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Pianistin zu werden - "...ist Leidenschaft und ganz harte Arbeit."

Nina Vasilyeva-Imas, Dozentin der Musikwissenschaften

Nina Vasilyeva-Imas, M.A., 1953 in Taschkent geboren, Dozentin der Musikwissenschaften.

Die ausgebildete Pianistin wuchs in Taschkent auf, der Hauptstadt Usbekistans. Diese multinationale Millionenmetropole liegt im mittleren Zentralasien, umgeben von der Karakumwüste und dem riesigen Tjan-Schan Gebirge. Nach Abschluss der Höheren Staatlichen Musikschule Taschkent (1971) absolvierte sie ein Studium am Taschkenter Staats-Konservatorium; Abschluss mit Prädikats-Diplom als Konzertpianistin, Klavierpädagogin, Kammermusikerin und Korrepititorin (1976).Anschließend ging sie nach St. Petersburg, um ein Aufbaustudium "Klavier Solo" an der dortigen Staatlichen Musikhochschule zu machen, das sie mit Prädikatsexamen abschloss (1982). Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin am Lehrstuhl "Klavier" der Staatlichen Musikhochschule Taschkent trat sie immer wieder als Konzertpianistin auf: außer in Usbekistan auch in St. Petersburg und in Griechenland; überdies spielte sie Aufnahmen für die Staatl. Usbekischen Rundfunk- und TV-Anstalten ein.

Seit 1996 lebt Nina Vasilyeva mit ihrem Mann Dr. Alexander Imas in Darmstadt. Sie gab Konzerte in Darmstadt, Saarbrücken und Dresden und ist als Privatlehrerin und Dozentin in der hiesigen Klavierwerkstatt tätig.

Nina Vasilyeva-Imas, ich freue mich, mit Ihnen dieses Gespräch für unser Sonderheft führen zu dürfen. Wie kamen Sie zur Musik und speziell zum Klavierspiel?

Ganz natürlich: Meine Eltern waren beide Professoren an der Musikhochschule. Und einfach: ich bin mit Musik geboren worden, und mit Sicherheit gab es sie schon vor meiner Geburt. Es stand nie in Frage, welchen Beruf ich ergreifen würde oder sollte. Mit ungefähr fünf Jahren habe ich begonnen Klavier zu spielen. Mit sieben wurde ich in die Musikschule für hochbegabte Kinder an der staatlichen Musikhochschule Taschkent aufgenommen (so etwas gab es in der ehemaligen Sowjetunion). Diese Schule habe ich elf Jahre lang besucht und dort auch einen Abschluss gemacht. Dann studierte ich fünf Jahre an der Musikhochschule Taschkent; später absolvierte ich ein Aufbaustudium bei Prof. Icharev am Rimsky-Korsakow-Konservatorium in St. Petersburg. Danach arbeitete ich fast 20 Jahre lang als Musiklehrerin und später als Dozentin für Klavier in Taschkent; außerdem trat ich als Konzert-Pianistin auf.

Wo haben Sie Konzerte gegeben?

Natürlich in St. Petersburg, vor allem aber in Usbekistan. Das Land ist sehr groß und kulturell sehr interessant; besonders Taschkent ist sehr multinational und -kulturell geprägt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das St. Petersburger Konservatorium nicht von ungefähr nach Taschkent evakuiert.

Die Musik spielte schon sehr früh in Ihrem Leben eine große Rolle - und tut es immer noch. Welche Komponisten und Komponistinnen spielen Sie am liebsten?

Das kann ich nicht genau sagen; das ist phasenweise verschieden. Letztes Jahr habe ich ganz leidenschaftlich Schostakowitsch gespielt, den ich zu den größten Komponisten des 20. Jahrhunderts zähle. Das hervorragende Buch "Künstler und Zar" von Solomon Wolkow hat mich zu einem Konzert mit Lesung inspiriert. Das habe ich zusammen mit meinen Kollegen und dem Schauspieler Horst Schäfer in Pfungstadt und Darmstadt aufgeführt. Zufällig fiel dies mit dem 100. Geburtstag des Komponisten zusammen. Aber wenn ich lange moderne, zeitgenössische Musik gespielt habe, habe ich plötzlich das Bedürfnis nach romantischer oder klassischer Musik. Es gibt einfach verschiedene Phasen...

Auch bestimmte Stimmungen?

Eher Bedürfnisse, manchmal auch den Wunsch, gleiche Gefühle auf andere Art auszudrücken.

Kann man sagen, dass Berufe wie Klavierlehrer oder Pianist mittlerweile eher von Frauen ausgeübt werden bzw. Frauenberufe sind?

Ja und nein: Klavierlehrer für Kinder sind meistens Frauen. Es ist häufig auch eine Art Mutter-Kind-Beziehung und eine Erziehungssache. Aber als Künstlerin oder Pianistin kann man nicht sagen, dass es ein Frauenberuf ist. Diese Kunst braucht manchmal eine nüchterne, "männliche" Denkweise, ganz zu schweigen von der seelischen und körperlichen Kraft, aber natürlich auch Gefühl und Intuition.

Wie wird man Pianistin?

Es ist Leidenschaft und ganz harte Arbeit. Es ist Gefühl, Kunst, es ist aber auch eine Art Leistungssport. Und wenn man in Form bleiben will, muss man jeden Tag üben, also hart arbeiten - genauso wie beim Leistungssport. Wenn ich mich auf ein Konzert vorbereite, bin ich immer im Stress, und dann, nach der Entspannung und bei langen Pausen zwischen den Konzerten, hänge ich durch - denn ich habe ein wirklich großes Bedürfnis nach dieser kreativen Arbeit.

Aber in Ihrem Leben, das ja sehr kontinuierlich und erfolgreich verlief, gab es auch einen Bruch, quasi eine Zäsur, und zwar, als Sie nach Deutschland auswanderten...

Es war schwer, aber ich habe mich darauf seelisch vorbereitet: nach einer Anfangsphase, wenn ich wieder meinen Beruf ausüben könnte, wäre das ein ganz großes Glück - so meine Vorstellung. Ich habe mit Hilfe von Freunden begonnen, zunächst kostenlos Konzerte zu geben - und dann immer weiter. Man muss immer wieder etwas Neues planen und anbieten. Leider ist ein Konzert etwas Vergängliches, nicht so beständig wie die Malerei. Hinzukommt die große Konkurrenz. Es gibt sehr viele gute Musiker. Derzeit mache ich mir viele Gedanken, und zwar über die Zuhörer. Ich habe den Eindruck, wir verlieren zu viele Zuhörer und gewinnen zu wenige hinzu. Für die klassische Musik-Erziehung von früher Kindheit an wird zu wenig getan. Es gibt z.B. zu wenige Veranstaltungen für Kinder und mit Kindern. Auch in den Kinderfunksendungen des HR ("Domino"), die ich gerne höre, wird sehr wenig oder selten klassische Musik gespielt. Die Kinder werden einfach nicht für den Konzertsaal vorbereitet - wir Musiker verlieren sie als künftiges Publikum. Es gibt einfach zu wenig Musik und Kunst speziell für Kinder in den Medien, was ich sehr bedaure.

Letzte Frage: gibt es eine typisch weibliche Art der Musik- Interpretation?

»Typisch weiblich« klingt in diesem Zusammenhang eher negativ. Ein Pianist oder eine Pianistin ist wie ein guter Schauspieler. Man nimmt das Geschlecht an, das die Musik in jenem Moment braucht - entweder zart und leise oder eher kraftvoll und voll-tönend, um das Spektrum anzudeuten. Die Interpretation kann auch neutral sein. Mit Klängen kann eine Musikerin oder ein Musiker erzählen, zeigen, denken, fühlen, malen - einfach Musik hervorzaubern.

Ursula Geiling

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