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Frauenpolitik - ein aktuelles Schlagwort?

Ist Frauenpolitik in unserer Stadt noch ein aktuelles Thema oder sollen die Belange von Frauen nicht mehr getrennt, sondern unter dem Schlagwort Genderpolitik mitbehandelt werden? Diesen Fragen wird im Gespräch nachgegangen.

Frauenpolitik - über diesen Begriff denke ich schon eine Weile nach, insbesondere im Zusammenhang mit dem neuen Schlagwort »Geschlechtergerechtigkeit«. Ich frage mich, ob es inzwischen überholt ist, wenn Frauen noch eigene politische Ziele verfolgen und ob Frauenförderung noch zeitgemäß ist.

Ich denke, Frauenpolitik und Frauenförderung sind nach wie vor wichtig. Frauen müssten nicht gefördert werden, wenn sie nicht in vielen Bereichen strukturell benachteiligt würden.

Wie meinst du das?

Noch immer sind sie hauptverantwortlich für die Familienarbeit, verdienen häufig für die gleiche Arbeit weniger Geld, leiden unter sexualisierter Gewalt und gehören als alleinerziehende Mütter überproportional zu den Armen. Dazu kommt, dass unsere Kultur männlich geprägt ist und Frauen Raum brauchen für Frauenbildungsprojekte. Zur notwendigen Frauenförderung gehören die Frauenbeauftragten, die Frauenbüros und die Frauenhäuser.

Du hast wohl Recht. Wenn ich mir die einzelnen Themen so betrachte, ist unsere Gesellschaft auf dem langen Gender-Mainstream-Weg erst einige Schritte gegangen.

Gender mainstreaming ist ein Instrument, mit dem festgestellt wird, wo Förderung gebraucht wird. Es bedeutet, dass bei allen politischen Entscheidungen die Geschlechterfrage mitgedacht wird, um Benachteiligungen von vornherein auszuschließen. Das betrifft auch Jungen und Männer. In der Politik gehört hierzu auch das Gender Budgeting, das heißt der geschlechtergerechte Haushalt mit einer gerechten Verteilung der öffentlichen Mittel zwischen Frauen und Männern, Mädchen und Jungen.

Gucken wir in diesem Zusammenhang doch mal auf unsere Stadt. Was geschieht denn hier in Sachen Geschlechtergerechtigkeit? Darmstadt hat das Prinzip Gender Mainstreaming schon 2001 beschlossen, es ist aber wenig Greifbares geschehen.

Ja, immer noch gibt es viele Bereiche, in denen Männer viel mehr kosten als Frauen und viel Geld an den Frauen vorbeifließt.

Mir fällt dazu die Sportförderung ein, wo Sportarten wie Fußball teuer sind und kaum Frauen davon profitieren. Es wäre daher wichtig, zum Beispiel den Frauenfußball in Darmstadt mehr zu fördern. Nach den großen Erfolgen der Frauen-Nationalmannschaft möchten zunehmend Mädchen ein Fußball-Training machen.

Ich denke auch noch, dass Frauen in Kunst und Kultur benachteiligt sind. Autorinnen sind bei Lesungen im öffentlich finanzierten Literaturhaus hoffnungslos unterrepräsentiert. Auch bei den in Darmstadt verliehenen Preisen, wie zum Beispiel dem Georg-Büchner-Preis oder dem Johann-Heinrich-Merck-Preis wurden Frauen zu selten berücksichtigt.

Da können wir auch noch in den öffentlichen Raum blicken. Zum Beispiel sind in Museen weniger Werke von Frauen zu sehen. Und auch in dem mit viel öffentlichem Geld subventionieren Theater weisen Konzert- und Theaterprogramme auf eine Vielzahl von männlichen Namen hin.

Mir fällt noch die regionale, öffentliche Wirtschaftsförderung ein: es müsste mehr auf die Existenzgründung von Frauen gesetzt werden, nicht nur finanziell, sondern auch mit frauenspezifischen Angeboten. Auch von der frauengerechten Stadtplanung sind wir noch meilenweit entfernt.

Frauengerechte Stadtplanung klingt gut, doch was so geschieht, ist ja immer das, was bezahlt werden muss: der Fokus der Förderung. Geld ist knapp in der Stadtkasse, deshalb gab es in den letzten Jahren eine Menge Kürzungen.

Von den Kürzungen der Operation »Sichere Zukunft« der Hessischen Landesregierung im Jahr 2003 haben sich Frauenprojekte und soziale Projekte bis heute nicht erholt. Damals wurden Frauenhäusern die Landesmittel gestrichen, ebenfalls den Kursen zum Wiedereinstig von Frauen in den Beruf. Frauenbildungszentren wie SEFO, Erziehungsberatunsstellen, Pro Familia, der Berufsförderung von Migrantinnen, der SchuldnerInnenberatung usw. usw.

Ja, für viele Einrichtungen bedeutete dies das Aus. Da stelle ich mir aber gleich die nächste Frage: Wissen wir eigentlich wie und für was die Mittel vergeben werden?

Dafür gibt es Statistiken, die zum Beispiel in der Jugend- und Sportförderung, im Bereich der Kultur oder im Sozialen als Grundlage für politische Entscheidungen dienen. Nur wenn derartige Statistiken differenziert nach Geschlechtern erhoben werden, kann auch eine gerechte Verteilung von finanziellen Mitteln gewährleistet werden. In Darmstadt liegen für manche Bereiche bereits geschlechterdifferenzierte Daten vor, aber noch nicht durchgängig für alle.

Es gibt also noch eine Menge zu tun für uns Frauen, damit unsere Belange nicht nur in die Köpfe, sondern auch in die konkreten Planungsvorhaben kommen.

Barbara Obermüller und Gabriele Merziger

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