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Vor 100 Jahren durften sich Frauen erstmals in Darmstadt als Studentinnen einschreiben lassen. Der Auftakt zum Jubiläum fand am 8. Oktober 2008 im Darmstadtium statt. Reden wechselten mit Musik von Komponistinnen aus der Romantik, die zu dieser Zeit künstlerisch aktiv waren. Für FRANZISKA BRAUN, die erste eingeschriebene Studentin der Technischen Hochschule erschien stellvertretend ihre Tochter Annemarie Sanio.
In der Begrüßung sprach der Präsident der Technischen Hochschule Darmstadt, Prof. Dr. Hans Jürgen Prömel, über die Integration von Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft. Die TU Darmstadt erarbeitet zurzeit ein Programm zur besseren Einbindung von Frauen. "Unser kritischer Bereich sind die Post-Doktorandinnen", resümierte Prömel. Der Frauenanteil werde nach oben immer dünner. Nur 27 der etwa 270 Professoren sind weiblich.
Prof. Dr. Dr. h.c. Gesine Schwan, die Festrednerin, bezeichnete sich als Nicht Feministin, die sich während ihres Studiums nicht benachteiligt fühlte. Wichtig für ihre Karriere war die Unterstützung ihres Ehemanns, ohne den sie keine Professorin geworden wäre. Schwan sagte, dass Frauen anders an Themen herangehen und andere Fragen stellen. Ihrer Meinung nach belegen Studentinnen vor allem solche Naturwissenschaften, die mit Menschen und dem Leben zu tun haben. Sie befassen sich lieber mit Themen, die sie interessieren und die sie wichtig finden. Karriere ist meistens weniger entscheidend für die Wahl des Studiums. Seminare, die von Frauen geleitet werden, verlaufen nach Schwans Meinung mit weniger Konkurrenzkampf.
Die Frauenbeauftragte der TUD, Dr. Uta Zybell betonte, dass Frauen in Naturwissenschaft und Technik noch sehr unterrepräsentiert sind. Etwa ein Drittel der Studierenden sind Frauen, wobei ihr Anteil je nach Fachbereich zwischen 10 (Elektrotechnik, Maschinenbau, Informatik) und über 50 Prozent (Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Architektur) schwankt.
Einen Rückblick in die Vergangenheit bot die Historikerin Prof. Dr. Ute Schneider von der Universität Duisburg-Essen. Als die erste Frau 1908 zu studieren begann, wurde das Hauptgebäude feierlich eingeweiht. Erst 1916 konnten Frauen alle Fächer studieren, da erst dann mit dem Abitur die Voraussetzungen geschaffen wurden. Zuvor war Mädchen in Deutschland nur der Besuch des Realgymnasiums erlaubt, wo kein Latein gelehrt wurde. Wegen der besseren Schulbildung kamen die ersten Studentinnen aus Osteuropa.
Zum Abschluss sprach die Historikerin Verena Kümmel M.A., die die Ausstellung konzipierte. Sie wies darauf hin, dass es ab 1896 nach ihren Recherchen Gasthörerinnen in Darmstadt gab. 1910 waren es etwa zwanzig bis dreißig. 1908 folgte dann auf Drängen der TH die erste ordentliche eingeschriebene Architektin.
Für die ersten Frauen war das Lernen an der Universität nicht einfach: Die männlichen Studenten wussten nicht, wie sie den Frauen begegnen sollten. Kontakt zum anderen Geschlecht hatten sie in der Schule nicht gelernt. Die Plätze um die einzelne Studentin blieben meistens leer. Technische Labore sollten Frauen nur betreten, um die Gefäße zu spülen. Daher musste die Kernphysikerin Lise Meitner ihr Labor durch einen Hintereingang betreten. Vom wissenschaftlichen Austausch mit ihren Kollegen während gemeinsamer Spaziergänge war sie als Frau ausgeschlossen. Viele Frauen haben ihr Studium nicht abgeschlossen, weil sie ihren Männern in eine andere Stadt folgten. Oft wurde Frauen nachgesagt, dass sie nur studieren, um einen gut verdienenden Mann zu finden.
Abschließend wurde die wichtige Arbeit der Frauenbeauftragten hervorgehoben, die sich seit 1994 für Frauen einsetzt, und das Mentorinnennetzwerk gelobt. Vergessen wurde leider die interdisziplinäre Frauenforschung und das MATHILDE Sonderheft zum Frauenstudium in Darmstadt.
Brigitte Luckhardt, Barbara Obermüller, Gundula Pause
Ausstellung
"100 Jahre Studium von Frauen an der TU Darmstadt"
Im neuen Eingangsgebäude der TU, Karolinenplatz 5;
geöffnet bis 31. Januar 2009, montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr.
Ausstellungsbegleitendes Programm:
www.100-jahre-frauenstudium.tu-darmstadt.de
