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Mädchen - Power-Frauen der Zukunft
Welche Erziehung brauchen sie heute?

Junge Frauen haben heute die Nase vorn, wenn es um Bildungschancen und deren Nutzung geht.

Informationen, die derzeit speziell über Mädchen und junge Frauen veröffentlicht werden, scheinen widersprüchlich zu sein: Der Spiegel berichtet über "Die Alpha-Mädchen. Wie eine neue Generation von Frauen die Männer überholt", DIE ZEIT "Woher haben sie das? Alle erzieherischen Versuche, aus Jungen und Mädchen geschlechtsneutrale Wesen zu machen, sind gescheitert. Gegen die Natur kommt nur an, wer sie akzeptiert", und die neueste Shell-Studie (Befragung von 2 500 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren) überrascht mit einem neuen Trend zu sozialer Anpassung. "Man sieht eine Generation, die alle Erwartungen der Gesellschaft nach Verantwortung, Leistungsbereitschaft und Familiensinn erfüllt", resümiert die Studie. Für manche klingt das nach totaler Anpassung oder, wohlwollender ausgedrückt, bester Visitenkarte. Für andere wie die totale Aufgabe der Jugendkultur. Was steckt wirklich dahinter? Hier offenbart die Shell- Studie Trends, die nachdenklich stimmen. Offenbar leiden immer mehr Jugendliche unter Zukunftsängsten. Sie versuchen diese mit verstärkter Zielstrebigkeit bzw. Leistungsorientierung zu kompensieren; sie stellen hohe Anforderungen an sich selbst und/oder schöpfen alle Möglichkeiten für eine gute Ausbildung aus. Andererseits ist eine starke Orientierung an den sozialen Ressourcen im nahen Umfeld, ein Festhalten an der Peergroup und der Familie zu beobachten.

Mädchen und Jungen heute

Aber es gibt auch andere Jugendliche, die sich zwar auch an Peergroups orientieren, doch nicht an der vorgenannten; diese (er-)freuen sich an der sich entwickelnden Sexualität und wirken nach außen sehr locker - eben cool und älter, als sie in Wirklichkeit sind. Mode und Körpergröße verstärken die Ausstrahlung. Kommunikation über das Internet, das Chatten, ist so wichtig, dass dafür auch (mal) Nächte geopfert werden. Das ist speziell für Mädchen, die nicht telefonieren wollen bzw. dürfen, eine Möglichkeit des fast ungebremsten Austauschs. Wichtig ist auch -und überhaupt - das "Cool"-Sein. Diese "Coolness" kann auch eine Art Leistungsverweigerung sein und/oder äußert sich darin, nur so viel in der Schule zu tun, um eben über die Runden zu kommen. Diese Gruppe von Mädchen - und vor allem Jungen - scheint nicht so stromlinienförmig zu sein wie die zielstrebigen Leistungsorientierten. Oder zählen sie zu der sozialen Kluft, welche die Shell-Studie auch ausgemacht hat? Während immerhin noch 57 Prozent der Gymnasiasten sich eher zuversichtlich zeigen, was die eigene Perspektive betrifft, sind es unter den Hauptschülern nur noch 38 Prozent.

Noch ein anderer Unterschied verdient Aufmerksamkeit: Junge Frauen haben laut Shell-Befragung derzeit die Nase vorn, wenn es darum geht, Bildungschancen zu nutzen. Von ihnen besuchen schon jetzt 47 Prozent ein Gymnasium (im Gegensatz von nur 40 Prozent der Jungen), und 55 Prozent wünschen, die Schulzeit mit dem Abitur zu beenden. Dieser Ehrgeiz ist bei Jungen nicht zu beobachten. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann fi ndet das sehr bedenklich und meinte gegenüber dem "Tagesspiegel": "Wenn das so weitergeht, dann sind die Frauen bald die Bildungselite in Deutschland, und die Männer sammeln sich in Hauptschulen und Sonderschulen, sie werden dann abgehängt."

Junge Frauen heute: "flexibler, fleißiger und erfolgreicher"

Die heutigen jungen Frauen sind eben, wie der Autor der Shell-Studie, Klaus Hurrelmann, sagt: "flexibler, fleißiger und erfolgreicher" als Jungen; sie sind auch "durchsetzungswilliger und leistungsstärker als ihre Mütter und Großmütter". Das beginne schon in der Grundschule, wo Mädchen konzentrierter und erfolgreicher bei der Sache seien. Besonders groß ist das Leistungsgefälle in den neuen Bundesländern: dort waren bereits im Jahr 2005 58 Prozent der Abiturienten weiblich. Viele Frauen wandern in den Westen, der ihnen mehr Karrierechancen bietet. Doch nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch im Westen ziehen die Mädchen an den Jungen vorbei. Nach Hurrelmann wachsen viele Jungen immer noch im Glauben auf, dass ihre Rolle als Leitwolf genetisch vorbestimmt sei. Die fl eißigen Mädchen passen nicht in ihr Weltbild. Während sich Jungen immer häufi ger dem Computerspiel oder dem Chatten widmen und ihre Zeit vergeuden, lernen Mädchen vorrangig und chatten dann. So erobern Frauen nach und nach männliche Berufe: inzwischen sind mehr als die Hälfte der Medizinstudenten Frauen, bei den Jurastudenten sind es schon mehr als 50 Prozent. Nur in den technischen Berufen wie den Ingenieurwissenschaften und der Physik liegt der Frauenanteil noch um die 20 Prozent.

Frauen haben schon manche Männerdomäne erobert; man denke nur an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Schiedsrichterinnen in der Bundesliga oder die "Heute-Journal- bzw. "Tagesthemen-Moderatorinnen" Allerdings bei Management-Positionen dominieren in Deutschland nach wie vor Männer - ganz im Gegensatz zu Norwegen und Schweden (s. 89).

Modernes Frauenleben und Karriere

Wenn man jüngsten Erhebungen bzw. der Fachliteratur glauben will, dann sind Karrierehemmnisse, neben den fehlenden gesellschaftlichen Strukturen für berufstätige Frauen und Mütter, die mangelnde Offenheit in der Karriereförderung und - die noch vorherrschende Mentalität bzw. Einstellung der Frauen selbst. Dies sei der wirkliche Knackpunkt überhaupt, so Thea Dorn (in ihrem Buch: "Die F-Klasse"). Die Autorin versucht, der neuen feministischen Bewegung Stichworte zu geben; sie macht bei Frauen nach dem Berufsabschluss "einen kritischen Punkt" aus. Was folgt danach im realen Leben? Beruf, Karriere und der Durchmarsch nach oben?

Eins ist evident: die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen müssen sich ändern, damit Beruf und Familie besser vereinbar werden und Deutschland insgesamt zukunftsfähig bleibt. Statt des Eva-Prinzips muss sich ein zeitgemäßes weibliches Rollenverständnis durchsetzen können. Erste Schritte dazu hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen getan - Stichworte: Elterngeld und Krippenplätze. Haushaltsnahe Hilfen und andere, zum Teil drastische Veränderungen wie in der Steuergesetzgebung werden folgen.

Das demographische Problem und die Wirtschaft

Wie sich Beruf und Karriere vereinbaren lassen, das ist der zweite wichtige Punkt nach dem Berufseinstieg in der weiblichen Biografi e der vom SPIEGEL genannten "Alphamädchen". 80 Prozent der Frauen wollen Kinder und Karriere (die beiden Ks); das hat Soziologe Hurrelmann ebenfalls herausgefunden. Doch die Bereitschaft der Geschlechter, sich auf ein fl exibles Rollenmodell einzulassen, ist extrem unterschiedlich; er nennt es die 40/80 "Katastrophe". Weit mehr als die Hälfte der Männer wünschen sich eine Ehefrau, die ihnen den Rücken freihält. Doch es geht längst nicht mehr nur um Emanzipation und Wahl-Freiheit für Frauen, wie FAZFeuilleton- Chef Frank Schirrmacher im Feuilleton konstatiert: "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird eine der großen Standardfragen an Unternehmen sein, die entweder gewinnen oder untergehen. Schon im nächsten Jahrzehnt werden junge Frauen im Arbeitsleben so dringend gebraucht, dass die Debatte um Rollenbilder... ganz anders geführt werden muss." D.h., Frauen, die beide Ks verwirklichen wollen, brauchen die Kooperation der Männer. Diese wiederum müssen die "verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" aufgeben, die sich, so der Soziologe Ulrich Beck, bei vielen Männern verfestigt habe. Nur so bewegen sich die Geschlechter in Richtung einer Partnerschaft auf Augenhöhe.

Der Zwang zur Selbständigkeit

Auch die familiären Strukturen haben sich enorm verändert. Viele Kinder haben die Scheidung ihrer Eltern kennen gelernt. Familien bzw. Ehen halten nicht mehr ein Leben lang zusammen; immer mehr Alleinerziehende bzw. Patch-Work-Familien entstehen. Frauen können die Ehe nicht mehr als fi nanzielle Lebensversicherung ansehen. Und schon gar nicht mehr, wenn Justizministerin Brigitte Zypries das neue Unterhaltsrecht auf den Weg gebracht hat. Danach wird die Hausfrauenehe nicht mehr belohnt, sondern im Gegenteil: Ex-Ehefrauen und Mütter müssen nach dem dritten Lebensjahr der Kinder wieder berufstätig werden und Geld hinzu verdienen.

Das neue Unterhaltsrecht wird sicherlich heiße gesellschaftspolitische Diskussionen auslösen. Nicht nur die Rangfolge für Kinder und Ex-Ehepartner verschiebt sich; Frauen werden zu mehr Selbständigkeit gezwungen, und Kinder müssen auf diese gesellschaftliche Veränderung vorbereitet werden.

Auch beim Ehegattensplitting wird sich etwas tun. In ihrem Buch: "Wir müssen unser Land für die Frauen verändern", fordert Ursula von der Leyen mehr Gerechtigkeit bei der Besteuerung von Familien und Alleinerziehenden im Sinne einer Honorierung ihrer Leistungen für die Gesellschaft.

Eine neue Erziehung für Mädchen ? ...

Zurück zu dem eingangs erwähnten ZEIT-Artikel: "Woher haben sie das?" Erstaunliches wurde danach in verschiedenen Kindergärten beobachtet. Trotz familiärer Erziehung jenseits der traditionellen Geschlechterklischees spielen zum Beispiel Mädchen immer noch mit Puppen, Jungen schnitzen aus jedem Aststück ein Gewehr, um Monster zu jagen. Es herrscht also "emanzipatorische Steinzeit", wie Burkhard Strassmann formuliert. Was sagt die Forschung dazu? Erziehung und Umwelt könnten nur das gestalten, was ihnen die Natur vorgibt. Kinder im Alter von drei bis sechs haben gelernt, dass sich über das Geschlecht die unübersichtliche Welt grob einteilen lässt. Geschlechterrollen werden noch wie Naturgesetze angesehen. Erst in der Schule, mit zunehmendem Wissen, lernen die Kinder fl exibler mit den Stereotypen umzugehen. Zudem haben die Entwicklungspsychologen herausgefunden: Diejenigen Kinder, welche die biologischen Voraussetzungen akzeptieren, also die Welt gut in weiblich/männlich aufteilen, können später Stereotypen leichter unterscheiden. Folglich sollte frau die Geschlechterdifferenz entspannter betrachten.

... und auch für Jungen!

Zur bereits erwähnten Partnerschaft auf Augenhöhe: die muss jungen Frauen und Männern früh klargemacht werden. Dies fordert auch Ursula von der Leyen in ihrem zusammen mit der Fernsehjournalistin Maria von Welser verfassten Buch. Ziel dabei ist die Selbständigkeit - damit niemand in Abhängigkeit gerät, zum Beispiel bei einer Trennung.

Auf die Frage, ob sie ihre Töchter anders erziehe als ihre Söhne, antwortete die Familienministerin: "Ich erzieh sie nicht anders, aber .... anders als ich selbst erzogen wurde .... Meine Töchter erziehe ich wie meine Söhne, in dem ich ihnen klar mache: 'Du bist verantwortlich für dein eigenes Leben. Und wenn du später Wünsche hast oder Kinder haben willst, musst du selbst dafür sorgen'." Natürlich orientieren sich die Kinder, wie in allen Familien, an Vätern und Müttern. Das Allerwichtigste für Ursula von der Leyen ist jedoch, dass sie mit großer Selbstverständlichkeit über Berufe nachdenken; die Heirat eines reichen Mannes wird gar nicht erst angedacht. Damit es zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe kommen kann, hält sie es zweitens für wichtig, auch Söhne entsprechend auf ihr Leben vorzubereiten. "Natürlich müssen auch sie lernen, dass sie, wenn sie sich Kinder wünschen, nur Kinder haben werden, wenn sie selbst diese Kinder mit erziehen." Für hilfreich bei dieser Vorbereitung hält sie, dass Mädchen wie Jungen ihre Väter als Vorbild im Alltag erleben.

Fazit: Eine neue Mädchenerziehung allein reicht nicht aus. Mädchen und Jungen müssen auf ihre neue gesellschaftliche Rolle vorbereitet und (individuell) erzogen werden. D.h. aber auch, Erziehung im Elternhaus, Kindergarten und Schule muss an diesem Prozess gemeinsam mitwirken - Unternehmen und deren Management sollten diesen wohlwollend und engagiert unterstützen.

Ursula Geiling

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