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Die in München geborene Josephine Lang erhielt den ersten Musikunterricht von ihrer Mutter, einer bekannten Sängerin. 1828 komponierte sie ihre ersten Lieder, zwei Jahre später entdeckte Mendelsohn ihr Talent und unterrichtete sie in Musiktheorie. 1840 wurde sie Sängerin am königlichen Hoftheater mit festem Gehalt. Um 1840 waren zehn Liedersammlungen und zahlreiche einzelne Lieder von ihr im Druck erschienen. Sie war also eine gestandene und erfolgreiche Komponistin, als sie im März 1842 den Rechtsgelehrten und Dichter Christian R. Köstlin heiratete. Das Paar zog nach Tübingen. Die Ehe war glücklich und doch drängte offenbar ihre »Ausbildung zur Hausfrau« das musikalische Wirken Josephine Langs zurück. Im Dezember 1842 erschien nicht nur das erste Lied seit mehr als einem Jahr, sondern auch das erste Kind. In ihrer Biografie steht zu lesen: »Rasch folgten einander noch drei Söhne und zwei Töchter. Dass es da an allerlei häuslichen Unruhen, Krankheiten und sonstigem Hauskreuz nicht fehlte, lässt sich denken«. Zu dem erwähnten »Hauskreuz« gehörte, dass der zweite Sohn an Knochentuberkulose litt, die ihn sein ganzes Leben lang pflegebedürftig machte. 1856 starb ihr Mann im Alter von 43 Jahren. Josephine Lang blieb mit ihren sechs Kindern allein zurück. Sie fing an, als Gesangs- und Klavierlehrerin und auch als Komponistin zu arbeiten. Die folgenden Jahre waren schwer. Der älteste Sohn musste wegen einer Geisteskrankheit in eine Heilanstalt.
In schwierigen Zeiten wandte sie sich immer wieder der Kunst zu. Auch als Gesangslehrerin wirkte sie weiter. Sie unterrichtete nicht nur Schülerinnen aus den bürgerlichen Kreisen Tübingens, sondern erteilte auch den württembergischen Prinzen mehrere Jahre Gesangsunterricht.
Josephine Lang geriet mit den Jahren in Vergessenheit, vielleicht weil sie nicht wie Clara Schumann oder Fanny Hensel Mendelsohn mit einem berühmtem Komponisten verheiratet oder verwandt war. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts erlebte ihr Lebenswerk ein »Comeback« durch mehrere Neuausgaben und CD-Aufnahmen ihrer Lieder. Trotz ihres schweren Lebens hinterließ sie ein beachtliches musikalisches Werk.
Welche Probleme Frauen als professionelle Musikerinnen hatten, zeigt beispielhaft ein Brief des Komponisten und Lehrers Ernst Rudorff aus dem Jahr 1881 an den damaligen Rektor der Berliner Musikhochschule, den berühmten Geiger Joseph Joachim: »Ich möchte dich bitten, die Frage ernstlich in Erwägung zu ziehen, ob es richtig ist, dass wir Damen in Orchesterstunden und Aufführungen mitwirken lassen ... Das Hineinpfuschen der Frauen in alle möglichen Gebiete, in die sie nicht hineingehören, ist schon genug an der Tagesordnung«.
Auch heute ist die Musikwelt noch immer männlich dominiert.
Barbara Obermüller
Literatur: