Werden Sie auch eine

MATHILDE

Das mit zahlreichen Abbildungen versehene Buch
»Kinder, Küche, Kunst« hat 120 Seiten und ist für 12 € in Buchhandlungen, Ticket-Shop, Bürgerinformationszentrum (Luisenplatz) sowie montags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr in der Luise-Büchner-Bibliothek erhältlich.

Kinder, Küche und Kunst

»…denn dass ich mich verheirate, soll kein Grund sein, dass ich nichts werde«, lautet das Zitat der Malerin Paula Modersohn-Becker, das dem Büchlein »Kinder, Küche, Kunst« vorangestellt ist. Herausgegeben von der Luise- Büchner-Bibliothek, ist damit der zweite Band eines historischen Streifzugs zum Thema »Darmstadt aus Frauensicht« erschienen.

Die Leiterin der Bibliothek, Agnes Schmidt und die Vorsitzende des Deutschen Frauenrings, Elke Hausberg, legen eine ästhetisch hochwertige und aufwendig recherchierte Arbeit zur historischen Spurensuche weiblicher Künstlerschaft in Darmstadt vor. »Die Recherchen waren sehr schwierig, da die Spuren von Künstlerinnen und von Ehefrauen, Schülerinnen oder Mitarbeiterinnen der Künstler verwischt sind. Die meisten Bilder und Kunstobjekte von Frauen, die auf der Mathildenhöhe vor dem Ersten Weltkrieg ausgestellt waren, sind verschollen. Einige lagern in den Magazinen des Instituts Mathildenhöhe oder im Depot des Landesmuseums«, beschreibt Schmidt die Mühsal der Entstehung des Buches. »Niemand denkt bislang daran, sie in einer Ausstellung zu zeigen«, fügt sie hinzu.

Das Buch zeichnet die Lebensgeschichte von Frauen und die oft verzwickte Situation brotloser, nicht anerkannter Künstlerschaft nach. Waren Malerinnen im 17. und 18. Jahrhundert nichts außergewöhnliches, wenn auch in Deutschland »die Künstler die Malerinnen in der Regel nicht leiden können«, so stand ab 1820 das Familienleben im Vordergrund. Die Epoche des Biedermeiers pflegte »häusliches Glück und stille Gemütlichkeit« als Familienideal. Künstlerische Arbeit von Frauen rückte in den Hobbybereich oder wurde aufgegeben, da Haushalt und Kindererziehung allem anderen voranzugehen hatte. »So lange sie vortreffliche Töchter, Gattinnen und Mütter sind, mögen wir es leicht ertragen, wenn sie keine Raffaels und Michelangelos werden«, wird der Generaldirektor der Großherzoglichen Kunstsammlung Karlsruhe von 1862 zitiert.

Schmidt legt dar, dass die wieder erwachte Wahrnehmung von Frauen in Kunst und Gesellschaft um 1900 den Pionierinnen der Frauenbewegung zu danken ist. 1908 wurden Frauen zum Studium an allen deutschen Hochschulen zugelassen. Begründet mit »angeborener weiblicher Bestimmung« lehnten staatliche Kunstakademien allerdings bis nach dem Ersten Weltkrieg ihre Aufnahme ab.

Die Autorinnen erinnern an unbekannte Künstlerinnen, die einst in Katalogen der Ausstellungen auf der Mathildenhöhe vertreten waren. »Ausstellungskataloge und Berichte in zeitgenössischen Zeitschriften waren dabei die wichtigsten Quellen«, sagt Schmidt. Nicht nur als wallende, verführerische Objekte, sonders als Bildhauerinnen und Malerinnen prägten sie den »Neuen Stil« um 1900 mit.

Sorgsam ausgewählte Abbildungen und Biografieauszüge geben Einblick in Leben und Werk. Drei seien exemplarisch genannt: da ist etwa Clara Grosch, die mit zwei Frauenporträts um 1890 auf der Mathildenhöhe vertreten war. Die Darmstädter Journalistin Ella Mensch beschrieb die Gemälde als »feine, charakterscharfe Porträts«. Anna Beyer hatte Dank eines kunstsinnigen Gatten, des Malers Adolf Beyer, von 1904 bis 1916 ihr Atelier in der Heinrichstraße. Seit 1898 war sie auf nahezu allen Darmstädter Ausstellungen mit Landschafts-, Blumen- und Porträtmalerei vertreten, darüber hinaus in vielen Städten Deutschlands. Auch die Bildhauerin Luise Staudinger wird gewürdigt. Von ihr stammt etwa das Grabrelief von Luise Büchner auf dem Alten Friedhof. Beim Bombenangriff auf Darmstadt 1944 wurde ihr Atelier komplett zerstört, einige ihrer Plaketten sind im Magazin des Staatsarchivs aufbewahrt.

Charlotte Martin

zurück

MATHILDE