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Vor allem andern die Musik...

Die Comedian Harmonists im Großen Haus

Ein paar Stühle, Stellwände, ein Klavier oder ein Bühnenvorhang - so reduziert ist das Bühnenbild von Hank Irwin Kittel. Auch die Inszenierung ist ohne Schnörkel und Kitsch. Mit wenig Mitteln wird die Geschichte des wahrscheinlich legendärsten Gesangsquintetts erzählt, die durch einen Zeitungsaufruf von Harry Frommermann (hier Jeffrey Treganza) begann. Mit schnellen Strichen wird die Geschichte der Gruppe von Regisseur Peter Hailer nachgezeichnet. Der Bassist Robert Biberti (von Andreas Daum gesungen) kommt als Erster zur Gruppe dazu. Es folgen der spätere "Ritter vom hohen f" Ari Leschnikoff (Markus Durst), Roman Cycowski (Oleksandr Prytolyuk), Erich Collin, (Andreas Wagner) und als musikalischer Leiter Erwin Bootz (Tobias Engeli). Nach Monaten intensiven Gesangstrainings ist im Spätsommer 1928 das erste gelungene Vorsingen vor dem Agenten Levy, der die Gruppe mit dem Berliner Varietékönig Charell bekannt macht. Und im Theater die Gelegenheit, "Ich hab für Dich Žnen Blumentopf bestellt", "Isabella von Kastilien" und andere Lieder zu hören. 1929 ist dann der große Durchbruch durch ihr erstes Konzert in Leipzig. Die Zeit der vielen Auftritte, des großen Geldes und Erfolgs der Gruppe beginnt. Wir hören die Klassiker "Veronika, der Lenz ist da", "Ein Freund, ein guter Freund", "Mein kleiner grüner Kaktus", "Hallo, was machst Du heut, Daisy".

Der Auftritt in der Berliner Philharmonie mit dem Erfolg, daß die Comedian Harmonists nicht nur Vergnügen, sondern nun auch Kunst werden. Schon ein Jahr später wendet sich jedoch mit der Machtübernahme Hitlers das Blatt und im März 1934 gibt die Gruppe ihr letztes Konzert in München. Ihr Lied "Auf Wiedersehen, my Dear" bekommt vor dem Hintergrund des endgültigen Abschieds von der deutschen Bühne einen traurigen Beiklang. Erich Collin, Harry Frommermann und Roman erhalten Berufsverbot. Die lebensnotwendige Entscheidung, Deutschland zu verlassen ist für sie, die an Deutschland hängen, besonders schwer. Es folgen noch einige Konzerte im Ausland, doch die Zeit der großen Erfolge ist vorüber. Die Gruppe trennt sich.

Das Stück ist eine kurzweilige Mischung aus Biographie der Gruppe, mit wichtigen Details und knapp erzählt. Revue, mit dem glänzenden Allroundtalent Jean-Michel Räber, der als Conférencier, Agent und in viele andre Rollen schlüpft, die Szenen miteinander verknüpft.

Und Konzert- und das ist das Wichtigste an diesem Abend. Die ganzen bekannten Schmachtfetzen, die Klassiker der Gruppe, alle werden sie gesungen, und das macht Spaß. Rund 20 Stücke der Comedian Harmonists werden vorgetragen, bis auf ein Stück alle neu arrangiert. Das macht auch den Unterschied: klar, daß die Sänger allesamt gut sind, und die Lieder nett klingen. Es ist ein angenehmer, nicht oberflächlicher Abend. Nur an die richtigen Comedian Harmonists mit ihrer unglaublichen Leichtigkeit, ihrem virtuosen Schmelz und auch Witz kommen sie musikalisch nicht heran. Das sollte frau vielleicht auch gar nicht erst erwarten. Aber deswegen kaufe ich auch nicht die ab sofort im Theater erhältliche CD mit den aufgenommenen Liedern für 15 €, sondern lege lieber die »Echten" auf.

Julia Reichelt

Zugrunde liegt dem Stück von Gottfried Greiffenhagen und Franz Wittenbrink das sehr lesenswerte Buch über die Comedian Harmonists von Eberhard Fechner, der 1975 einen Dokumentarfilm über die Gesangsgruppe gedreht hat.

  • Eberhard Fechner: Die Comedian Harmonists.
    Sechs Lebensläufe, München 1999

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