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MATHILDE

Carsharing auf Probe

Erfahrungen mit einem privaten Carsharing-Projekt

Hilde Busch (der Name wurde von der Redaktion geändert), 72 Jahre, hatte mit ihrem Auto an einem privaten Carsharing-Projekt teilgenommen. Sie fand die Idee gut, Autos gemeinschaftlich zu nutzen. Ökologische Gründe waren dabei genau so ausschlaggebend wie ökonomische und die erhoffte Entlastung bei der Wartung und den Reparaturen. Ein Jahr lang stellte sie ihr Auto dem Projekt zur Verfügung: vier Autos und vierzehn Haushalte waren beteiligt. Organisatorisch gab es keine Probleme, die grundsätzliche Philosophie der gemeinsamen Nutzung von Gebrauchsgegenständen gefällt ihr nach wie vor. Dennoch musste sie für sich zunehmend feststellen, dass Carsharing in der Anwendung für sie persönlich nicht stimmig war.

Hilde, was bedeutet dein Auto für dich?

Ich war schon 36 Jahre alt, als ich den Führerschein machte, nachdem ich mir das Geld dafür mühsam zusammengespart hatte. Das war etwas sehr Besonderes für mich. Ich fahre sehr gerne Auto und genieße die Bewegung und die vorbeiziehende Landschaft. Autofahren hat meinen Horizont erweitert. Vieles wird möglich, das ich ohne Auto nicht machen kann. Mein Auto ist für mich mehr als nur ein Gebrauchsgegenstand. Es hat mich auch psychisch unabhängier gemacht.

Die Gründe, warum du dich diesem Projekt angeschlossen hast, haben wir bereits genannt. Spannend ist nun, warum du wieder ausgestiegen bist.

Es gab verschiedene Erfahrungen, die mich letztendlich zu der Entscheidung führten, aus dem Carsharing-Projekt wieder auszusteigen.
Die Entlastung bei der Wartung hatte ich mir anders vorgestellt. Wenn etwas kaputt war, war es doch wieder "mein" Auto. "Dein Scheibenwischer ist kaputt!" Ich war ja auch weiterhin die Halterin. Außerdem war es für mich schwer zu ertragen, dass ein sorgfältiger Umgang mit den Fahrzeugen sehr unterschiedlich interpretiert wird. Die Autos wurden beileibe nicht immer in dem Zustand abgestellt, dass der oder die Nächste sie ohne weiteres nutzen konnten: eine heruntergeklappte Rückbank zum Beispiel oder ähnliche Dinge. Ein weiterer Punkt ist die Planung, die einfach stattfinden muss, wenn ich ein Auto aus einem Pool mit anderen gemeinsam nutze. Das ist nicht schlimm, aber ein gewisser Grad an Spontaneität geht verloren. Ich stellte auch fest, dass ich aus dem Pool von vier Fahrzeugen immer "mein" Auto nahm, nur ein einziges Mal habe ich ein anderes genommen.
Zusammengefasst kann ich sagen, dass meine Entscheidung auszusteigen, ein Wechselspiel war zwischen dem Frust über die unterschiedlichen Auffassungen bei der Sorgfalt und dem Wahrnehmen der Bedeutung, die mein Auto für mich hat, was sicherlich auch mit meiner Geschichte zu tun hat.

Was hat es mit deiner Geschichte zu tun?

Ich empfinde es immer noch als Privileg, ein Auto fahren zu können. Das ist für mich nicht selbstverständlich und ich will auch nicht, dass es jemals für mich selbstverständlich wird. Durch die Kriegsereignisse hatten meine Eltern alles verloren, und durch die Krankheit und den Tod meines Vaters bald nach Kriegsende mussten meine Mutter und wir Geschwister uns sehr nach der Decke strecken. Dass so nach und nach einiges wieder möglich wurde, war für mich ein Geschenk. Ich empfinde vielen Dingen gegenüber, die für andere wahrscheinlich selbstverständlich sind, eine gewisse Dankbarkeit. Mein Auto gehört unter anderem auch dazu. Das heißt nicht, dass mir Ökologie egal ist. Ein unachtsamer Umgang mit den Dingen ist jedoch ebenfalls unökologisch wie auch unökonomisch. Ich fahre mein derzeitiges Auto schon viele, viele Jahre. Und kurze Wege fahre ich weiterhin mit dem Fahrrad. Doch die Freude an meinem Auto möchte ich mir einfach leisten. Da verzichte ich lieber auf anderes.

Das Interview führte Gabi Merziger

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