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Ober-Klingen oder New York. Sonst nichts!

Christine Vonderheid-Ebner ist Unternehmensberaterin und hatte viele Jahre den Vorsitz des Fachfrauennetzwerkes der Region Südhessen inne.

Unternehmensberaterin Christine Vonderheid-Ebner war maßgeblich beteiligt, als vor zehn Jahren das südhessische FachFrauenNetzwerk e.V. (FFN) gegründet wurde. Es bietet heute Unternehmerinnen einzigartigen Einblick in die Branchenvielfalt. All die Jahre war Vonderheid-Ebner als Kommunikationsstifterin nicht wegzudenken, jetzt hat sie den Vorsitz abgegeben. »Ich sehe mich als Pionierin. Wenn die Sache Fahrt aufgenommen hat, möchte ich was Neues machen«, sagt sie dazu.

Vonderheid-Ebner lebt im Otzberger Ortsteil Ober-Klingen, landschaftlich paradiesisch am Westhang des Vulkankegels gelegen. Dort bewohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Gotthard ein holzverkleidetes Haus mit Garten. »Ein Haus mit einem Apfelbaum davor war immer mein Traum. Mein Motto lautet: Ober-Klingen oder New York - sonst nichts«, lacht sie. New York kennt sie nicht nur aus Bildbänden und Geschichtsbüchern. Sie hat die Atmosphäre der Stadt auf einer Reise mit Sohn Max (25) lieben gelernt. »Dort herrscht ein faszinierendes Pulsieren. New York ist der Gegenpol zu meinem Haus-mit-Apfelbaum und ist mir doch auf magische Weise gleichermaßen nah«, schwärmt Vonderheid-Ebner.

1995 hat Vonderheid-Ebner sich als Unternehmensberaterin selbstständig gemacht, heute hat sie nicht nur in Groß-Umstadt, sondern auch in Darmstadt ein Büro. Dass sie zudem den Vorsitz des FFN innehatte, schien eine ideale Verknüpfung, doch der Arbeitsaufwand war extrem. »Ich will Zeit für Neues haben, vielleicht ein Buch schreiben, mehr reisen und vor allem auch ein wenig Schülerin sein – am Klavier und beim Trommeln etwa«, erzählt die Fünfzigjährige. Zur Silberhochzeit nämlich bekam sie vom geliebten Ehemann ein Klavier: »Er hat mir einen Kindheitstraum erfüllt. Seitdem nehme ich Unterricht«.

Vonderheid-Ebner ist aufgewachsen, als der Sonntagsstaat für Mädchen noch aus blauem Faltenrock und weißer Bluse bestand. »Dennoch hatte ich eine aufregende und freie Kindheit«, sagt sie. Vater Karl führte ein Geschäft für Elektro- und Sanitärbedarf und war Landwirt im Nebenerwerb. Seit 1950 war er Wassermeister der Gemeinde, immer im Einsatz, wenn es Probleme mit der Versorgung gab. »Vier Generationen lebten in einem Haus, Urgroßmutter Lenchen, die Großeltern, meine Eltern und wir vier Geschwister«, erzählt Vonderheid-Ebner. »Frauen mussten alles können – sie waren im Haushalt, bei Garten- und Feldarbeit und bei der Tierversorgung zuständig«, sagt sie.

Dann strahlt sie: »Am liebsten war ich in Papas Werkstatt, habe mit Draht- und Blechabfällen gewerkelt, habe Nägel geklopft oder auch an meinem Fahrrad geschraubt«, erinnert sie sich. Und sie fügt hinzu: »Ich hatte schon immer viel praktische Intelligenz – die Dinge formen, berühren, neu kreieren, das war es, was mich anzog. Ich konnte alles, was ein Junge konnte.«

Schreiben konnte sie natürlich auch schon, bevor sie eingeschult wurde. »Schule empfand ich als Freiheitsverlust«, sagt sie kurz und bündig. Spannender wurde es für das wissbegierige Mädchen auf dem Gymnasium, 1976 legte sie in Groß-Umstadt das Abitur ab. »In meinem Jahrgang gab es noch ein weiteres Mädchen aus Lengfeld, das Abitur machte – die übrigen waren Jungs«, berichtet sie.

Bereits ein Jahr nach dem Abitur heiratete Vonderheid-Ebner, was für sie jedoch keinen Augenblick bedeutete, sich als finanziell versorgte Ehefrau zurückzulehnen. Sie nahm ein Politik -und Chemiestudium an der Technischen Universitär Darmstadt auf und führte dies auch fort, nachdem Sohn Max geboren war. »Nun aber erlebte ich, dass es schier unmöglich war, Stundenplan und Kind unter einen Hut zu bringen. Ich fing an zu netzwerken, ich wollte was bewegen – immer für Frauen, nie gegen Männer«, erklärt sie.

Anfang der 1980er Jahre war Vonderheid-Ebner Mitgründerin einer ersten »Elterninitiative Spielkreis« in Groß-Umstadt, 1985 gehörte sie zu den Frauen, die für Austausch- und Bildungsangebote sorgten und den Verein »Frauen für Frauen e.V.« ins Leben riefen.

Vonderheid-Ebner legte ihre Magisterarbeit ab, die im Sinn der von ihr ebenfalls mitgegründeten Darmstädter Geschichtswerkstatt verfasst war. Anliegen der Werkstatt ist es bis heute, lokale Identitäten zurückzuerobern, indem Geschichte an ihren Wurzeln gepackt und verständlich aufgerollt wird. Vonderheid-Ebners Magisterarbeit »Der politische Neubeginn der Gemeinde Lengfeld 1945- 49« gilt als ein Pionierwerk. Nach dem Studium hat sie ein Projekt zur Sicherung der Hochschulgeschichte mitbetreut: »Das war über vier Jahre angelegt, reichte zurück zu den Anfängen der Hochschule, erfasste die ersten Studentinnen ebenso wie die Zeit unterm Hakenkreuz bis hin zur Studentenbewegung«, berichtet sie. 1997 publizierte sie ihr zweites Buch, die Ortschronik »Hähnleiner Geschichten«.

In die frühen 1980-er Jahre gehört auch Vonderheid-Ebners Engagement bei der Entstehung des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) der Gemeinde Otzberg. »Es liefen Fäden von allen Seiten zusammen. Ich dachte, was mich im Innersten berührt, geht auch andere an – ob Frauen und Kinderversorgung, ob Geschichtsbetrachtung oder Umgang mit der Natur. Wo ich einen Mangel fühlte, war ich entschlossen, zu handeln«, erklärt sie die immense Energie, die sie entwickelte.

»Ich selbst bin die Quelle meiner Kraft, ich habe tief in mir immer gewusst, welchen Schritt ich als nächsten tun muss – bis heute«, sagt sie. Vonderheid-Ebner wirkt ruhig und besonnen. Dass ihr Terminkalender prall gefüllt ist, lässt sie ihre Gesprächspartner nie spüren. Ihre Kunst ist es, ganz in dem zu sein, was sie gerade tut.

Selbst nach einem dreistündigen Gespräch bleibt der Eindruck, man habe längst nicht alle Steine angetippt, welche die Frau ins Rollen gebracht hat. Da wäre etwa noch ihre führende Rolle im KompetenzNetz Gründungsberatung Darmstadt sowie Rhein-Main-Neckar zu nennen oder die Tatsache, dass sie dem Prüfungsausschuss der Handwerkskammer angehört. Zu guter Letzt zieht sie ein neu erschienenes Buch aus ihrer Wundertüte: »Sabine Asgodom ‘Raus aus der Komfortzone – rein in den Erfolg’ - da habe ich als Existenzgründungsexpertin mitgewirkt und zudem einige Seiten geschrieben«, sagt sie beiläufig. Und dann, mit sinnierendem Blick aus dem Fenster: »Wenn ich noch mal ein Buch schreibe, wird es was ganz anderes sein.« Diesmal vielleicht »New Yorker Geschichten«? Der Frau ist alles zuzutrauen.

Charlotte Martin

Info: www.vonderheid-ebner.de

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