Werden Sie auch eine

MATHILDE

Verkehrte Welt!

Andere Länder, andere Sitten - China in der Ein-Kind-Falle

In Deutschland beschäftigen wir uns immer öfter mit dem Gedanken, wie, wo und von wem werde ich wohl im Alter versorgt werden. Denn in Deutschland gibt es zu wenig Nachwuchs. Natürlich steigt da das Interesse der Gesellschaft und der Regierung, Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation in Deutschland positiv zu beeinflussen. Das heißt, die Geburtenrate muss schnellstens wachsen. So sollen mehr junge Paare ermutigt werden, mehr als nur ein Kind zu bekommen. Kinder- und Elterngeld, Kitas und andere Projekte werden bereitgestellt und gefördert.

Wenn dann die Entscheidung gefallen ist, das Leben mit Kindern zu meistern, spielt dabei bei den werdenden Eltern jedoch überhaupt keine Rolle, ob das Kind lieber ein Junge oder ein Mädchen sein soll – Hauptsache gesund!

Ganz anders aber auf der anderen Seite der Erde - in China. Durch die Ein-Kind-Politik der Regierung zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums werden in China nach statistischen Messungen schwerwiegende Probleme eintreten, die sich auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Chinas im hohen Maße auswirken werden.

Durch das Gesetz, dass jedes chinesische Paar nur ein Kind haben darf, wird nun allmählich der verheerende Trend des Frauenmangels sichtbar. In China gibt es heute schon 40 Millionen weniger Frauen als Männer. In manchen Provinzen werden derzeit 30 Prozent mehr Jungen als Mädchen geboren. Das hat zur Folge, das viele Männer leer ausgehen, wenn es um das Thema Familiengründung geht. Das hat wiederum zur Folge, dass die Männer zu drastischen Maßnahmen greifen, um an eine Frau zu kommen.

Der Menschenhandel wächst rapide. Frauen, meist aus armen Provinzen und daher mit wenig Bildung, werden verschleppt und verkauft. Anderswo werden Müttern die Kinder im Vorbeifahren aus den Armen gerissen. Verkaufte Frauen fühlen sich rechtlos, haben kein Geld und sind fernab der Heimat, so dass sie sich oft ihrem Schicksal fügen und so viele Schicksale im Dunkeln bleiben. Zusätzlich werden durch weniger Eheschließungen, noch weniger Kinder geboren, was letztendlich in China auch zu einer Überalterung der Bevölkerung führen wird.

Wenn man Gründe für das Problem des Frauenmangels sucht, findet man diese vor allen Dingen in den tief verwurzelten Vorstellungen der chinesischen Kultur und der damit einhergehende Diskriminierung der Frau, wie die Vizedirektorin des Instituts für Frauenstudien der staatlichen Frauenvereinigung feststellte. In der chinesischen Kultur, dem Konfuzianismus, sind Männer den Frauen überlegen. Die Frau untersteht drei Gehorsamkeitsbeziehungen: Gehorsam gegenüber dem Vater, wenn sie jung ist; Gehorsam gegenüber ihrem Ehemann, wenn sie verheiratet ist; Gehorsam gegenüber ihrem erwachsenen Sohn, wenn sie verwitwet ist. Die Söhne sind in der Regel dafür bestimmt sich später um die alten Eltern zu kümmern. Bei ihren Töchtern dagegen müssen die Eltern eine hohe Mitgift neben der teuren Hochzeit aufbringen. Die Tochter zieht nach der Hochzeit zudem zu der Familie des Bräutigams, so dass die Eltern eine Tochter als wertlos betrachten, da sie der Familie verloren geht. So wurden viele Töchter, auch aufgrund der Verbreitung des Ultraschallgeräts, abgetrieben und so das Ungleichgewicht der Geschlechter immer weiter verstärkt.

Dass die Ein-Kind-Politik gegen die Freiheitsrechte des Einzelnen verstößt und damit gegen die Menschenrechte, ist sozialgesellschaftlich völlig klar. Aber aktuell leben mehr als 1,3 Milliarden Menschen in China, das nach Berechnungen der chinesischen Akademie für Wissenschaften lediglich Ressourcen für 0,7 Milliarden Menschen bietet. Um die Lebensgrundlage für folgende Generationen zu erhalten, ist eine Kontrolle des Bevölkerungszuwachses unabdingbar.

Das große Problem liegt in der Umsetzung: es muss ein menschenwürdiger und sozial verträglicher Weg gefunden werden.

Nun versucht die Regierung diese Entwicklung zu stoppen - mit Parolen wie »Sorgt euch um die Mädchen« oder »Mädchen von heute sind die Arbeiterinnen von morgen.« Denn den chinesischen Bevölkerungsstatistikern nach, werden in der Volksrepublik im nächsten Jahrzehnt bis zu 60 Millionen Frauen fehlen. Außerdem wird es zu einer immer größeren Ausweitung des Menschenhandels und -raubes, des Missbrauchs und der Prostitution kommen, der dringend entgegengewirkt werden muss. Inzwischen werden sogar Prämien und Renten für bäuerliche Familien ausgesetzt, die nur Töchter haben. Außerdem verspricht der Staat für weiblichen Nachwuchs eine Minderung des Schulgeldes und Hilfe bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Zusätzlich wurde die Bestimmung des Geschlechtes mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung verboten. Kindesmord wird mit hohen Strafen belegt. Aber diese Maßnahmen seitens der Regierung werden so schnell nicht greifen - zu groß ist das Land und zu lang dauert es, bis die Bevölkerung wieder Vertrauen gefasst hat. Und auch derartige finanzielle Unterstützungen kann sich die Regierung auf Dauer nicht leisten. Also wird auch in nächster Zukunft keine endgültige menschenwürdige und sozial gerechte Lösung in Sicht sein.

Aber nicht nur in China kämpft man mittlerweile gegen dieses Geschlechter-Ungleichgewicht. Auch in Indien wird diese Tendenz immer deutlicher. Doch ist auch dort noch kein Umdenken der Eltern erkennbar, so dass mit Waisenhäusern und Abgabestationen den Eltern die Möglichkeit gegeben werden soll, die Kinder auszutragen und nach der Geburt an diese Einrichtungen abzugeben.

Offenbar haben einige Mütter und Väter das Vertrauen verloren, dass ihre Töchter eine Zukunft in China oder auch Indien haben.

Wer darüber urteilt, sollte sich überlegen, ob ein ähnlicher Vertrauensverlust, nicht nur in Bezug auf die Töchter, in Deutschland nicht längst Normalität ist!

Lydia Bauer

zurück

MATHILDE