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Das Interview führten und übersetzten Eva Bahl und Judith Goetz
Eva Bahl
studiert Anthropologie und Politikwissenschaft,
Judith Goetz
studiert Vergleichende Literaturwissenschaft und Politikwissenschaft.
Beide befinden sich derzeit auf Auslandsjahr in Buenos Aires, Argentinien
und forschen zu Frauenbewegungen in Lateinamerika.
Heute bist du Direktorin von zwei Theatergruppen, einerseits des Frauentheaters und andererseits einer Unitheatergruppe. Wie schaut der Arbeitsprozess bei beiden Gruppen im Konkreten aus, gibt es dabei Unterschiede und welche Rolle spielst du dabei?
Ursprünglich hatten wir in der « 8.März » Theatergruppe die Idee, die
Stücke gemeinsam zu schreiben, so ganz nach dem Prinzip alles ist von
allen. Aber irgendwann sind wir draufgekommen, dass es doch kein kollektives
Arbeiten war, weil sich die Frauen einfach unterschiedlich einbrachten.
Manche machten viel mehr Arbeit als andere und es lag auch nicht allen,
sich in ein Thema einzuarbeiten und es kreativ auszugestalten. Daraufhin
hatten wir viele Diskussionen, in denen wir zu dem Schluss kamen, dass
es in Wirklichkeit kein gemeinsamer Schaffensprozess war. So bin ich
schlussendlich Dramaturgin und Direktorin geworden. Beim unserem neuen
Stück, an dem wir gerade arbeiten, ist es anders, da bringen sich wieder
alle viel mehr ein. Es soll ein Stück über einen Katechismus der Frauen
und des Frauseins werden. Zuvor hatten wir nämlich versucht in « No
me toques el mamut » (Greif mir das Mammut nicht an) den Katechismus
der Männer bzw. des Mannseins darzustellen. Das Mammut war für uns ein
Symbol für die scheinbar unantastbare Mächtigkeit des machistischen
Denkens, das so veraltet ist und in einer heutigen Gesellschaft eigentlich
nichts mehr verloren hat. Aber Mammuts gibt‘s in Venezuela leider immer
noch sehr, sehr viele. In der Unitheatergruppe, die ich betreue, versuche
ich mehr das gemeinschaftliche Erarbeiten der Stücke anzuregen, aber
leider haben die StudentInnen oftmals auch einfach nicht genug Zeit,
um Recherchen zu machen und sich gut einzuarbeiten.
Im Unitheater gibt es nicht nur Frauen und so behandeln wir eine weitere
Spannbreite an Themen. Meine Weltsicht fließt aber natürlich auch in
diese Stücke ein. So haben wir uns z.B. in unserem letzten Stück « Cuchillos »
(Messer) mit Schönheitsoperationen, dem Kult um Körper, Schönheit etc.
auseinandergesetzt, ein Thema, das sicher in erster Linie Frauen betrifft,
aber nicht nur, da es ja auch Männer gibt, die sich unters Messer legen.
Mir gefällt die Abwechslung durch beide Gruppen ganz gut und ich kann
mit dem « 8. März » Theater einerseits und der Unitheatergruppe andererseits
genau die Themen bearbeiten, die mir liegen, mir wichtig sind und mich
wirklich bewegen. Es war eine Frage von Leidenschaft und Zeit, und daraus
ist das geworden, was ich immer machen wollte.
Seit über zehn Jahren bis du jetzt im « 8.März » Theater aktiv. Wodurch zeichnen sich deine feministischen Stücke heute aus?
Der Sarkasmus spielt sicher eine bedeutende Rolle in meinen Stücken. Das war aber keine Entscheidung, die ich getroffen habe, es hat sich einfach im Laufe meiner Arbeit gezeigt, dass es funktioniert, Feminismus bzw. feministische Kritik an der Realität durch Sarkasmus zum Ausdruck zu bringen. Diese Methode erleichtert zumindest mir den Zugang und ist im Grunde genommen für alle Themen ganz gut anwendbar, nicht nur für den Feminismus, auch dramatische Themen lassen sich auf diese Weise verarbeiten, auch wenn ich Probleme damit habe, z.B. den Tod, den Missbrauch von Frauen, Folter etc. zu behandeln. « Ellas hablan solas » (Sie sprechen selbst) ist ein Stück, das wir im « 8. März » Theater aufgeführt haben und das sich mit Frauen als Opfern von Gewalt auseinandersetzt. Im Grunde genommen haben wir dabei versucht, in Worte zu fassen, was wir über Gewalt wussten. Viele Frauen aus der Theatergruppe sind auch in der « Casa de la Mujer » tätig und haben daher viel Erfahrung mit dem Thema und so hat die Arbeit an dem Werk auch einen Verarbeitungsprozess dargestellt. Das Stück ist jedoch etwas anderes als unser Leben. Wir hatten weniger Angst davor, uns mit Gewalt zu beschäftigen, als davor, wie wir uns damit auseinandersetzen sollten. Gewalt ist ein sehr hartes Thema, das mich auch persönlich sehr bewegt und mir auch die Grenzen meiner Möglichkeiten aufgezeigt hat. Zuvor habe ich immer mit Ironie, Parodie und Sarkasmus gearbeitet, um feministische Kritiken zum Ausdruck zu bringen. Das ging bei dem Thema nicht mehr, es ist eindeutig ein Thema, bei dem man/ frau nicht lachen kann. Es ist mir schwer gefallen, Frauen als Opfer darzustellen, mir liegt die sarkastische Kritik eher. Sarkasmus ist wahrscheinlich das zentrale Element, das es mir ermöglicht, feministische Kritik und Theater miteinander zu verbinden, mein Markenzeichen vielleicht.
Das Theater hat dich durch deine ganze Lebensgeschichte begleitet. Wie bist du zum Theater gekommen und was hat deine Arbeit am meisten beeinflusst?
In meiner Kindheit in Spanien - ich bin nämlich in Spanien geboren - gab es für mich stets die Notwendigkeit und zum Glück auch die Möglichkeit, aus der realen Welt des Faschismus und Katholizismus zu fliehen, und mir eine fiktive Welt zu schaffen. Diese Kindheitsspiele haben meine Beziehung zum Theater wie auch meine Theaterarbeit lange Zeit geprägt. Mit dem Strassentheater hab ich angefangen, als ich schon in Venezuela war. Ausgebildet bin ich eigentlich als Literaturlehrerin, aber ich habe in meinem ganzen Leben nur eine einzige Klasse unterrichtet, weil ich mich mit dem Bildungssystem einfach nicht anfreunden konnte. Ich hatte das Gefühl, dass ich meine Zeit damit verschwenden würde, den Kindern Bücher aufzuzwingen, mit denen ich selbst nicht unbedingt einverstanden war. Theaterklassen habe ich gern unterrichtet, da gibt es viel mehr Freiheiten und es macht mir auch bis heute Spaß, zu Literaturunterricht konnte ich mich jedoch nie wieder durchringen. Kunstschulen gibt es in Venezuela erst seit kurzem und ich bin mir gar nicht sicher, ob es heute überhaupt möglich ist, Regie zu studieren, ich weiß nur von Kursen. Vor meiner Tätigkeit im « 8. März » Theater habe ich 10 Jahre lang Theaterworkshops für Kinder an der Schule meiner Töchter gegeben, was sicher auch einen wichtigen Teil meiner Ausbildung ausmacht.
Theaterarbeit mit Kindern ähnelt sicher auch einem Spiel. Hast du die Fantasiewelt, die du vorhin beschrieben hast, auch bei den Kindern angetroffen, mit denen du gearbeitet hast?
Die Arbeit mit den Kindern hat meine Beziehung zum Theater tatsächlich auch noch mal maßgeblich beeinflusst, weil ich dort unglaublich viel über die Theaterarbeit gelernt habe. Meistens waren es Mädchen, die teilgenommen haben, denn die Jungs müssen ja - wie es sich für Männer gehört und auch die familiäre Erziehung ist - Fußball spielen und nicht Theater machen. Hin und wieder sind zwar schon ein paar vorbeigekommen, aber ich habe in erster Linie mit Mädchen gearbeitet. Ich war wirklich erstaunt von ihrem Talent, ihrer Initiative, ihren Ausdrucksmöglichkeiten, manchmal war ich wahrscheinlich auch eifersüchtig. Ich hatte auch einfach viel Glück weil sie alle so super-talentiert waren. Eigentlich war es wie ein Spiel und doch wieder nicht, weil die Mädchen sich sehr bewusst waren, dass das, was sie machten, auch dazu da war, gesehen zu werden. Manchmal war auch Zensur notwendig weil sie halt wirklich alles erzählten, was zu Hause passierte und das wäre bei den Aufführungen für manche Eltern sicher unangenehm geworden. Aber meistens habe ich einfach nur gewartet, was kam und die Dinge entstehen lassen, sie geordnet und so auch auf gewisse Art und Weise gelernt, Regie zu führen. Natürlich gibt es diese Methode auch im Improvisationstheater, ich hab sie allerdings auf diese Weise gelernt und setze sie so noch heute gerne ein. Die Theaterworkshops haben auch für die Mädchen einen besonderen Raum dargestellt, einen Ort an dem sie sich ausdrücken konnten, einen Ort der Freiheiten.