrieden sind. Ministerien und Behörden, die Frauenprojekte fördern, sollten die unterstützen Einrichtungen um Jahresberichte bitten, in denen unter anderem steht, wie viele Migrantinnen kommen und welche Probleme sie haben.

Was können deutsche Frauen tun, wenn sie erfahren, dass ihre Nachbarin Gewalt ausgesetzt ist?

Wenn deutsche Nachbarn Gewalt bei türkischen Familien wahrnehmen, sollten sie vorsichtig sein. Sie sollten lieber nicht direkt eingreifen und nicht sofort zur Polizei gehen. Einige Frauen streiten wegen dem Druck ihrer Familien ab, dass sie Gewalt ausgesetzt sind. Ansprechpartner, die weiterhelfen, finden Sie auf der Website www.serap-cileli.de.

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Hoffnung setze ich in vorbildliche, emanzipierte Türkinnen. Viele Frauen, denen ich bei der Flucht geholfen habe, unterstützen jetzt andere Frauen.

Vielen Dank für das Interview und ihr großes Engagement. wünscht Ihnen Erfolg bei Ihrer Arbeit und viele UnterstützerInnen, die nicht wegschauen.

Interview: Brigitte Luckhardt

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