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MATHILDE

Jeanne E. Rehnig,
Todesmutig – Das siebte Werk der Barmherzigkeit,
Fachverlag des Deutschen Bestattungsgewerbes,
Düsseldorf 2006, 3-936057-16-8,
ca. 79,- €

Leichenbitterinnen und Totenkleiderinnen

Im wahrsten Sinne des Wortes todesmutig mussten in früheren Zeiten diejenigen sein, die sich um die Toten kümmerten. Gingen sie doch ein nicht unbeträchtliches Risiko ein, sich Krankheiten zuzuziehen. Zudem waren die meisten Tätigkeiten und Berufe rund um die Totenpflege und Bestattung mit nur niedrigem Einkommen und ebenso geringem sozialem Ansehen verbunden. So erstaunt es wenig festzustellen, dass in der breiten Palette der ausgeübten Tätigkeiten eine hohe Zahl an Frauen anzutreffen war, die meist aus der ärmeren Bevölkerung stammten.

Viele Tätigkeiten, wie der der Leichenbitterin, sind heute nicht mehr anzutreffen. Leichenbitterinnen hatten die Aufgabe den Tod in der Nachbarschaft kundzutun und zur Beerdigung einzuladen. Mit dem Aufkommen der Todesanzeigen ging ihre Zahl zurück. Bis Mitte des 20.Jahrhunderts waren sie aber in einigen ländlichen Gebieten noch tätig. Auch Totenfrauen, die darüber wachten, dass niemand lebendig beerdigt wurde, eine tiefsitzende Furcht über viele Jahrhunderte, gehören heute im Zeitalter der Medizin der Vergangenheit an. Tätigkeiten, wie die der Totenwäscherin und Siechmagd, die früher unmittelbar nach dem Tod im Rahmen von Familie oder Nachbarschaft ausgeübt wurden, sind heute außer Haus in Krankenhaus und Bestattungsunternehmen angesiedelt.

Interessant ist auch ein Blick auf die Gepflogenheiten rund um die Verkündung des Todes. Denn neben den Lokal- und Sportnachrichten gehören die Todesanzeigen heute zum beliebtesten Teil in der Tagespresse. So erstaunt es dann kaum noch, dass die Fotografie in ihren Anfängen viele Post-Mortem Bilder erstellte, was natürlich auch darin begründet lag, dass eine lange Belichtungszeit notwendig war und Tote somit ideal zu fotografieren waren.

Ein Blick auf die Bekleidung der Leiche zeigt, dass auch hier ein beständiger Wandel stattfand. Vom Leichentuch, das einer Nachbarschaft gehört und immer wieder verwendet wurde, über den Brauch zur Konfirmation das eigene Leichenhemd von der Patin geschenkt zu bekommen bis hin zu den Papierleichenkleidungsstücken in Zeiten der Knappheit reicht die Bandbreite. Auch im Bereich der Bekleidung sowohl von Toten als auch Hinterbliebenen fanden Frauen vielfältige Arbeitsbereiche. Oft wurde der Prunk so weit getrieben, dass von Seiten der Obrigkeit oder Verwaltung Einhalt geboten werden musste. Denn wie lange braucht wohl ein metallener Sarg um zu verrotten?

Geschichte, Wandel und heutige Gepflogenheiten sind in einem gut strukturierten und interessant zu lesenden Band versammelt, der viele unerwartete Einblicke in den Umgang mit Tod und Trauer in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt.

Einen sehr ausführlichen Einblick in die Welt der Totenpflege und Bestattung bietet der Band »Todesmutig«, der anlässlich einergleichnamigen Ausstellung im Kasseler Museum für Sepulkralkultur 2006 erschien. Reich bebildert, gliedert sich der Inhalt in Bereiche von der Zeit kurz nach dem Tod, der Verkündung des Todes, über das Waschen und Anziehen der Toten, die Toten- und Trauerbekleidung bis hin zu den Trägern der Leiche, den GrabrednerInnen und den heutigen Bestattungsunternehmen.

Anja Spangenberg

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