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Frauenbands

"Die spielen da oben - und das sieht wahnsinnig toll aus!"

Rita Eichelbaum, Musikerin der Berliner Frauenband Lysistrara (1978)

Zu den Zeiten der Beatles sind die Rockgruppen nur so aus dem Boden geschossen, alle annähernd musikalischen Jugendlichen waren heiß darauf, in einer Band zu spielen. Papas spendierten E-Gitarren, oder auch ein Schlagzeug. Irgendwo fand sich noch ein leer stehender Kellerraum, der einigermaßen schallisoliert war. Alle Jugendlichen … nein, nicht alle … Mädchen wollten auch gern, aber kaum ein Vater fand es Wert, in die weibliche Jugend zu investieren. Singen durften sie bisweilen, im Minirock dekorativ auf der Bühne stehen, aber eine Gitarre vor den Bauch halten …

Das waren die Sechziger. Ausnahmen gab es sicher, aber sie zu suchen wäre wie Stecknadeln im Heuhaufen.

Die Siebziger waren frauenbewegt. Frauengruppen entstanden in allen größeren Städten. In Frankfurt trafen sich einige Frauen und packten ihre Gefühle in Verse. Italienische Arbeiterlieder wurden feministisch vertont, der kubanische Commandante Che Guevara wurde zu Tante Clara, eine Commandante, die "Liebe, Hass und auch Furcht sah". Unter einfachen studio-technischen Bedingungen mit Klavier, Gitarre, Flöte und Tröte wurde mehrstimmig gesungen: »Von heute an gibt's mein Programm!«

Frauenfeste wurden ausschweifend gefeiert, und es war nicht mehr vertretbar, zu Männermusik zu tanzen. Eigene Frauenmusikgruppen mussten her - und zum Muttertagsfest 1974 in Berlin erlebten die Frauen den ersten Auftritt der späteren Flying Lesbians. Die Musikerinnen spielten anfangs bekannte Rock-Stücke und die Frauen waren hellauf begeistert. Frauen applaudierten den Musikerinnen auf der Bühne begeistert zu, es war wichtig, dass es Frauen waren, denen sie zujubelten.

1976 wurde dann die Musik auf Platte gepresst und damit allen Frauen zugänglich, die nicht diese damals bekannteste, deutsche Lesben- und Frauenband für ihr Fest engagieren konnten. Ein Jahr später zum nächsten Mutttertagsfest spielten die Flying Lesbians zum letzten, Lysistrara zum ersten Mal. Es sollte einen fließenden Übergang zwischen beiden Gruppierungen geben.

Damit einher ging auch die Veränderung der Inhalte von rein agitatorischen zu differenzierten Texten und musikalischen Interpretationen. Was die Musik betrifft, so war die Frage der Stilrichtung bei den ersten Frauenbands relativ unbedeutend. Rita Eichelbaum (Lysistrara) erzählte: »Da gab es so wenige Frauen, die Musik gemacht haben, dass die wenigen dann unbedingt eine Band machen mussten und deswegen ergab sich erstmal ein stilistischer Mischmasch. Da kannst du nicht sagen, wir machen Blues-Rock oder Jazz-Rock, sondern da muss jede das machen, was sie kann.«

Und jetzt sprossen sie aus allen Städten, Unterrock, eine Rockgruppe aus Hannover, Xanthippe aus Heidelberg, FraueNerv aus Zürich. Sie setzten sich immer wieder neu zusammen und probierten unterschiedliche Musikstile aus. Lesperado in Berlin spielte in erster Linie Instrumentalstücke, in denen sie ihre Lust an der Musik ausleben wollten. Ihnen ging es um die Kommunikation innerhalb der Band und mit dem Publikum.

Pimpanella Paprika waren altersmäßig die jüngsten, fünf Musikerinnen aus Obertshausen bei Offenbach spielten seit 1977 Rock- und Blues-Stücke mit eigenen fetzigen Texten und gaben wie andere ein eigenes Textheft heraus.

Frauen hatten sich die Musikszene erobert. Jetzt kamen auch Musikerinnen zum Zug, die nicht über die feministische Schiene den Eingang fanden. Waren es zu Beginn eher die Sängerinnen, die eine Männerband aufpeppten, so kamen sie jetzt auf allen Instrumenten daher - häufig waren es Saxophonistinnen und erstaunlich viele Bassistinnen, doch kaum E-Gitarristinnen oder Blechbläserinnen.

Junge Schülerinnen starten heute schon in Schul-Big-Bands ihre Karriere als Saxofonistin oder Pianistin. Trompete ist weniger beliebt, aber vor Bass und Schlagzeug gibt es keine Scheu mehr.

Wie sieht es aus mit den Frauen in der Musikindustrie? In wie weit können sie ihre Präsentation und Musikrichtung bestimmen? Abschreckende Beispiele sind Sängerinnen wie Rihanna, die sich aufreizend in ihren Video-Clips vor den männlichen Blicken offenherzig und grell geschminkt vorspielartig auf einem Klavier räkeln (Unfaithful Rihanna).

Die großen Musikfirmen drängen Frauen schnell in derartige Rollen, da sie den bestmöglichen Absatz ihrer Produkte erreichen wollen. Allerdings gibt es einige Frauen, die sich gar nicht vereinnahmen lassen, wie die Gitarristin Ani DiFranco, eine tolle Musikerin aus Italien, die mit neunzehn ihre eigene Plattenfirma gegründet hat und schon unglaublich viele CDs gemacht hat.

Viele Frauenbands wie Kick la Luna gründeten eigene Independent Labels. Glücklicherweise gibt es, dank Internet, mittlerweile eine große Auswahl frauendominierter Labels und Agenturen, die es Frauen erleichtern, ihre Musik selbstbestimmt zu vermarkten.

Wer nach aktuellen Frauenbands Ausschau halten will, für die lohnt es, bei Tikala, dem Frauenmusikversand vorbeizuschauen. Im Internet unter www.tikala.de findet ihr CD-Angebote und Musikbeispiele von Gruppen aus aller Welt wie: Bella_Poona 9CH, eine Marseiller Lesbenband in futuristischem Stil, Lesbians on Extasy, deren explosiver Sound ohrenbetäubend ist. Welche es sanfter mag und auf Saxofonklänge abfährt, die sollte sich von Flex à Ton verzaubern lassen, zwei Frauen aus dem Nordhessischen, deren Eigenkompositionen eine träumen und lachen, tanzen und mitsummen lässt.

Gundula Pause

Ende der siebziger Jahre sind eine ganze Reihe von Frauenmusikbüchern erschienen, eins davon ist:
Von Oma Punk zum Plättli-Blues
zusammengestellt von Gundula Pause.
Es sind noch wenige Exemplare erhältlich,
nachzufragen unter: 06151 - 59 50 37.

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