Werden Sie auch eine

MATHILDE

"Ich bin ein bisschen stolz auf meine Universität"

Die Professorin Petra Gehring ist seit Herbst 2007 Vizepräsidentin der TU Darmstadt

sprach mit der Philosophin über ihre Rolle im Präsidium, ihre aktuelle Forschungsarbeit und über Frauenförderung.

Mit der Amtsübernahme des neuen Präsidenten der Technischen Universität Darmstadt im Herbst 2007, Professor Prömel, gab es eine wesentliche Neuerung in der Führungsstruktur der autonomen TUD: mit Präsident und Kanzler bilden drei Vizepräsidenten das neue Präsidium. Petra Gehring, Professorin am Institut für Philosophie, wurde im Dezember 2007 auf Vorschlag des Präsidenten zur Vizepräsidentin gewählt. In ihren Aufgabenbereich gehört neben der wissenschaftlichen Infrastruktur auf dem Campus (ULB, Neue Medien, E-Learning, Rechenzentrum) auch die Verstärkung der interdisziplinären Kultur.

Frau Professor Gehring, ein paar Fragen zu Ihrem Werdegang: Wo haben Sie studiert und was?

Philosophie, Politikwissenschaft und Rechtswissenschaften an den Universitäten Gießen, Marburg und Bochum.

Über welches Thema haben Sie promoviert/ habilitiert?

Promoviert habe ich mit einer vergleichenden Arbeit, in der die Transzendenzmetaphern in den Werken von Michel Foucault, Jacques Derrida und Jean-François Lyotard untersucht werden – das sind drei französische Philosophen des 20. Jahrhunderts.
Meine Habilitationsschrift heißt »Juridische Normativität«. Da geht es um aktuelle Rechtstheorien.

Seit wann sind Sie an der TU Darmstadt?

Seit Herbst 2002.

Was sind Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte?

Ich beschäftige mich mit ziemlich vielen verschiedenen Themen – von Biopolitik über Begriffs- und Metapherngeschichte bis hin zu Fragen nach Konzepten wie »Zeit« oder »Macht«. Derzeit schreibe ich an einem Buch über die Theoriegeschichte der Unterscheidung von Traum und Wachwirklichkeit.

Lehrtätigkeit – Forschung – Arbeit im Präsidium: Wie verteilen Sie Ihre Kräfte auf die verschiedenen Aufgaben? (Auch Ihr Tag hat nur 24 Stunden.)

Das ist eine gute Frage. Ich bin leider kein Planungsmensch, sondern lebe eher nach dem Prinzip: Alles muss auf einmal gehen. So etwas klappt eigentlich nur, wenn frau kein Privatleben hat und mit Haut und Haaren in der Arbeit aufgeht. Aber etwas Ähnliches gilt auch für ein Leben mit der Philosophie als Wissenschaft. Insofern bin ich es gewöhnt, dass bei dem, was ich tue, nie Zeit übrig bleibt. Ich muss die kostbare Zeit jetzt nur eben umverteilen und dafür sorgen, dass trotz Präsidiumsarbeit fürs Lesen und Schreiben Raum bleibt.

Sie sind die einzige Frau im Präsidium der TUD – hat diese Rolle »einzige Frau zu sein« einen besonderen Stellenwert für Sie/ für die anderen?

Auf die Rolle der »Einzigen« lege ich gar keinen Wert, ich hätte auch nichts gegen ein Präsidium mit zwei oder drei Frauen.
Was ich tatsächlich spüre – nicht seitens meiner Kollegen im Präsidium, aber in der Öffentlichkeit: Es wird schon wahrgenommen, dass das Präsidium nun ein weibliches Mitglied hat. Ich finde das gut – denn die Aufmerksamkeit beweist ja: Offenbar ist es nicht selbstverständlich. Ich »neutralisiere« meine Rolle also nicht. Ich freue mich, dass die Wahl einer Frau an der TU Darmstadt möglich war, und bin ein bißchen stolz auf meine Universität. Ich lege allerdings Wert darauf, dass ich mich als handelnde Person, als eine unter vielen in der Uni, als Präsidiumsmitglied, nicht irgendwie in einer Sonderrolle sehe.

Im Frauenförderplan (Neufassung vom 1. April 1988) setzt sich die TUD dafür ein,«.... den Frauenanteil des wissenschaftlichen Nachwuchses zu erhöhen und die Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Laufbahn zu ermöglichen bzw. zu verbessern. Hierzu gehört auch, den Anteil der Studentinnen insbesondere in naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen zu erhöhen. ...«
Nunmehr zehn Jahre nach Inkrafttreten dieses Erlasses: wo sehen Sie in Ihrer Präsidialarbeit Handlungsbedarf und Möglichkeiten für eine Aktualisierung des Frauenförderplans?

Ein Frauenförderplan ist gerade in Arbeit – das Projekt hat aber lang vor meiner Amtszeit schon begonnen. Ich werde mich in diesem Feld genauso engagieren wie meine Kollegen auch. Dem ganzen Präsidium ist das Thema Gleichstellung wichtig. Zu der von Ihnen zitierten Textstelle: Gerade in den natur- und ingenieurswissenschaftlichen Fachbereichen ist der Sinn für das Thema: »Wie werden wir attraktiver für Studentinnen?« an sich sehr ausgeprägt vorhanden. Man muss also sehen, ob und wie man den vorhandenen guten Willen sozusagen noch besser auf die Straße bringen kann.

Zur Situation der Frauen in den naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen: Es ist interessant, sich die Statistiken genau anzusehen. Die Studentinnen, die ein technisches Fach studieren, sind wenige. Aber sie führen dieses Studium auch zu Ende. Der prozentuale Anteil der weiblichen Absolventen ist hier zum Teil sogar höher als derjenige der Studienanfängerinnen. Mit andere Worten: Ingenieurinnen kommen sehr gut klar mit ihrem Studium. Nach wie vor ist es aber so, dass sich hartnäckig nur wenige Schülerinnen für technische Fächer entscheiden. Es fangen einfach zu wenige mit einem solchen Studium an! Das Problem hat also schon irgendwo im Vorfeld begonnen. Mein Kollege Martin wird die Zusammenarbeit der TU Darmstadt mit den Schulen intensivieren. Da wird das Thema »Mädels, erobert euch die naturwissenschaftlichen und die technischen Studiengänge!« ganz sicher eine wichtige Rolle spielen.

In den Sozial- und Geisteswissenschaften ist umgekehrt übrigens auch keineswegs alles Gold. Hier hat die TUD zwar wie andere Unis auch einen typischerweise höheren Frauenanteil unter den Erstsemestern. Aber etwas wird oft übersehen: In den Fächern mit höherem Frauenanteil ist der »Frauenschwund« zum Studienabschluss hin höher als in den technischen Fächern. Mit anderen Worten: Entmutigung von Frauen und Abbruch des Studiums findet womöglich vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften statt. Es fällt nur nicht so auf, weil der Frauenanteil insgesamt höher ist.

Was kann man daraus lernen – für den Frauenförderplan, aber auch insgsamt?

Wir haben mindestens zwei Probleme: Die fehlende Attraktivität der technischen Fächer – und die subtilen Entmutigungsfaktoren, die Frauen auch in solchen Fächern aufgeben lassen, in denen der Frauenanteil höher ist. Ich denke: die Uni muss das Thema mit Nachdruck und in allen Phasen der Ausbildung über den wissenschaftlichen Nachwuchs bis hin zu den Berufungen im Blick halten. Aber ich denke auch: Die Zahlen zeigen, dass jede Einzelne nicht auf die bessere Welt warten sollte, sondern dass Motivation und vielleicht auch Kampfgeist gefordert sind.

Wenn Frauen, die als Minderheit Maschinenbau studieren, besser klarkommen als Frauen, die im Studium zu Anfang zu einem Drittel oder mehr Ihresgleichen um sich haben, dann ist jedenfalls nicht allein »die Technik« das Problem. Es geht auch um subtilere Dinge, um den Willen zum Beruf, um Ermutigung und um Chancen für Erfolgserlebnisse. Ich nehme mal mein Fach als Beispiel: Philosophie ist traditionell ein Fach mit etwa einem Drittel Studienanfängerinnen – aber schon deutlich weniger Absolventinnen und in Promotion und Habilitation wird es dann ganz dünn. Es gibt vermutlich eine ganze Anzahl von Gründen, warum das so ist, und sie sind nicht einfach zu finden. Um etwas zu ändern ist aber eines zentral: Auch die Studentinnen selbst müssen den energischen Willen mitbringen, diese Gründe zu bekämpfen und etwas zu ändern. Deswegen finde ich – neben der Beseitigung von Hindernissen – auch Ermutigung so wichtig. Also die Beseitigung von Hindernissen gewissermaßen »innendrin«. Ich träume von möglichst vielen, möglichst willenstarken Studentinnen!

Danke für das Gespräch!

Petra Koloska

zurück

MATHILDE