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Jana Adesuwa Reiterer

Foto: Judith Goetz

Jana Adesuwa Reiterer ist Schauspielerin, Regisseurin und Gründerin der Nichtregierungsorganisation (NGO) "Exit". Im Interview erzählt sie von der Situation nigerianischer Frauen, die in Österreich zur Prostitution gezwungen werden, der Arbeit in der NGO "Exit", die Betroffenen den Ausstieg ermöglichen soll sowie den gesetzlichen Problemen, die diesen oftmals erschweren.

 

"Die Gesetze müssten sich noch ändern"

Zur Situation afrikanischer Zwangsprostitution und Menschenhandel in Österreich

 

Frauenhandel und Zwangsprostitution aus Afrika sind noch ein relativ neues Phänomen in Europa. Wann hat das angefangen und wie sehen die meisten Geschichten dieser Frauen aus?

Ja, Frauenhandel aus Afrika, insbesondere Nigeria ist ein Phänomen der 80er, das sich zuerst in Italien aufgebaut und dann in anderen europäischen Ländern, vor allem auch im deutschsprachigen Raum, verbreitet hat. In den 90er sind viele Frauen aus Nigeria gekommen, weil sie festgestellt haben, dass es legal ist, als Ayslbewerberin in der Sexarbeit zu arbeiten, und andere wiederum haben diese Gesetzeslagen dann ausgenützt und angefangen, Frauen nach Europa zu verkaufen. Die meisten Biographien der Frauen sind ähnlich. Viele Mädchen wollen einfach weg, weil sie vor sexueller Gewalt, Ungleichberechtigung, der Armut und der ökonomischen Aussichtslosigkeit fliehen wollen. Da diese Aspekte jedoch nicht als Fluchtgrund reichen, haben die meisten keine andere Möglichkeit, als einen Schlepper zu bezahlen. Manche wissen vorher, dass sie in der Sexarbeit tätig sein werden, andere nicht, keine weiß jedoch die Bedingungen - nämlich Zwangsprostitution. Es heißt dann, dass die Schlepper viel Geld für die Mädchen ausgegeben hätten - für falsche Dokumente, Bestechung, den Flug oder die Reise durch die Wüste. Diese Beträge reichen dann von 20.000 Euro bis 60.000 Euro, die sie zurückzahlen müssen. Nach der Ankunft haben sie meist einen Tag frei und müssen danach auf den Strich gehen und wöchentlich bestimmte Beträge abliefern, ansonsten droht ihnen Gewalt und andere Druckmittel. Die meisten müssen ohne Kondome arbeiten, weil sie von ihren Madames keine zur Verfügung gestellt bekommen und sie selber kein Geld dafür ausgeben können. Um das Geld zurückzahlen zu können, nehmen sie oftmals auch alles, was kommt, und müssen daher sehr billig, manchmal nur für zehn Euro arbeiten. Wenige sind sich im Klaren, dass sie keinen legalen Aufenthaltsstatus haben oder welche Rechte ihnen zustehen, weil die Händler oder Madames meist ihre einzigen InformantInnen sind. Andere wiederum haben große Angst vor Kontrollen, Abschiebung und Schubhaft und auch kein Vertrauen in die österreichischen Behörden. Zur Zeit sind circa 400 Frauen aus Nigeria als Sexarbeiterinnen in Österreich angemeldet, die Dunkelziffer ist jedoch viel höher. Die meisten arbeiten auf der Straße, auch in den Bundesländern, weil es sehr schwer ist, in einem Bordell Arbeit zu bekommen, weil viele gar keine Nigerianerinnen haben wollen oder lieber schwarze Frauen aus Brasilien. Ich bin der Meinung, dass Zwangs- und selbstständige Prostitution unterschieden werden sollte und erstere bekämpft werden muss. Dafür setzen wir uns ein, und wir unterstützen Frauen, die aussteigen wollen.

Was macht "Exit" genau?

Ich habe die NGO "Exit" 2006 gegründet mit dem Ziel, AfrikanerInnen über die Realität in Europa zu informieren und aufzuklären. Daher haben wir beispielsweise Aufklärungsfilme gemacht, die wir in Nigeria an Schulen gezeigt haben. Aber auch in Österreich ist diese Arbeit sehr wichtig, weil viele Behörden sich einfach weigern, die Geschichten dieser Frauen ernst zu nehmen und damit abtun, dass "die eh nur hier bleiben wollen." Gerade an solche Frauen richtet sich unsere Arbeit, an der sich momentan circa fünf Leute aktiv beteiligen und weitere sechs mitarbeiten, jedoch niemand ist fix angestellt. Es kommen aber gerade jetzt viele Angebote, uns helfen zu wollen. Als wir dann von Leuten angesprochen wurden, die Frauen kannten, die Hilfe brauchten, haben wir angefangen auch Beratung zu machen. Dabei geht es nicht nur um die rechtliche Dimension, sondern vor allem auch darum, ein Subjektbewusstsein zu bewirken, welches erkennt, dass Zwangsprostitution ein Unrecht ist und Menschenhandel eine Menschenrechtsverletzung und es möglich ist, dagegen etwas zu unternehmen. Wir versuchen auch, die Mädchen und Frauen mit anderen Organisationen wie LEFÖ oder der Diakonie für die weitere Betreuung zu vernetzen, weil wir selbst kein Opferschutzhaus oder ähnliches haben. Außerdem machen wir auch Recherche, dokumentieren die Geschichten, die uns Frauen erzählen und versuchen Öffentlichkeitsarbeit zu machen, indem wir Seminare, Workshops, Diskussionsveranstaltungen organisieren oder einzelne Geschichten auf Websites, im Radio oder Printmedien veröffentlichen, um mehr Problembewusstsein zu erzielen. Am Anfang sind wir auf den Strich gegangen, um Frauen zu informieren. Inzwischen hat sich aber schon rumgesprochen, dass es uns gibt, und die Frauen geben unsere Nummer selber weiter. So habe ich seit 2003 Geschichten von circa 60 Frauen dokumentieren können, circa 15 Frauen betreuen wir gerade regelmäßig und davon wollen vier auch wirklich aussteigen. Um ihre Sicherheit sowie die ihrer Familien zu garantieren, kooperieren wir auch mit den nigerianischen Behörden.

Die wenigsten Frauen haben jedoch einen legalen Aufenthaltsstatus, was den Ausstieg sicher noch erschwert. Wie können die betroffenen Frauen deiner Meinung nach vorgehen?

Betroffene von Frauenhandel haben einerseits die Möglichkeit in Schutzprogramme reinzukommen und andererseits Asyl oder Aufenthaltsgenehmigungen zu beantragen. Auch die Frauen, an deren Ausstieg wir jetzt gerade arbeiten, haben Aussagen gemacht über ihre Geschichten und versuchen jetzt einen legalen Aufenthaltsstatus zu bekommen. Aber das reicht natürlich oft noch nicht, Zwangsprostitution und Frauenhandel müssten einfach Flucht- als auch Asylgründe sein. Da müsste sich das Gesetz schon noch um einiges ändern. Die Frauen hätten dann vielmehr Möglichkeiten, aber so profitieren auch die Händler davon, da die Anträge meist so lange dauern, bis die Frauen ihre "Schuld" von 45.000 Euro abbezahlt haben. Den Schleppern kommt es eigentlich zu Gute, dass die Frauen dann abgeschoben werden, weil sie, wenn sie frei sind, keine Konkurrenz darstellen und einfach ein neues Mädchen ihren Platz besetzt. Wir versuchen daher den Frauen zu erklären, wie die westliche Welt beziehungsweise wir ihre Situationen sehen, dass es sich nämlich um Sklaverei und Ausbeutung handelt, in der sie leben und arbeiten und dass sie etwas dagegen unternehmen sollten. Wir raten ihnen, ihre richtigen Geschichten zu erzählen, neue Asylverfahren zu beantragen, Aussagen vor der Polizei zu machen und Schutzhäuser in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich kümmern wir uns dann auch darum, dass die Polizei weiter ermittelt. Ein zweiter, sehr wichtiger Schritt ist dann, dass der Asylgrund angenommen wird. Wenn wir Erfolg mit den Frauen haben, die wir gerade betreuen und zeigen können, dass der Ausstieg möglich ist, wird sich das sicher rumsprechen und mehr Frauen motivieren, unsere Arbeit in Anspruch zu nehmen.

Andere Organisationen, die sich mit Sexarbeit beschäftigen, meinen ein Ausstieg wäre nicht möglich, weil die meisten Frauen auf Grund mangelnder Ausbildung und Fehlen einer Arbeitsgenehmigung keine andere Arbeit machen können. Wie siehst du das?

Das stimmt natürlich auch. Die Bildung der Frauen reicht meist in der westlichen Welt nicht aus, und so bleiben nur Jobs wie putzen und so weiter übrig und selbst diese können sie nicht legal ausführen. Ausstieg muss daher auch heißen, hier zu leben und sich die Existenz sichern zu können, also eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, und auch da müssten sich die Gesetze noch ändern. Wichtig ist auf jeden Fall auch, dass sich die Frauen auch weiterbilden, denn nur so haben sie auch Chancen, irgendwann gut bezahlte Jobs zu haben.

Das Interview führte Judith Goetz

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