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Chatten und Gruscheln

Wenn Darmstadts Teenies ins Internet gehen, leuchtet ihnen auf vielen Monitoren die Farbe Pink entgegen, die Website des SchuelerVZ, ein Online-Portal für Schülerinnen und Schüler, ein junger Ableger des StudiVZ, in dem sich Studierende schon seit einem Jahr virtuell treffen.

Seit dem Eintritt des Schülerverzeichnis ins virtuelle Leben Anfang dieses Jahres tummelten sich schon nach drei Monaten weit über 300.000 Jugendliche aus dem deutschsprachigen Raum in dem neuen Netzwerk, das ihnen alternativ zur Schule einen eigenen sozialen Raum anbietet. Hier können sie nach Lust und Laune chatten (miteinander schriftlich plaudern), eigene Homepages verlinken (verknüpfen), eigene Fotoalben und ein eigenes Profil ins Netz stellen, die Bilder der anderen betrachten und bundesweit Spielkameraden aus der Sandkastenzeit wieder entdecken.

Viele Mädchen stürzen sich sofort nach der Schule auf die Website: »Wer hat mir geschrieben, wer hat mir Freundschaft angeboten? Hat eine Klassenkameradin neue Fotos ins Netz gestellt?« Und sie schreiben, was das Zeug hält, Mitteilungen an die Freundin, was sie heute wieder erlebt haben, welcher Lehrer ungerecht war, welcher neue Film unter YouTube (Online-Portal für selbst hergestellte Filme jeder Art) unbedingt sehenswert ist. Es werden Fanklubs für LehrerInnen gegründet, aber genauso viele Hassgruppen oder andere Interessensgemeinschaften. Gelegentlich ist es passiert, dass übles E-Mailgeplauder gegen Lehrkräfte unter einer Suchmaschine im Internet gefunden wurde, wie auch immer der Text dorthin kam, denn eigentlich sind die privaten Gespräche im abgeschlossenen Raum nicht allen zugänglich. Geschriebenes bleibt nicht immer geheim, es ist einfach zu kopieren.

Was tun die Jungen? Sie chatten auch, doch lieber in anderen Zusammenhängen wie Online-Spielen. Was sie noch viel lieber tun, die netten Fotos der süßen Girls aus der Parallelklasse betrachten. Und dabei wird schon mal die eine oder andere »gegruschelt«. Das zusammengesetzte Internet-Modewort gruscheln kommt von grüßen und kuscheln, es ist eine freundliche, aber auch intime Geste, die von der falschen Person eingesetzt, schnell zur unangenehmen Grenzüberschreitung werden kann. Wer wird schon gern von unangenehmen Zeitgenossen gekuschelt? In der letzten Mai-Nummer von EMMA wurde ausführlich über einen Fall im StudiVZ berichtet. Männliche Studenten schlossen sich in Gruppen zusammen, führten eine Misswahl durch anhand der Fotos von Studentinnen, die sie besonders sexy fanden. Die Auserwählte wurde dann von unzähligen unbekannten Kommilitonen gegruschelt und mit sexistischen Kommentaren auf ihrer virtuellen Pinnwand zugemüllt.

Aus dieser Erfahrung wurde mittlerweile sowohl für das StudiVZ als auch das SchuelerVZ ein Verhaltenskodex entwickelt. Normalerweise kommt eine Person nur über die Referenz einer anderen ins Verzeichnis, was wiederum einfach ist und anonym über das Internet gut funktioniert. So ist auch hier Stalkern Tür und Tor geöffnet. Daher ist Vorsicht geboten, was persönliche Daten wie Adresse und Telefonnummer betrifft. Sowohl rassistische als auch sexistische Inhalte und Bilder, auch die Gewalt verherrlichen, sind untersagt, können gemeldet und von den Verantwortlichen entfernt werden (unklar ist, ob sie es denn auch tun). Unangenehme Kontakte kann man von der eigenen Profilseite verbannen und den unerwünschten Schreibern jederzeit die Einsichtrechte entziehen.

Bis jetzt ist das Online-Portal ohne Werbung, die Nutzung kostenlos, dennoch stellt es bereits einen riesigen Wirtschaftsfaktor dar.

Gundula Pause

Im Text genannte Web-Adressen:

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