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Andrea Ypsilanti, 49, Dipl-Soz., Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2008, ist seit 2003 Vorsitzende der hessischen SPD und seit Ende 2006 Fraktionsvorsitzende. Die Tochter eines Opel-Arbeiters aus Rüsselsheim arbeitete nach dem Abitur (1976) zunächst bei der ESOC in Darmstadt und bei Sperry Univac Sulzbach als Sekretärin und dann drei Jahre als Stewardess bei der Lufthansa. Nach ihrer Familienpause studierte sie in Frankfurt Soziologie. Seit 1986 ist sie SPD-Mitglied; 1999 zog sie für ihre Partei als Abgeordnete in den Landtag. Die Politikerin lebt mit ihrer Familie in Frankfurt a.M.

Frauen drängen an die Macht

Nicht nur international, sondern auch regional sind die Frauen auf dem Vormarsch in der Politik. Auch Hessenhat eine Frau an der SPD-Spitze.

Interview mit Andrea Ypsilanti, Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl 2008

 

Frau Ypsilanti, nun sind Sie ja - zusätzlich zur hessischen SPD-Vorsitzenden - auch gerade Fraktionsvorsitzende geworden. Sie haben sich also in der Partei durchgesetzt, obwohl es ja zeitweise nicht gut für Sie aussah. Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?

Frauen in der Politik wissen, dass sie einen langen Atem haben müssen. Frauen, die sich durchsetzen und ganz nach oben wollen, also Führungspositionen einnehmen wollen, die wissen, dass sie kämpfen müssen. Das habe ich getan und das hat viele überzeugt.

Sie haben ein großes Ziel vor Augen: Sie wollen die SPD in Hessen wieder an die Macht bringen und Regierungsverantwortung übernehmen. Wo nehmen Sie die Kraft her?

Ich bin ein sehr disziplinierter Mensch und lebe gesund. Ich bekomme die Kraft von meiner Familie und meinen Freunden, auf die ich mich verlassen kann. Ich will wirklich etwas verändern und habe Leidenschaft für die Politik. Und das gibt mir Kraft.

Das Frauenvotum war in den letzten Jahren oft entscheidend bei Wahlen. Wie wollen Sie die Frauen motivieren, zur Wahl zu gehen und SPD zu wählen?

Ich glaube, viele Frauen, die an Politik interessiert und zum Teil auch politisch aktiv sind, wollen auch Frauen an der Spitze sehen. Sie erwarten, dass Frauen ihre Probleme, die der Vereinbarkeit von Familie mit Kindern und Beruf – und diese Probleme sind ja auch ein Teil meiner Biographie - sehr gut verstehen. Ich glaube, ich habe nicht nur die richtigen Themen, sondern spüre sie auch, weil ich selbst Mutter und berufstätig bin, und zudem weiß, wie all‘ diese Politikfelder aussehen. Ich kann sie sehr authentisch vertreten.

Mit welchem Programm wollen Sie vor allem ältere Frauen ansprechen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade ältere Frauen, sehr begeistert sind, dass eine Frau an die Spitze der SPD gewählt wurde. Diese Frauen, ihre Töchter und Enkelinnen wünschen, dass sie in der Politik stärker vertreten werden, als sie das bisher in ihrem Leben waren. Z. B. mit guten Schulen, mit guter Kinderbetreuung, um wirklich Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können. Gerade diese Frauen habe mir ganz viel Glück gewünscht.

Und womit wollen sie jüngere Frauen, berufstätige Frauen und Mütter gewinnen?

Das ist mein Hauptthema: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber vor allem die Bildungspolitik, das was Frauen, die Kinder haben, aber auch Frauen, die mitten im Leben stehen, am meisten bewegt. Zum Beispiel, wie bekommen sie das hin, eine gute Ausbildung zu machen und trotzdem Kinder zu haben. Also, Familienpolitik und insbesondere Kinderbetreuungspolitik nicht nur mit flexiblen Zeiten, sondern auch von hoher Qualität, das werden wichtige Themen sein, ebenso wie die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, Ganztagsschulen und Gerechtigkeit in der Bildungspolitik. Auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit hat für Frauen eine ganz hohe Relevanz.

Wie wollen Sie die Gleichberechtigung der Frauen im Alltag verbessern?

Die Frage, wie kann ich berufstätig sein und trotzdem eine qualitativ gute Betreuung für meine Kinder haben, das ist für mich zentral. Ich glaube aber nicht, und dafür stehe ich, dass Frauenpolitik der Familienpolitik untergeordnet werden sollte. Ich glaube auch, ‘frau’ braucht nach wie vor Frauenförderung, also ein Gleichberechtigungsgesetz, was ja in Hessen fast abgeschafft wurde. Damit Frauen, wenn sie im Berufsleben stehen, auch gefördert werden, um dahin zu kommen, vielleicht auch nach ganz oben, wo sie aufgrund ihrer guten Qualifikation auch hinkommen könnten.

Welche Eckpunkte sind in der Bildungspolitik für Sie wichtig z.B. bei Kindergärten und Gesamtschulen?

Für Kinder im Kindergartenalter ist frühkindliche Bildung besonders wichtig. Ich spreche nicht von einem verschulten Kindergarten, sondern von der Möglichkeit, dass Kinder auch hier etwas lernen können: ihre Sprache und ihre Kreativität zu trainieren. Wenn sie in die Schule kommen, sollen sie die gleichen Ausgangspositionen haben wie Kinder, die von zu Hause besser gefördert werden. Für mich steht zentral in der Bildungspolitik die Ganztagsschule und die besteht für mich nicht aus morgens Unterricht und nachmittags etwas Betreuung, sondern ich spreche von Qualität und einem pädagogischen Ansatz. Mir ist wichtig, dass alle Kinder, gleich welcher sozialen Herkunft, die Chance auf bestmöglichen Abschlüsse haben. Das heißt für mich, das Bildungssystem ganz offen und transparent zu machen, das heißt für mich auch langes gemeinsames Lernen bis zur 9. oder 10. Klasse, damit kein Kind mehr beschämt und in ein anderes Schulsystem nach unten abgeschoben wird.

In einer immer noch männerdominierten Partei wie der SPD ist es nicht einfach, sich als Frau zu behaupten. Haben Sie ein Frauennetzwerk, das Sie unterstützt und auf das Sie sich verlassen können?

Ich habe auf jeden Fall Frauen, auf die ich mich verlassen kann. Ein Frauennetzwerk im Sinne von Männerbünden, das ist leider noch nicht sehr ausgeprägt. Was ich aber habe, sind ganz viele Zuschriften von Frauen, die sich jetzt mit mir solidarisieren und mir Unterstützung anbieten, vielleicht gelingt es jetzt ja, ein gutes Frauennetzwerk aufzubauen. Ich hätte großes Interesse daran.

Mehr Frauen in der Politik, das könnte doch nicht schaden, wo doch Frauen an der Spitze der internationalen Politik längst erfolgreich mitspielen - man denke nur an Angela Merkel, Condoleezza Rice oder vielleicht demnächst auch an Ségolème Royal. Wie sieht es denn mit dem Frauennachwuchs in ihrer Partei aus?

Ich glaube, dass ich auch Vorbild sein muss für junge Frauen in der eignen Partei, sie fördern muss. Ich habe mir auch vorgenommen, ihnen zu zeigen, dass es sich lohnt, mutig zu sein, sich durchzuboxen, und dass es sich lohnt, sich mit anderen Frauen zusammen zu tun – so bin ich ja auch in der Partei groß geworden. Das Bewusstsein bei den jungen Frauen ist noch nicht so stark ausgeprägt. Daran müssen wir noch arbeiten.

Letzte Frage: Welche Chancen rechnen sie sich gegen den gewieften Wahlkämpfer Roland Koch aus?

Ich rechne mir sehr gute Chancen aus, weil ich eine völlig andere Politik mache, weil ich eine Politikerin bin und weil ich eine andere politische Kultur ins Spiel bringe. Ich glaube, die Leute haben solch‘ aalglatten, geschulten Rhetoriker wie Roland Koch satt. Er mag zwar gut reden, aber seine Politik spricht ja nun wirklich eine andere Sprache.
Ich möchte Politik für die Mehrheit der Menschen machen, das sind die Frauen mit Kindern, das sind die Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich werde mit alternativen Konzepten zu dem, was jetzt in Hessen läuft, zeigen, dass wir die besseren Antworten haben.

Das Interview führte Uschi Geiling

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