Werden Sie auch eine

MATHILDE

Ganz gerecht und arg gebeutelt

Die Bibel in gerechter Sprache erhitzt die Gemüter

Was ist eigentlich Gerechtigkeit? Ist sie schön oder sperrig? Ist sie lyrisch oder konkret? Und hat sie überhaupt eine Chance, wenn sie mit Tradition und nationalem Kulturerbe konkurrieren muss?

Seit Anfang Oktober 2006 haben ein hochkarätiges 10köpfiges HerausgeberInnenteam, 52 ÜbersetzerInnen und die Güterloher Verlagsgemeinschaft den bisher verwendeten Bibelausgaben eine. Die Bibel in gerechter Sprache nennen sie das Ergebnis, das den Gesamttext der Bibel in einer neuen Übersetzung präsentiert. Die Bibel liegt im Gesamttext der katholischen Ausgabe vor, enthält also auch die apokryphen Bücher. Lesbar soll sie sein und dazu gerecht. Gerecht in den Bereichen Geschlechtergerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und den Hinblick auf den christlich-jüdischen Dialog. Gerecht soll sie auch sein, wenn es um die Gewaltverhältnisse geht. Das was drastisch ist im Urtext und von Luther und seinen Nachfolgern zu sehr geglättet wurde, sollte auch wieder als Gewalt benannt werden.

Die engagierten ChristInnen hatten schon seit den 80er Jahren immer wieder neue Textversionen ihres wichtigsten Buches angefordert, bei Bedarf auch selbst erstellt. Nicht gerade zur Freude von mehreren Pfarrern und Gemeindemitgliedern, die deren Gebrauch immer wieder mit Bezug auf deren »Nichtauthorisierung« boykottierten.

In den späten Neunzigern wird sich vernetzt. »Viele hatten die gleiche Idee«, sagt die prominente Theologin und Mitherausgeberin Luise Schottroff. Deshalb gibt es dann auch im HerausgeberInnenteam keine Schwierigkeiten, sich über die Ziele und Kriterien zu einigen. Was fehlt ist das Geld, um das Projekt zu stemmen. Die evangelische Landeskirche Hessen-Nassau finanziert zwar in Form von Mitherausgeberin Hanne Köhler eine Projekt- und Koordinationsstelle, doch die eigentliche Übersetzung, dieses Mammutprojekt, ist damit nicht gesichert. Die engagierten Luther-AdeptInnen hoffen auf Gott und bauen auf Fundraising. Tasächlich kommen die insgesamt benötigten 400.000 Euro zusammen, um alle biblischen Bücher ins heutige Deutsch übertragen zu können. Luise Metzler, die offizielle Spendenbeauftragte, bietet im Gegenzug eine Nennung in der Bibelübersetzung an.

Vereine, Netzwerke und Einzelpersonen bringen Geld auf, um sich ihr ganz persönliches Lieblingsbuch übersetzen zu lassen, ab 500 Euro aufwärts wird man/frau namentlich erwähnt. Es finden sich auch erstaunlich viele katholische Frauenverbände und ein Lesbennetzwerk oder sogar Ordensgemeinschaften zu Geldspenden bereit, die so ihrer Hoffnung auf einer frauengerechten Sprache auch im katholischen Umfeld Ausdruck geben. ökumenisch kann die Bibelübersetzung nicht sein, da sich die katholische Kirche ein Mitspracherecht vorbehalten hätte. Parallel zur Spendeneinwerbung rührt die Kirchenprominenz in Form eines »Beirats zur Förderung, Unterstützung und Begleitung des Projekts« die Werbetrommel. Das große Arbeitsteam »Bibel in gerechter Sprache« (BigS) kennt sich aus vielen Arbeitszusammenhängen her und so verwundert es nicht, dass sich prominente Namen finden lassen wie z.B. Bärbel Wartenberg-Potter, die Bischöfin der Nordelbischen Landeskirche mit Sitz Lübeck oder das Ehepaar Dr. Reinhard und Renate Höppner, Ex-Brandenburger Ministerpräsident und künftiger Präsident des Evangelischen Kirchentages 2007 in Köln und Pfarrerin. Wartenberg-Potter und Dr. Höppner zeigen auch bei dem offiziellen Festakt Flagge, der am diesjährigen Reformationstag (31.Oktober) in der evangelischen Frankfurter Friedensgemeinde das Resultat feierte.

Die erste Präsentation auf der Frankfurter Buchmesse in der ersten Oktoberwoche hatte schon gehörig für Wirbel gesorgt, die Erstauflage war innerhalb von nur 10 Tagen vergriffen und von überschwänglichem Lob bis zum totalen Verriss wurde kommentiert, was die MacherInnen als »Bibel für Entdecker und Entdeckerinnen« verstehen.

Was ist denn eigentlich so ungewöhnlich und macht diese Übersetzung anders als die bisher vorliegenden Ausgaben? Mitherausgeberin und Übersetzerin Ulrike Bail, Privatdozentin für Altes Testament aus Bochum, weist vor allem darauf hin, dass die bisherigen Übersetzungen auf dem »Frauenauge blind gewesen seien«.

» Da wurden die Jüngerinnen ausgeblendet und Apostelinnen mit einem Männernamen versehen. Unser Ansatz war umgekehrt: Wenn es sich nicht eindeutig sagen lässt, dass Frauen nicht dabei waren, dann werden sie mitgenannt.« Die Übersetzung lässt sich nicht auf einen Gottesnamen festlegen, in einer separaten Textspalte werden mehrere mögliche Namen für Gott bzw. Jesus genannt und für die besonders interessierten wird auch das griechische Wort des Originals angegeben. Der Text verzichtet bewusst auf Überschriften. Die hatten bisher gegliedert und die Textflut übersichtlicher gemacht.

»Überschriften gehören nicht zum Text« erklärt Bail. »Sie verfälschen teilweise den Inhalt. In der Geschichte um Hagar und Sara, die beide Abraham einen Sohn gebären, geht es um Konkurrenz, doch die Bibelausgaben geben überwiegend »Die Geburt Ismails« als Überschrift vor« Ulrike Bail will mit ihrer Arbeit die Bibel »schöner« machen, wobei sie darunter auch klarer versteht und zuweilen schärfer als bisher bekannt. Sie hatte sich auf die Übersetzung der Psalmen konzentriert. » Natürlich ist ein Psalmvers wie »Lobe den Herrn meine Seele« als Poesie in unser Kulturerbe eingegangen. Richtig heißt es aber nicht Seele sondern Kehle, damit ist die Lebensenergie gemeint und mir ist es wichtig das heraus zu arbeiten.«

Die Bibel in gerechter Sprache fordert ein engagiertes Lesepublikum und die Leserschaft heraus. Zwar hatte sich im Vorfeld schon eine Gruppe gebildet, die einzelne Texte in Gottesdiensten und Bibelarbeiten auf ihre Tauglichkeit überprüften, doch nun ist der und die Einzelne gefragt. Vielen KritikerInnen scheint es nicht schmecken, dass diese Übersetzung nicht mehr aus einem Guss ist und sich durch die Erwähnung von Männern und Frauen auch nur bedingt leicht (vor)lesen lässt. Besonders die FAZ, die beiden großen Wochenmagazine aber auch die taz ließen kaum ein gutes Haar an diesem Projekt. »Viel Feind, viel Ehr« hält dem Bärbel Wartenberg-Potter ungerührt entgegen. Luise Schottroff hofft, dass die BigS auch Menschen erreicht, die die Bibel nicht kennen oder ihr mit Ablehnung begegnen. »Die Bibel soll kein Museumsstück sein sondern Auseinandersetzung provozieren. Auseinandersetzung in Form von ärger ist auch erwünscht.« Für 24.95 Euro ist diese Auseinandersetzung möglich. Und vielleicht können die neugierigen Leserinnen selbst erfahren, was Ulrike Bail so eindrücklick als Motivation für das eigene Schaffen beschrieb: »Ich engagiere mich für die Bibel in gerechter Sprache, weil Martin Luther eine Gesprächspartnerin braucht.«

Andrea Krüger

zurück

MATHILDE